die dilettirenden Pläneschmiede der Triaspolitik selber nicht zu sagen. Mit vernichtendem Hohne fiel Gentz sofort über das wunderliche Machwerk her und schilderte in einer Denkschrift, welche Metternich an alle österreichi- schen Gesandtschaften versenden ließ, das hinterhaltige Treiben des Stutt- garter Hofes so deutlich, daß Jedermann die einzelnen Personen mit Händen greifen konnte: unmöglich, so schrieb er, sei dieser Bericht im Kopfe eines einzelnen Schriftstellers entstanden, vielmehr habe hier offenbar ein unbescheidener Vertrauter die unreifen Anschläge einer Partei ausgeplau- dert, welche mit Hilfe "eines rastlosen abenteuerlichen Rathgebers" (Wan- genheim) den Deutschen Bund, "den Mittelpunkt des Lebens und der Kraft des europäischen Bundes" zerstören und einem gewissen Fürsten die Rolle "des deutschen Bonaparte" auferlegen wolle. Den deutschen Bo- naparte aber überfiel alsbald die Angst, und er ließ, um seine Unschuld darzuthun, die Gentzische Denkschrift in der Stuttgarter Hofzeitung ab- drucken. --
Also hatte sich der Stuttgarter Hof mit Preußen und Oesterreich völlig überworfen. Vergeblich stellte Wintzingerode seinem Könige vor, wie zwecklos dieser kleine Krieg gegen die Uebermacht sei: ohne das Wohl- wollen der großen Mächte könne ein Staat wie Württemberg doch nicht bestehen, darum müsse man sich mindestens von Lindner's literarischen Umtrieben entschieden lossagen. König Wilhelm erwiderte stolz: "Mein Charakter und die Verhältnisse meines Landes erlauben mir nicht den chien couchant zu spielen. Ich habe ihn nicht gegen Napoleon in einer weit gefährlicheren Zeit gespielt und will nicht jetzt, wo ich einen begrün- deten Ruf habe, damit anfangen, einem Menschen gegenüber, den ich so gründlich verachte wie Metternich. Stark durch mein Gewissen, durch die Liebe meiner Unterthanen, durch die öffentliche Achtung Deutschlands er- warte ich festen Fußes die geschlossenen Reihen des Machiavellismus des schwachen Metternich. Dies mein letztes Wort." Immer wieder hatte der vorsichtige Minister über den herausfordernden Trotz seines königlichen Herrn zu seufzen, der sich's nicht nehmen ließ die großen Höfe durch kleine Bosheiten zu ärgern und sogar "den württembergischen Riego", Oberst Baugold, einen der Urheber der demagogischen Ulmer Offiziersadresse, zu seinem Flügeladjutanten ernannte.*) Immer wieder brachte ihn der Ueber- muth des burschikosen Bundesgesandten in Verlegenheit. Als Wangen- heim in dem elenden Köthenschen Streite gar zu gröblich gegen Preußen geeifert hatte, ließ Wintzingerode durch den Gesandten in Berlin heilig betheuern, daß sein Hof, frei von Hintergedanken, lediglich die ehrliche Entwicklung des Bundessystems erstrebe.**)
*) Küster's Bericht, 10. April 1821.
**) Wintzingerode, Weisung an den Gesandten Gf. Wintzingerode d. Ae. in Berlin, 3. Jan. 1822.
Kollmanners Bericht.
die dilettirenden Pläneſchmiede der Triaspolitik ſelber nicht zu ſagen. Mit vernichtendem Hohne fiel Gentz ſofort über das wunderliche Machwerk her und ſchilderte in einer Denkſchrift, welche Metternich an alle öſterreichi- ſchen Geſandtſchaften verſenden ließ, das hinterhaltige Treiben des Stutt- garter Hofes ſo deutlich, daß Jedermann die einzelnen Perſonen mit Händen greifen konnte: unmöglich, ſo ſchrieb er, ſei dieſer Bericht im Kopfe eines einzelnen Schriftſtellers entſtanden, vielmehr habe hier offenbar ein unbeſcheidener Vertrauter die unreifen Anſchläge einer Partei ausgeplau- dert, welche mit Hilfe „eines raſtloſen abenteuerlichen Rathgebers“ (Wan- genheim) den Deutſchen Bund, „den Mittelpunkt des Lebens und der Kraft des europäiſchen Bundes“ zerſtören und einem gewiſſen Fürſten die Rolle „des deutſchen Bonaparte“ auferlegen wolle. Den deutſchen Bo- naparte aber überfiel alsbald die Angſt, und er ließ, um ſeine Unſchuld darzuthun, die Gentziſche Denkſchrift in der Stuttgarter Hofzeitung ab- drucken. —
Alſo hatte ſich der Stuttgarter Hof mit Preußen und Oeſterreich völlig überworfen. Vergeblich ſtellte Wintzingerode ſeinem Könige vor, wie zwecklos dieſer kleine Krieg gegen die Uebermacht ſei: ohne das Wohl- wollen der großen Mächte könne ein Staat wie Württemberg doch nicht beſtehen, darum müſſe man ſich mindeſtens von Lindner’s literariſchen Umtrieben entſchieden losſagen. König Wilhelm erwiderte ſtolz: „Mein Charakter und die Verhältniſſe meines Landes erlauben mir nicht den chien couchant zu ſpielen. Ich habe ihn nicht gegen Napoleon in einer weit gefährlicheren Zeit geſpielt und will nicht jetzt, wo ich einen begrün- deten Ruf habe, damit anfangen, einem Menſchen gegenüber, den ich ſo gründlich verachte wie Metternich. Stark durch mein Gewiſſen, durch die Liebe meiner Unterthanen, durch die öffentliche Achtung Deutſchlands er- warte ich feſten Fußes die geſchloſſenen Reihen des Machiavellismus des ſchwachen Metternich. Dies mein letztes Wort.“ Immer wieder hatte der vorſichtige Miniſter über den herausfordernden Trotz ſeines königlichen Herrn zu ſeufzen, der ſich’s nicht nehmen ließ die großen Höfe durch kleine Bosheiten zu ärgern und ſogar „den württembergiſchen Riego“, Oberſt Baugold, einen der Urheber der demagogiſchen Ulmer Offiziersadreſſe, zu ſeinem Flügeladjutanten ernannte.*) Immer wieder brachte ihn der Ueber- muth des burſchikoſen Bundesgeſandten in Verlegenheit. Als Wangen- heim in dem elenden Köthenſchen Streite gar zu gröblich gegen Preußen geeifert hatte, ließ Wintzingerode durch den Geſandten in Berlin heilig betheuern, daß ſein Hof, frei von Hintergedanken, lediglich die ehrliche Entwicklung des Bundesſyſtems erſtrebe.**)
*) Küſter’s Bericht, 10. April 1821.
