eigenen Freunde in Verlegenheit brachte, und den Gesandten der sech- zehnten Curie, Leonhardi. Dieser trübselige Pedant hatte sich die Ehre, acht deutscheSouveräne, von Hohenzollern bis Waldeck, zu vertreten, im Submissionswege errungen, da er als wohlhabender Frankfurter Hausbe- sitzer mit einem lächerlichen Gehalte vorlieb nehmen konnte, und seine Leistungen entsprachen dem Preise; als einmal eine eilige Sitzung, statt auf den üblichen Donnerstag, schon auf den Samstag und die folgende gar schon auf den Montag angesetzt wurde, da verwahrte er sich lebhaft, denn wie konnte ein Frankfurter auf das Menschenrecht verzichten, Sonn- tags zum Aepfelwein in den Stadtwald oder nach Bockenheim hinaus- zufahren?
Also ohne festen Anhalt in der Versammlung, waren die Gesandten der beiden Großmächte auch unter sich entzweit. Der natürliche Gegensatz der Interessen, der in der europäischen Politik immer wieder verhüllt wurde, offenbarte sich unverblümt am Bundestage. Wie unerträglich für den preußischen Stolz war schon die Machtstellung, welche der Präsidial- gesandte sich nach und nach angemaßt hatte. Er allein setzte die Tages- ordnung fest, ohne Vorwissen des Bundestags, und scheute sich nicht selbst dem preußischen Gesandten zuweilen eine widerwärtige Ueberraschung zu bereiten. Er hielt das Archiv unter seinem Verschluß; denn in dieser Versammlung war Alles provisorisch; sie besaß weder eine eigene Kanzlei noch eine definitive Geschäftsordnung, ihre Gesandten mußten es hin- nehmen, wenn ihnen die k. k. Kanzleibeamten in unterthänigster Gemüth- lichkeit die zur Einsicht verlangten Akten unter allerhand Vorwänden ver- weigerten. Und was für Noth hatte General Wolzogen mit der Ordnung des Bundesheerwesens, das der Hofburg, so lange sie auf Preußens Waffen- hilfe zählen konnte, ganz gleichgiltig blieb; Tag für Tag stieß er auf die geheimen Ränke seines österreichischen Genossen Langenau. Der hegte noch von seinen sächsischen Zeiten her einen unversöhnlichen Haß gegen Preußen, verstand jedoch seine Gesinnung so geschickt hinter der Maske derber militärischer Freimüthigkeit zu verbergen, daß er die gesammte Bun- desmilitärcommission hinter sich herzog. Nur Wenige wußten, daß dieser offenherzige Soldat der vertrauteste Rathgeber Metternich's in allen Fragen der Bundespolitik war und zugleich durch die geheime k. k. Polizei in Frankfurt jeden Brief erbrechen, jedes Gespräch der Bundesgesandten be- horchen ließ. Da die vierte Bundesfestung Ulm, Dank dem ewigen Ge- zänk Württembergs und Badens, in einer absehbaren Zukunft nicht ge- baut werden konnte, so suchte sich Oesterreich, den Verträgen zuwider, aus- schließlich der Festung Mainz zu bemächtigen und verweigerte den Preußen unter lügnerischen Ausreden den zugesagten Wechsel im Commando. Immer wieder verlangte Goltz, daß die 20 Mill. französischer Festungsgelder, welche Metternich eigenmächtig dem Hause Rothschild gegen einen einfachen Schuldschein anvertraut hatte, zu gleichen Theilen vorläufig an Preußen und
Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 19
Blittersdorff. Langenau.
eigenen Freunde in Verlegenheit brachte, und den Geſandten der ſech- zehnten Curie, Leonhardi. Dieſer trübſelige Pedant hatte ſich die Ehre, acht deutſcheSouveräne, von Hohenzollern bis Waldeck, zu vertreten, im Submiſſionswege errungen, da er als wohlhabender Frankfurter Hausbe- ſitzer mit einem lächerlichen Gehalte vorlieb nehmen konnte, und ſeine Leiſtungen entſprachen dem Preiſe; als einmal eine eilige Sitzung, ſtatt auf den üblichen Donnerſtag, ſchon auf den Samstag und die folgende gar ſchon auf den Montag angeſetzt wurde, da verwahrte er ſich lebhaft, denn wie konnte ein Frankfurter auf das Menſchenrecht verzichten, Sonn- tags zum Aepfelwein in den Stadtwald oder nach Bockenheim hinaus- zufahren?
