Oesterreich verliehen, die Zinsen verdoppelt und für die Erhaltung der be- stehenden Bundesfestungen verwendet würden.*) Oesterreichs Finanzen konnten aber ohne das Wohlwollen des großen Bankhauses nicht bestehen, und da auch die kleinen Staaten den preußischen Gesandten nicht herz- haft zu unterstützen wagten, so blieb es dabei, daß der Deutsche Bund der Firma Rothschild Jahr für Jahr etwa eine halbe Million Franken schenkte.
Im Verlaufe dieser Händel machte selbst der friedfertige Goltz die Er- fahrung, welche seitdem keinem der preußischen Bundesgesandten erspart blieb, daß jeder pflichtgetreue Preuße, sobald er die k. k. Bundespolitik näher kennen lernte, zum Gegner Oesterreichs werden mußte. Er entfremdete sich gänzlich seinem österreichischen Amtsgenossen; und wie seine Unter- gebenen gesinnt waren, das lehrte eine geheime Denkschrift des Legations- raths Küpfer über Preußens deutsche Politik, welche Goltz im Jahre 1822 nach Berlin sendete. Sie rieth dem Berliner Hofe, vorläufig das öster- reichische Bündniß noch aufrechtzuhalten, doch unter der Hand die frideri- cianische Politik wieder aufzunehmen und durch entschlossene Vertheidigung des "protestantischen Princips" die kleinen Höfe im Süden wie im Norden an sich zu ziehen, damit dereinst am Tage der unausbleiblichen Tren- nung das ganze oder doch fast das ganze nichtösterreichische Deutschland sich der Führung Preußens unterordne. Die Denkschrift war nur die Privatarbeit eines ehrgeizigen, wenig zuverlässigen jungen Beamten, der bald nachher den Staatsdienst verlassen mußte, merkwürdig allein als ein Zeichen der Gesinnungen der preußischen Bundesdiplomatie. Sie erlangte jedoch späterhin eine ganz unverdiente Berühmtheit, da sie durch einen Be- amten der Gesandtschaft, den gefürchteten Demagogen Gustav Kombst, ge- stohlen und in der liberalen Presse allgemein für ein unheimliches Werk Eichhorn's gehalten wurde -- ein thörichter Verdacht, den die bureaukratische Steifheit jener Tage leider zu widerlegen verschmähte.**)
In diesen Krieg Aller gegen Alle griffen auch noch die Diplomaten des Auslands verwirrend ein. Da war der russische Gesandte Anstett, ein unverbesserlicher Ränkeschmied, der anfangs wohl mit Kapodistrias' Vorwissen, nach dessen Sturz aber ganz auf eigene Faust und gegen Nesselrode's Absichten sein unterirdisches Handwerk trieb. Ueberall zischelte er umher um die kleinen Gesandten gegen die beiden Großmächte aufzu- stiften; allwöchentlich mußte Blittersdorff berichten, was "man" oder was "der dicke Freund, der Freund der nicht mein College ist" wieder einmal
*) Goltz, Rechtfertigung meines Verhaltens in Frankfurt, 9. Sept. 1824.
**) Küpfer, Unmaßgebliche Ideen über das politische System Preußens in Bezug auf Deutschland -- im Wesentlichen richtig abgedruckt in (Kombst) Authentische Akten- stücke aus den Archiven des D. Bundes (Straßburg 1835) S. 1, in Welcker's Wichtigen Urkunden S. 356 u. s. w. Die Denkschrift wurde nachher von Küpfer breiter ausge- arbeitet und am 18. Dec. 1824 nochmals an Bernstorff übersendet.
III. 5. Die Großmächte und die Trias.
Oeſterreich verliehen, die Zinſen verdoppelt und für die Erhaltung der be- ſtehenden Bundesfeſtungen verwendet würden.*) Oeſterreichs Finanzen konnten aber ohne das Wohlwollen des großen Bankhauſes nicht beſtehen, und da auch die kleinen Staaten den preußiſchen Geſandten nicht herz- haft zu unterſtützen wagten, ſo blieb es dabei, daß der Deutſche Bund der Firma Rothſchild Jahr für Jahr etwa eine halbe Million Franken ſchenkte.
