III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes.
schöfe, er gründete also im paritätischen Deutschland fünf neue Missions- bisthümer mit allen den außerordentlichen Vollmachten, welche dem Mis- sionsclerus zur leichteren Bekehrung der Ketzer zustehen. Ueber das Ver- hältniß der Kirche zum Staate sagte die Bulle nichts, und die fünf Höfe bedurften noch mehrjähriger schwieriger Verhandlungen, um die Rechte ihrer Kirchenhoheit einigermaßen zu sichern.
Auch Hannover, das zuerst unter allen protestantischen Kronen, schon 1816, wegen eines Concordats zu unterhandeln begann, mußte lernen, daß der von Niebuhr eingeschlagene Weg allein zum Ziele führte. Con- salvi hielt die Herrschaftsansprüche seiner Kirche unerschütterlich fest, er verlangte für die Bischöfe die Jurisdiction juxta vigentem ecclesiae disciplinam, das will sagen: der protestantische König von Hannover sollte anerkennen, daß die Bischöfe von Rechtswegen für die Einheit der Kirche, auch den Ketzern gegenüber, zu sorgen hätten. Im Jahre 1821 wurden die Verhandlungen abgebrochen; der Bevollmächtigte Ompteda und sein Nachfolger Reden hatten Beide nur zu deutlich bewiesen, wie wenig man im protestantischen Norden die Gesinnungen des römischen Stuhles kannte. Erst als sich die hannöversche Regierung entschloß, dem Beispiele Preußens zu folgen, kam am 26. März 1824 die Circumscriptionsbulle Impensa Romanorum zu Stande, welche die Einrichtung der zwei kleinen Bisthümer Osnabrück und Hildesheim anordnete. Aber auch hierbei ließ die Curie ihre alten Künste wieder spielen: nicht das katholische Volk Han- novers, sondern das gesammte Königreich wurde als terra catholica in die neuen Bisthümer eingeordnet. --
Froh seiner römischen Erfolge, erfrischt durch die mannichfaltigen Ein- drücke der Reise kehrte Hardenberg am 24. April 1821 nach Potsdam zu- rück. Unterwegs war er in Baireuth von den treuen Franken, die der guten preußischen Zeiten nicht vergaßen, durch ein Fackelständchen geehrt und an der Landesgrenze, in Gefell unter einer Ehrenpforte feierlich empfangen worden. Man sah ihn heiter und zuversichtlich wie seit Jahren nicht. Doch alsbald mußte er die üblen Folgen dieser unbedachten Reise erfahren. Die Gegner hatten seine Abwesenheit benutzt, die Lage war gänzlich verändert, die Verfassungssache stand schon am Anfang des Endes. Unablässig arbeitete die altständische Opposition. Im Februar hatten die Landesdeputirten der Niederlausitz die sofortige Berufung der Provinzial- stände gefordert, und als der Staatskanzler heimkehrte, zeigten ihm Bo- delschwingh-Plettenberg und die markanischen Ritter kurzweg an, daß sie "wegen Verzögerung der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten der Grafschaft Mark, unseres Vaterlandes" sich entschlossen hätten, ihren auf- gehobenen Landtag einzuberufen. Beide Eingaben wurden freilich scharf
III. 4. Der Ausgang des preußiſchen Verfaſſungskampfes.
ſchöfe, er gründete alſo im paritätiſchen Deutſchland fünf neue Miſſions- bisthümer mit allen den außerordentlichen Vollmachten, welche dem Miſ- ſionsclerus zur leichteren Bekehrung der Ketzer zuſtehen. Ueber das Ver- hältniß der Kirche zum Staate ſagte die Bulle nichts, und die fünf Höfe bedurften noch mehrjähriger ſchwieriger Verhandlungen, um die Rechte ihrer Kirchenhoheit einigermaßen zu ſichern.