Alſo ohne feſten Anhalt in der Verſammlung, waren die Geſandten der beiden Großmächte auch unter ſich entzweit. Der natürliche Gegenſatz der Intereſſen, der in der europäiſchen Politik immer wieder verhüllt wurde, offenbarte ſich unverblümt am Bundestage. Wie unerträglich für den preußiſchen Stolz war ſchon die Machtſtellung, welche der Präſidial- geſandte ſich nach und nach angemaßt hatte. Er allein ſetzte die Tages- ordnung feſt, ohne Vorwiſſen des Bundestags, und ſcheute ſich nicht ſelbſt dem preußiſchen Geſandten zuweilen eine widerwärtige Ueberraſchung zu bereiten. Er hielt das Archiv unter ſeinem Verſchluß; denn in dieſer Verſammlung war Alles proviſoriſch; ſie beſaß weder eine eigene Kanzlei noch eine definitive Geſchäftsordnung, ihre Geſandten mußten es hin- nehmen, wenn ihnen die k. k. Kanzleibeamten in unterthänigſter Gemüth- lichkeit die zur Einſicht verlangten Akten unter allerhand Vorwänden ver- weigerten. Und was für Noth hatte General Wolzogen mit der Ordnung des Bundesheerweſens, das der Hofburg, ſo lange ſie auf Preußens Waffen- hilfe zählen konnte, ganz gleichgiltig blieb; Tag für Tag ſtieß er auf die geheimen Ränke ſeines öſterreichiſchen Genoſſen Langenau. Der hegte noch von ſeinen ſächſiſchen Zeiten her einen unverſöhnlichen Haß gegen Preußen, verſtand jedoch ſeine Geſinnung ſo geſchickt hinter der Maske derber militäriſcher Freimüthigkeit zu verbergen, daß er die geſammte Bun- desmilitärcommiſſion hinter ſich herzog. Nur Wenige wußten, daß dieſer offenherzige Soldat der vertrauteſte Rathgeber Metternich’s in allen Fragen der Bundespolitik war und zugleich durch die geheime k. k. Polizei in Frankfurt jeden Brief erbrechen, jedes Geſpräch der Bundesgeſandten be- horchen ließ. Da die vierte Bundesfeſtung Ulm, Dank dem ewigen Ge- zänk Württembergs und Badens, in einer abſehbaren Zukunft nicht ge- baut werden konnte, ſo ſuchte ſich Oeſterreich, den Verträgen zuwider, aus- ſchließlich der Feſtung Mainz zu bemächtigen und verweigerte den Preußen unter lügneriſchen Ausreden den zugeſagten Wechſel im Commando. Immer wieder verlangte Goltz, daß die 20 Mill. franzöſiſcher Feſtungsgelder, welche Metternich eigenmächtig dem Hauſe Rothſchild gegen einen einfachen Schuldſchein anvertraut hatte, zu gleichen Theilen vorläufig an Preußen und
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 19
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Blittersdorff. Langenau.
eigenen Freunde in Verlegenheit brachte, und den Geſandten der ſech-
zehnten Curie, Leonhardi. Dieſer trübſelige Pedant hatte ſich die Ehre,
acht deutſcheSouveräne, von Hohenzollern bis Waldeck, zu vertreten, im
Submiſſionswege errungen, da er als wohlhabender Frankfurter Hausbe-
ſitzer mit einem lächerlichen Gehalte vorlieb nehmen konnte, und ſeine
Leiſtungen entſprachen dem Preiſe; als einmal eine eilige Sitzung, ſtatt
auf den üblichen Donnerſtag, ſchon auf den Samstag und die folgende
gar ſchon auf den Montag angeſetzt wurde, da verwahrte er ſich lebhaft,
denn wie konnte ein Frankfurter auf das Menſchenrecht verzichten, Sonn-
tags zum Aepfelwein in den Stadtwald oder nach Bockenheim hinaus-
zufahren?
Alſo ohne feſten Anhalt in der Verſammlung, waren die Geſandten
der beiden Großmächte auch unter ſich entzweit. Der natürliche Gegenſatz
der Intereſſen, der in der europäiſchen Politik immer wieder verhüllt
wurde, offenbarte ſich unverblümt am Bundestage. Wie unerträglich für
den preußiſchen Stolz war ſchon die Machtſtellung, welche der Präſidial-
geſandte ſich nach und nach angemaßt hatte. Er allein ſetzte die Tages-
ordnung feſt, ohne Vorwiſſen des Bundestags, und ſcheute ſich nicht ſelbſt
dem preußiſchen Geſandten zuweilen eine widerwärtige Ueberraſchung zu
bereiten. Er hielt das Archiv unter ſeinem Verſchluß; denn in dieſer
Verſammlung war Alles proviſoriſch; ſie beſaß weder eine eigene Kanzlei
noch eine definitive Geſchäftsordnung, ihre Geſandten mußten es hin-
nehmen, wenn ihnen die k. k. Kanzleibeamten in unterthänigſter Gemüth-
lichkeit die zur Einſicht verlangten Akten unter allerhand Vorwänden ver-
weigerten. Und was für Noth hatte General Wolzogen mit der Ordnung
des Bundesheerweſens, das der Hofburg, ſo lange ſie auf Preußens Waffen-
hilfe zählen konnte, ganz gleichgiltig blieb; Tag für Tag ſtieß er auf die
geheimen Ränke ſeines öſterreichiſchen Genoſſen Langenau. Der hegte
noch von ſeinen ſächſiſchen Zeiten her einen unverſöhnlichen Haß gegen
Preußen, verſtand jedoch ſeine Geſinnung ſo geſchickt hinter der Maske
derber militäriſcher Freimüthigkeit zu verbergen, daß er die geſammte Bun-
desmilitärcommiſſion hinter ſich herzog. Nur Wenige wußten, daß dieſer
offenherzige Soldat der vertrauteſte Rathgeber Metternich’s in allen Fragen
der Bundespolitik war und zugleich durch die geheime k. k. Polizei in
Frankfurt jeden Brief erbrechen, jedes Geſpräch der Bundesgeſandten be-
horchen ließ. Da die vierte Bundesfeſtung Ulm, Dank dem ewigen Ge-
zänk Württembergs und Badens, in einer abſehbaren Zukunft nicht ge-
baut werden konnte, ſo ſuchte ſich Oeſterreich, den Verträgen zuwider, aus-
ſchließlich der Feſtung Mainz zu bemächtigen und verweigerte den Preußen
unter lügneriſchen Ausreden den zugeſagten Wechſel im Commando. Immer
wieder verlangte Goltz, daß die 20 Mill. franzöſiſcher Feſtungsgelder,
welche Metternich eigenmächtig dem Hauſe Rothſchild gegen einen einfachen
Schuldſchein anvertraut hatte, zu gleichen Theilen vorläufig an Preußen und
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 19
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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