Im Verlaufe dieſer Händel machte ſelbſt der friedfertige Goltz die Er- fahrung, welche ſeitdem keinem der preußiſchen Bundesgeſandten erſpart blieb, daß jeder pflichtgetreue Preuße, ſobald er die k. k. Bundespolitik näher kennen lernte, zum Gegner Oeſterreichs werden mußte. Er entfremdete ſich gänzlich ſeinem öſterreichiſchen Amtsgenoſſen; und wie ſeine Unter- gebenen geſinnt waren, das lehrte eine geheime Denkſchrift des Legations- raths Küpfer über Preußens deutſche Politik, welche Goltz im Jahre 1822 nach Berlin ſendete. Sie rieth dem Berliner Hofe, vorläufig das öſter- reichiſche Bündniß noch aufrechtzuhalten, doch unter der Hand die frideri- cianiſche Politik wieder aufzunehmen und durch entſchloſſene Vertheidigung des „proteſtantiſchen Princips“ die kleinen Höfe im Süden wie im Norden an ſich zu ziehen, damit dereinſt am Tage der unausbleiblichen Tren- nung das ganze oder doch faſt das ganze nichtöſterreichiſche Deutſchland ſich der Führung Preußens unterordne. Die Denkſchrift war nur die Privatarbeit eines ehrgeizigen, wenig zuverläſſigen jungen Beamten, der bald nachher den Staatsdienſt verlaſſen mußte, merkwürdig allein als ein Zeichen der Geſinnungen der preußiſchen Bundesdiplomatie. Sie erlangte jedoch ſpäterhin eine ganz unverdiente Berühmtheit, da ſie durch einen Be- amten der Geſandtſchaft, den gefürchteten Demagogen Guſtav Kombſt, ge- ſtohlen und in der liberalen Preſſe allgemein für ein unheimliches Werk Eichhorn’s gehalten wurde — ein thörichter Verdacht, den die bureaukratiſche Steifheit jener Tage leider zu widerlegen verſchmähte.**)
In dieſen Krieg Aller gegen Alle griffen auch noch die Diplomaten des Auslands verwirrend ein. Da war der ruſſiſche Geſandte Anſtett, ein unverbeſſerlicher Ränkeſchmied, der anfangs wohl mit Kapodiſtrias’ Vorwiſſen, nach deſſen Sturz aber ganz auf eigene Fauſt und gegen Neſſelrode’s Abſichten ſein unterirdiſches Handwerk trieb. Ueberall ziſchelte er umher um die kleinen Geſandten gegen die beiden Großmächte aufzu- ſtiften; allwöchentlich mußte Blittersdorff berichten, was „man“ oder was „der dicke Freund, der Freund der nicht mein College iſt“ wieder einmal
*) Goltz, Rechtfertigung meines Verhaltens in Frankfurt, 9. Sept. 1824.