**) Wintzingerode, Weiſung an den Geſandten Gf. Wintzingerode d. Ae. in Berlin, 3. Jan. 1822.
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Kollmanners Bericht.
die dilettirenden Pläneſchmiede der Triaspolitik ſelber nicht zu ſagen. Mit
vernichtendem Hohne fiel Gentz ſofort über das wunderliche Machwerk her
und ſchilderte in einer Denkſchrift, welche Metternich an alle öſterreichi-
ſchen Geſandtſchaften verſenden ließ, das hinterhaltige Treiben des Stutt-
garter Hofes ſo deutlich, daß Jedermann die einzelnen Perſonen mit
Händen greifen konnte: unmöglich, ſo ſchrieb er, ſei dieſer Bericht im Kopfe
eines einzelnen Schriftſtellers entſtanden, vielmehr habe hier offenbar ein
unbeſcheidener Vertrauter die unreifen Anſchläge einer Partei ausgeplau-
dert, welche mit Hilfe „eines raſtloſen abenteuerlichen Rathgebers“ (Wan-
genheim) den Deutſchen Bund, „den Mittelpunkt des Lebens und der
Kraft des europäiſchen Bundes“ zerſtören und einem gewiſſen Fürſten die
Rolle „des deutſchen Bonaparte“ auferlegen wolle. Den deutſchen Bo-
naparte aber überfiel alsbald die Angſt, und er ließ, um ſeine Unſchuld
darzuthun, die Gentziſche Denkſchrift in der Stuttgarter Hofzeitung ab-
drucken. —
Alſo hatte ſich der Stuttgarter Hof mit Preußen und Oeſterreich
völlig überworfen. Vergeblich ſtellte Wintzingerode ſeinem Könige vor, wie
zwecklos dieſer kleine Krieg gegen die Uebermacht ſei: ohne das Wohl-
wollen der großen Mächte könne ein Staat wie Württemberg doch nicht
beſtehen, darum müſſe man ſich mindeſtens von Lindner’s literariſchen
Umtrieben entſchieden losſagen. König Wilhelm erwiderte ſtolz: „Mein
Charakter und die Verhältniſſe meines Landes erlauben mir nicht den
chien couchant zu ſpielen. Ich habe ihn nicht gegen Napoleon in einer
weit gefährlicheren Zeit geſpielt und will nicht jetzt, wo ich einen begrün-
deten Ruf habe, damit anfangen, einem Menſchen gegenüber, den ich ſo
gründlich verachte wie Metternich. Stark durch mein Gewiſſen, durch die
Liebe meiner Unterthanen, durch die öffentliche Achtung Deutſchlands er-
warte ich feſten Fußes die geſchloſſenen Reihen des Machiavellismus des
ſchwachen Metternich. Dies mein letztes Wort.“ Immer wieder hatte der
vorſichtige Miniſter über den herausfordernden Trotz ſeines königlichen
Herrn zu ſeufzen, der ſich’s nicht nehmen ließ die großen Höfe durch kleine
Bosheiten zu ärgern und ſogar „den württembergiſchen Riego“, Oberſt
Baugold, einen der Urheber der demagogiſchen Ulmer Offiziersadreſſe, zu
ſeinem Flügeladjutanten ernannte. *) Immer wieder brachte ihn der Ueber-
muth des burſchikoſen Bundesgeſandten in Verlegenheit. Als Wangen-
heim in dem elenden Köthenſchen Streite gar zu gröblich gegen Preußen
geeifert hatte, ließ Wintzingerode durch den Geſandten in Berlin heilig
betheuern, daß ſein Hof, frei von Hintergedanken, lediglich die ehrliche
Entwicklung des Bundesſyſtems erſtrebe. **)
*) Küſter’s Bericht, 10. April 1821.
**) Wintzingerode, Weiſung an den Geſandten Gf. Wintzingerode d. Ae. in Berlin,
3. Jan. 1822.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/327>, abgerufen am 25.11.2024.
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