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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 3. Troppau und Laibach.
Oesterreicher, sei die Fackel der Zwietracht, welche die Demagogen zwischen
Oesterreich und Rußland geworfen hätten um die beiden Kaisermächte zu
trennen und die liberale Feuersbrunst zu unterhalten. Alexander ward
völlig bekehrt, er zeigte sich so fest, daß Metternich schreiben konnte: "wenn
je Jemand aus schwarz weiß geworden ist, so ist er es." Gentz aber froh-
lockte: "Gott streitet für und mit uns!" Wohl mochte er jubeln; denn
dieser Erfolg Metternich's sah wahrlich einem Wunder ähnlich. Der
unglückliche Kapodistrias stand in Gefahr, das Vertrauen seines kaiser-
lichen Herrn und damit jede Handhabe zur Unterstützung seiner Lands-
leute zu verlieren. Geschmeidig schickte er sich in die Umstände und ver-
faßte selbst das strenge Antwortschreiben, das dem hellenischen Rebellen-
führer die Ungnade des Czaren aussprach (26. März); zugleich wurde
Ypsilanti's Name aus den Listen des russischen Heeres gestrichen. Dieser
Gesinnung blieb Alexander bis zum Schlusse des Congresses treu, und
sein österreichischer Mentor versäumte nicht, ihm die Lehrsätze der allein
wahren Staatskunst, die allesammt auf den einen Gedanken "ne rien
innover!"
hinausliefen, nochmals in wortreichen Denkschriften nachdrück-
lich einzuschärfen.

Gentz eröffnete unterdessen im Oesterreichischen Beobachter den Feder-
krieg gegen die Hellenen und verfertigte fortan in regelmäßiger Folge jene
berufenen Berichte "aus Zante", welche die Sünden der Rebellen, ihren
Hader, ihre Grausamkeit mit ungeheuerlicher Uebertreibung schilderten.
Metternich selbst durfte es wagen, in einer Denkschrift vom 7. Mai das
gemeinsame Urtheil der beiden Kaiser dahin zusammenzufassen: sie hätten
sich überzeugt, daß die griechische Nation auf der tiefsten Stufe der Ent-
artung angelangt sei. Als die Monarchen am 13. Mai nach halbjährigem
Zusammenleben sich endlich trennten, da schien ihre Freundschaft inniger
denn je. Sie gaben sich die Hand darauf, daß sie Beide niemals allein,
sondern immer nur nach den gemeinsamen Beschlüssen der großen Allianz
in die orientalischen Wirren eingreifen würden. Uebers Jahr dachten sie in
Florenz mit König Friedrich Wilhelm zu einem neuen Congresse zusammen-
zutreten, inzwischen wollten sie den Verlauf der Bewegung scharf beob-
achten und einander jede Nachricht freundnachbarlich mittheilen. Beim
Abschied von dem preußischen Gesandten pries Alexander den Bund der
Ostmächte nochmals als "Europas Schutzwehr gegen die Revolution" und
erkannte gerührt den Willen Gottes in der wunderbaren Fügung, die
ihn eben jetzt mit Kaiser Franz zusammengeführt. Nicht minder salbungs-
voll schrieb Ancillon: "Wenn man sieht, wie die Pforte in ihrem Dasein
bedroht wird, wie Spanien mit schnellen Schritten dem Bürgerkriege ent-
gegeneilt, wie Amerika das von Europa empfangene schlechte und ver-
derbliche Beispiel noch überbietet und den alten Continent mit einer sitt-
lichen und politischen Ansteckung von ganz neuer Art bedroht, dann fühlt
man doppelt den unschätzbaren Werth der Vereinigung der Alliirten und