**) Küpfer, Unmaßgebliche Ideen über das politiſche Syſtem Preußens in Bezug auf Deutſchland — im Weſentlichen richtig abgedruckt in (Kombſt) Authentiſche Akten- ſtücke aus den Archiven des D. Bundes (Straßburg 1835) S. 1, in Welcker’s Wichtigen Urkunden S. 356 u. ſ. w. Die Denkſchrift wurde nachher von Küpfer breiter ausge- arbeitet und am 18. Dec. 1824 nochmals an Bernſtorff überſendet.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0306"n="290"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">III.</hi> 5. Die Großmächte und die Trias.</fw><lb/>
Oeſterreich verliehen, die Zinſen verdoppelt und für die Erhaltung der be-<lb/>ſtehenden Bundesfeſtungen verwendet würden.<noteplace="foot"n="*)">Goltz, Rechtfertigung meines Verhaltens in Frankfurt, 9. Sept. 1824.</note> Oeſterreichs Finanzen<lb/>
konnten aber ohne das Wohlwollen des großen Bankhauſes nicht beſtehen,<lb/>
und da auch die kleinen Staaten den preußiſchen Geſandten nicht herz-<lb/>
haft zu unterſtützen wagten, ſo blieb es dabei, daß der Deutſche Bund<lb/>
der Firma Rothſchild Jahr für Jahr etwa eine halbe Million Franken<lb/>ſchenkte.</p><lb/><p>Im Verlaufe dieſer Händel machte ſelbſt der friedfertige Goltz die Er-<lb/>
fahrung, welche ſeitdem keinem der preußiſchen Bundesgeſandten erſpart<lb/>
blieb, daß jeder pflichtgetreue Preuße, ſobald er die k. k. Bundespolitik näher<lb/>
kennen lernte, zum Gegner Oeſterreichs werden mußte. Er entfremdete<lb/>ſich gänzlich ſeinem öſterreichiſchen Amtsgenoſſen; und wie ſeine Unter-<lb/>
gebenen geſinnt waren, das lehrte eine geheime Denkſchrift des Legations-<lb/>
raths Küpfer über Preußens deutſche Politik, welche Goltz im Jahre 1822<lb/>
nach Berlin ſendete. Sie rieth dem Berliner Hofe, vorläufig das öſter-<lb/>
reichiſche Bündniß noch aufrechtzuhalten, doch unter der Hand die frideri-<lb/>
cianiſche Politik wieder aufzunehmen und durch entſchloſſene Vertheidigung<lb/>
des „proteſtantiſchen Princips“ die kleinen Höfe im Süden wie im Norden<lb/>
an ſich zu ziehen, damit dereinſt am Tage der unausbleiblichen Tren-<lb/>
nung das ganze oder doch faſt das ganze nichtöſterreichiſche Deutſchland<lb/>ſich der Führung Preußens unterordne. Die Denkſchrift war nur die<lb/>
Privatarbeit eines ehrgeizigen, wenig zuverläſſigen jungen Beamten, der<lb/>
bald nachher den Staatsdienſt verlaſſen mußte, merkwürdig allein als ein<lb/>
Zeichen der Geſinnungen der preußiſchen Bundesdiplomatie. Sie erlangte<lb/>
jedoch ſpäterhin eine ganz unverdiente Berühmtheit, da ſie durch einen Be-<lb/>
amten der Geſandtſchaft, den gefürchteten Demagogen Guſtav Kombſt, ge-<lb/>ſtohlen und in der liberalen Preſſe allgemein für ein unheimliches Werk<lb/>
Eichhorn’s gehalten wurde — ein thörichter Verdacht, den die bureaukratiſche<lb/>
Steifheit jener Tage leider zu widerlegen verſchmähte.<noteplace="foot"n="**)">Küpfer, Unmaßgebliche Ideen über das politiſche Syſtem Preußens in Bezug<lb/>
auf Deutſchland — im Weſentlichen richtig abgedruckt in (Kombſt) Authentiſche Akten-<lb/>ſtücke aus den Archiven des D. Bundes (Straßburg 1835) S. 1, in Welcker’s Wichtigen<lb/>
Urkunden S. 356 u. ſ. w. Die Denkſchrift wurde nachher von Küpfer breiter ausge-<lb/>
arbeitet und am 18. Dec. 1824 nochmals an Bernſtorff überſendet.</note></p><lb/><p>In dieſen Krieg Aller gegen Alle griffen auch noch die Diplomaten<lb/>
des Auslands verwirrend ein. Da war der ruſſiſche Geſandte Anſtett,<lb/>
ein unverbeſſerlicher Ränkeſchmied, der anfangs wohl mit Kapodiſtrias’<lb/>
Vorwiſſen, nach deſſen Sturz aber ganz auf eigene Fauſt und gegen<lb/>
Neſſelrode’s Abſichten ſein unterirdiſches Handwerk trieb. Ueberall ziſchelte<lb/>
er umher um die kleinen Geſandten gegen die beiden Großmächte aufzu-<lb/>ſtiften; allwöchentlich mußte Blittersdorff berichten, was „man“ oder was<lb/>„der dicke Freund, der Freund der nicht mein College iſt“ wieder einmal<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[290/0306]
III. 5. Die Großmächte und die Trias.
Oeſterreich verliehen, die Zinſen verdoppelt und für die Erhaltung der be-
ſtehenden Bundesfeſtungen verwendet würden. *) Oeſterreichs Finanzen
konnten aber ohne das Wohlwollen des großen Bankhauſes nicht beſtehen,
und da auch die kleinen Staaten den preußiſchen Geſandten nicht herz-
haft zu unterſtützen wagten, ſo blieb es dabei, daß der Deutſche Bund
der Firma Rothſchild Jahr für Jahr etwa eine halbe Million Franken
ſchenkte.