Auch Hannover, das zuerſt unter allen proteſtantiſchen Kronen, ſchon 1816, wegen eines Concordats zu unterhandeln begann, mußte lernen, daß der von Niebuhr eingeſchlagene Weg allein zum Ziele führte. Con- ſalvi hielt die Herrſchaftsanſprüche ſeiner Kirche unerſchütterlich feſt, er verlangte für die Biſchöfe die Jurisdiction juxta vigentem ecclesiae disciplinam, das will ſagen: der proteſtantiſche König von Hannover ſollte anerkennen, daß die Biſchöfe von Rechtswegen für die Einheit der Kirche, auch den Ketzern gegenüber, zu ſorgen hätten. Im Jahre 1821 wurden die Verhandlungen abgebrochen; der Bevollmächtigte Ompteda und ſein Nachfolger Reden hatten Beide nur zu deutlich bewieſen, wie wenig man im proteſtantiſchen Norden die Geſinnungen des römiſchen Stuhles kannte. Erſt als ſich die hannöverſche Regierung entſchloß, dem Beiſpiele Preußens zu folgen, kam am 26. März 1824 die Circumſcriptionsbulle Impensa Romanorum zu Stande, welche die Einrichtung der zwei kleinen Bisthümer Osnabrück und Hildesheim anordnete. Aber auch hierbei ließ die Curie ihre alten Künſte wieder ſpielen: nicht das katholiſche Volk Han- novers, ſondern das geſammte Königreich wurde als terra catholica in die neuen Bisthümer eingeordnet. —
Froh ſeiner römiſchen Erfolge, erfriſcht durch die mannichfaltigen Ein- drücke der Reiſe kehrte Hardenberg am 24. April 1821 nach Potsdam zu- rück. Unterwegs war er in Baireuth von den treuen Franken, die der guten preußiſchen Zeiten nicht vergaßen, durch ein Fackelſtändchen geehrt und an der Landesgrenze, in Gefell unter einer Ehrenpforte feierlich empfangen worden. Man ſah ihn heiter und zuverſichtlich wie ſeit Jahren nicht. Doch alsbald mußte er die üblen Folgen dieſer unbedachten Reiſe erfahren. Die Gegner hatten ſeine Abweſenheit benutzt, die Lage war gänzlich verändert, die Verfaſſungsſache ſtand ſchon am Anfang des Endes. Unabläſſig arbeitete die altſtändiſche Oppoſition. Im Februar hatten die Landesdeputirten der Niederlauſitz die ſofortige Berufung der Provinzial- ſtände gefordert, und als der Staatskanzler heimkehrte, zeigten ihm Bo- delſchwingh-Plettenberg und die markaniſchen Ritter kurzweg an, daß ſie „wegen Verzögerung der Geſtaltung der öffentlichen Angelegenheiten der Grafſchaft Mark, unſeres Vaterlandes“ ſich entſchloſſen hätten, ihren auf- gehobenen Landtag einzuberufen. Beide Eingaben wurden freilich ſcharf
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III. 4. Der Ausgang des preußiſchen Verfaſſungskampfes.
ſchöfe, er gründete alſo im paritätiſchen Deutſchland fünf neue Miſſions-
bisthümer mit allen den außerordentlichen Vollmachten, welche dem Miſ-
ſionsclerus zur leichteren Bekehrung der Ketzer zuſtehen. Ueber das Ver-
hältniß der Kirche zum Staate ſagte die Bulle nichts, und die fünf Höfe
bedurften noch mehrjähriger ſchwieriger Verhandlungen, um die Rechte ihrer
Kirchenhoheit einigermaßen zu ſichern.
Auch Hannover, das zuerſt unter allen proteſtantiſchen Kronen, ſchon
1816, wegen eines Concordats zu unterhandeln begann, mußte lernen,
daß der von Niebuhr eingeſchlagene Weg allein zum Ziele führte. Con-
ſalvi hielt die Herrſchaftsanſprüche ſeiner Kirche unerſchütterlich feſt, er
verlangte für die Biſchöfe die Jurisdiction juxta vigentem ecclesiae
disciplinam, das will ſagen: der proteſtantiſche König von Hannover
ſollte anerkennen, daß die Biſchöfe von Rechtswegen für die Einheit der
Kirche, auch den Ketzern gegenüber, zu ſorgen hätten. Im Jahre 1821
wurden die Verhandlungen abgebrochen; der Bevollmächtigte Ompteda und
ſein Nachfolger Reden hatten Beide nur zu deutlich bewieſen, wie wenig
man im proteſtantiſchen Norden die Geſinnungen des römiſchen Stuhles
kannte. Erſt als ſich die hannöverſche Regierung entſchloß, dem Beiſpiele
Preußens zu folgen, kam am 26. März 1824 die Circumſcriptionsbulle
Impensa Romanorum zu Stande, welche die Einrichtung der zwei kleinen
Bisthümer Osnabrück und Hildesheim anordnete. Aber auch hierbei ließ
die Curie ihre alten Künſte wieder ſpielen: nicht das katholiſche Volk Han-
novers, ſondern das geſammte Königreich wurde als terra catholica in
die neuen Bisthümer eingeordnet. —
Froh ſeiner römiſchen Erfolge, erfriſcht durch die mannichfaltigen Ein-
drücke der Reiſe kehrte Hardenberg am 24. April 1821 nach Potsdam zu-
rück. Unterwegs war er in Baireuth von den treuen Franken, die der
guten preußiſchen Zeiten nicht vergaßen, durch ein Fackelſtändchen geehrt
und an der Landesgrenze, in Gefell unter einer Ehrenpforte feierlich
empfangen worden. Man ſah ihn heiter und zuverſichtlich wie ſeit Jahren
nicht. Doch alsbald mußte er die üblen Folgen dieſer unbedachten Reiſe
erfahren. Die Gegner hatten ſeine Abweſenheit benutzt, die Lage war
gänzlich verändert, die Verfaſſungsſache ſtand ſchon am Anfang des Endes.
Unabläſſig arbeitete die altſtändiſche Oppoſition. Im Februar hatten die
Landesdeputirten der Niederlauſitz die ſofortige Berufung der Provinzial-
ſtände gefordert, und als der Staatskanzler heimkehrte, zeigten ihm Bo-
delſchwingh-Plettenberg und die markaniſchen Ritter kurzweg an, daß ſie
„wegen Verzögerung der Geſtaltung der öffentlichen Angelegenheiten der
Grafſchaft Mark, unſeres Vaterlandes“ ſich entſchloſſen hätten, ihren auf-
gehobenen Landtag einzuberufen. Beide Eingaben wurden freilich ſcharf
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/242>, abgerufen am 25.11.2024.
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