III. 3. Troppau und Laibach.
Oeſterreicher, ſei die Fackel der Zwietracht, welche die Demagogen zwiſchen
Oeſterreich und Rußland geworfen hätten um die beiden Kaiſermächte zu
trennen und die liberale Feuersbrunſt zu unterhalten. Alexander ward
völlig bekehrt, er zeigte ſich ſo feſt, daß Metternich ſchreiben konnte: „wenn
je Jemand aus ſchwarz weiß geworden iſt, ſo iſt er es.“ Gentz aber froh-
lockte: „Gott ſtreitet für und mit uns!“ Wohl mochte er jubeln; denn
dieſer Erfolg Metternich’s ſah wahrlich einem Wunder ähnlich. Der
unglückliche Kapodiſtrias ſtand in Gefahr, das Vertrauen ſeines kaiſer-
lichen Herrn und damit jede Handhabe zur Unterſtützung ſeiner Lands-
leute zu verlieren. Geſchmeidig ſchickte er ſich in die Umſtände und ver-
faßte ſelbſt das ſtrenge Antwortſchreiben, das dem helleniſchen Rebellen-
führer die Ungnade des Czaren ausſprach (26. März); zugleich wurde
Ypſilanti’s Name aus den Liſten des ruſſiſchen Heeres geſtrichen. Dieſer
Geſinnung blieb Alexander bis zum Schluſſe des Congreſſes treu, und
ſein öſterreichiſcher Mentor verſäumte nicht, ihm die Lehrſätze der allein
wahren Staatskunſt, die alleſammt auf den einen Gedanken „ne rien
innover!“
hinausliefen, nochmals in wortreichen Denkſchriften nachdrück-
lich einzuſchärfen.

Gentz eröffnete unterdeſſen im Oeſterreichiſchen Beobachter den Feder-
krieg gegen die Hellenen und verfertigte fortan in regelmäßiger Folge jene
berufenen Berichte „aus Zante“, welche die Sünden der Rebellen, ihren
Hader, ihre Grauſamkeit mit ungeheuerlicher Uebertreibung ſchilderten.
Metternich ſelbſt durfte es wagen, in einer Denkſchrift vom 7. Mai das
gemeinſame Urtheil der beiden Kaiſer dahin zuſammenzufaſſen: ſie hätten
ſich überzeugt, daß die griechiſche Nation auf der tiefſten Stufe der Ent-
artung angelangt ſei. Als die Monarchen am 13. Mai nach halbjährigem
Zuſammenleben ſich endlich trennten, da ſchien ihre Freundſchaft inniger
denn je. Sie gaben ſich die Hand darauf, daß ſie Beide niemals allein,
ſondern immer nur nach den gemeinſamen Beſchlüſſen der großen Allianz
in die orientaliſchen Wirren eingreifen würden. Uebers Jahr dachten ſie in
Florenz mit König Friedrich Wilhelm zu einem neuen Congreſſe zuſammen-
zutreten, inzwiſchen wollten ſie den Verlauf der Bewegung ſcharf beob-
achten und einander jede Nachricht freundnachbarlich mittheilen. Beim
Abſchied von dem preußiſchen Geſandten pries Alexander den Bund der
Oſtmächte nochmals als „Europas Schutzwehr gegen die Revolution“ und
erkannte gerührt den Willen Gottes in der wunderbaren Fügung, die
ihn eben jetzt mit Kaiſer Franz zuſammengeführt. Nicht minder ſalbungs-
voll ſchrieb Ancillon: „Wenn man ſieht, wie die Pforte in ihrem Daſein
bedroht wird, wie Spanien mit ſchnellen Schritten dem Bürgerkriege ent-
gegeneilt, wie Amerika das von Europa empfangene ſchlechte und ver-
derbliche Beiſpiel noch überbietet und den alten Continent mit einer ſitt-
lichen und politiſchen Anſteckung von ganz neuer Art bedroht, dann fühlt
man doppelt den unſchätzbaren Werth der Vereinigung der Alliirten und