Im Verlaufe dieſer Händel machte ſelbſt der friedfertige Goltz die Er-
fahrung, welche ſeitdem keinem der preußiſchen Bundesgeſandten erſpart
blieb, daß jeder pflichtgetreue Preuße, ſobald er die k. k. Bundespolitik näher
kennen lernte, zum Gegner Oeſterreichs werden mußte. Er entfremdete
ſich gänzlich ſeinem öſterreichiſchen Amtsgenoſſen; und wie ſeine Unter-
gebenen geſinnt waren, das lehrte eine geheime Denkſchrift des Legations-
raths Küpfer über Preußens deutſche Politik, welche Goltz im Jahre 1822
nach Berlin ſendete. Sie rieth dem Berliner Hofe, vorläufig das öſter-
reichiſche Bündniß noch aufrechtzuhalten, doch unter der Hand die frideri-
cianiſche Politik wieder aufzunehmen und durch entſchloſſene Vertheidigung
des „proteſtantiſchen Princips“ die kleinen Höfe im Süden wie im Norden
an ſich zu ziehen, damit dereinſt am Tage der unausbleiblichen Tren-
nung das ganze oder doch faſt das ganze nichtöſterreichiſche Deutſchland
ſich der Führung Preußens unterordne. Die Denkſchrift war nur die
Privatarbeit eines ehrgeizigen, wenig zuverläſſigen jungen Beamten, der
bald nachher den Staatsdienſt verlaſſen mußte, merkwürdig allein als ein
Zeichen der Geſinnungen der preußiſchen Bundesdiplomatie. Sie erlangte
jedoch ſpäterhin eine ganz unverdiente Berühmtheit, da ſie durch einen Be-
amten der Geſandtſchaft, den gefürchteten Demagogen Guſtav Kombſt, ge-
ſtohlen und in der liberalen Preſſe allgemein für ein unheimliches Werk
Eichhorn’s gehalten wurde — ein thörichter Verdacht, den die bureaukratiſche
Steifheit jener Tage leider zu widerlegen verſchmähte. **)
In dieſen Krieg Aller gegen Alle griffen auch noch die Diplomaten
des Auslands verwirrend ein. Da war der ruſſiſche Geſandte Anſtett,
ein unverbeſſerlicher Ränkeſchmied, der anfangs wohl mit Kapodiſtrias’
Vorwiſſen, nach deſſen Sturz aber ganz auf eigene Fauſt und gegen
Neſſelrode’s Abſichten ſein unterirdiſches Handwerk trieb. Ueberall ziſchelte
er umher um die kleinen Geſandten gegen die beiden Großmächte aufzu-
ſtiften; allwöchentlich mußte Blittersdorff berichten, was „man“ oder was
„der dicke Freund, der Freund der nicht mein College iſt“ wieder einmal
*) Goltz, Rechtfertigung meines Verhaltens in Frankfurt, 9. Sept. 1824.
**) Küpfer, Unmaßgebliche Ideen über das politiſche Syſtem Preußens in Bezug
auf Deutſchland — im Weſentlichen richtig abgedruckt in (Kombſt) Authentiſche Akten-
ſtücke aus den Archiven des D. Bundes (Straßburg 1835) S. 1, in Welcker’s Wichtigen
Urkunden S. 356 u. ſ. w. Die Denkſchrift wurde nachher von Küpfer breiter ausge-
arbeitet und am 18. Dec. 1824 nochmals an Bernſtorff überſendet.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/306>, abgerufen am 13.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.