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[190/0206] III. 3. Troppau und Laibach. Oeſterreicher, ſei die Fackel der Zwietracht, welche die Demagogen zwiſchen Oeſterreich und Rußland geworfen hätten um die beiden Kaiſermächte zu trennen und die liberale Feuersbrunſt zu unterhalten. Alexander ward völlig bekehrt, er zeigte ſich ſo feſt, daß Metternich ſchreiben konnte: „wenn je Jemand aus ſchwarz weiß geworden iſt, ſo iſt er es.“ Gentz aber froh- lockte: „Gott ſtreitet für und mit uns!“ Wohl mochte er jubeln; denn dieſer Erfolg Metternich’s ſah wahrlich einem Wunder ähnlich. Der unglückliche Kapodiſtrias ſtand in Gefahr, das Vertrauen ſeines kaiſer- lichen Herrn und damit jede Handhabe zur Unterſtützung ſeiner Lands- leute zu verlieren. Geſchmeidig ſchickte er ſich in die Umſtände und ver- faßte ſelbſt das ſtrenge Antwortſchreiben, das dem helleniſchen Rebellen- führer die Ungnade des Czaren ausſprach (26. März); zugleich wurde Ypſilanti’s Name aus den Liſten des ruſſiſchen Heeres geſtrichen. Dieſer Geſinnung blieb Alexander bis zum Schluſſe des Congreſſes treu, und ſein öſterreichiſcher Mentor verſäumte nicht, ihm die Lehrſätze der allein wahren Staatskunſt, die alleſammt auf den einen Gedanken „ne rien innover!“ hinausliefen, nochmals in wortreichen Denkſchriften nachdrück- lich einzuſchärfen. Gentz eröffnete unterdeſſen im Oeſterreichiſchen Beobachter den Feder- krieg gegen die Hellenen und verfertigte fortan in regelmäßiger Folge jene berufenen Berichte „aus Zante“, welche die Sünden der Rebellen, ihren Hader, ihre Grauſamkeit mit ungeheuerlicher Uebertreibung ſchilderten. Metternich ſelbſt durfte es wagen, in einer Denkſchrift vom 7. Mai das gemeinſame Urtheil der beiden Kaiſer dahin zuſammenzufaſſen: ſie hätten ſich überzeugt, daß die griechiſche Nation auf der tiefſten Stufe der Ent- artung angelangt ſei. Als die Monarchen am 13. Mai nach halbjährigem Zuſammenleben ſich endlich trennten, da ſchien ihre Freundſchaft inniger denn je. Sie gaben ſich die Hand darauf, daß ſie Beide niemals allein, ſondern immer nur nach den gemeinſamen Beſchlüſſen der großen Allianz in die orientaliſchen Wirren eingreifen würden. Uebers Jahr dachten ſie in Florenz mit König Friedrich Wilhelm zu einem neuen Congreſſe zuſammen- zutreten, inzwiſchen wollten ſie den Verlauf der Bewegung ſcharf beob- achten und einander jede Nachricht freundnachbarlich mittheilen. Beim Abſchied von dem preußiſchen Geſandten pries Alexander den Bund der Oſtmächte nochmals als „Europas Schutzwehr gegen die Revolution“ und erkannte gerührt den Willen Gottes in der wunderbaren Fügung, die ihn eben jetzt mit Kaiſer Franz zuſammengeführt. Nicht minder ſalbungs- voll ſchrieb Ancillon: „Wenn man ſieht, wie die Pforte in ihrem Daſein bedroht wird, wie Spanien mit ſchnellen Schritten dem Bürgerkriege ent- gegeneilt, wie Amerika das von Europa empfangene ſchlechte und ver- derbliche Beiſpiel noch überbietet und den alten Continent mit einer ſitt- lichen und politiſchen Anſteckung von ganz neuer Art bedroht, dann fühlt man doppelt den unſchätzbaren Werth der Vereinigung der Alliirten und

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/206>, abgerufen am 25.11.2024.