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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Das Laibacher Manifest.
dankt dem Himmel, daß er der Macht des Kaisers von Rußland in seinem
Herzen und in seinen Grundsätzen ein Gegengewicht gegeben hat."*)

In einer hochtönenden Erklärung verkündeten die Ostmächte beim
Schlusse des Congresses (12. Mai) die Ergebnisse ihrer Bemühungen:
der Plan des allgemeinen Umsturzes sei gescheitert an den verbündeten
Heeren, welche den unterdrückten Völkern zu Hilfe gekommen. "Die Vor-
sehung hat so schuldige Gewissen mit Schrecken geschlagen, und die Miß-
billigung der Völker, deren Loos die Urheber der Unruhen gefährdeten,
hat ihnen die Waffen aus der Hand fallen lassen." Ein begleitendes
Rundschreiben an die kleinen Höfe versicherte sodann, daß die drei Mächte
auch die griechische Revolution nach denselben Grundsätzen wie die italie-
nische beurtheilten, und erklärte nochmals alle durch Aufruhr bewirkten
Reformen für null und nichtig. Um jeden Zweifel zu zerstreuen, ließ
der Czar noch eine besondere Circulardepesche an seine Gesandtschaften er-
gehen, worin feierlich betheuert wurde, daß Rußland sich auch der Pforte
gegenüber streng an die Regeln des Völkerrechts halten werde und kein
anderes Ziel verfolge als die Erhaltung der allgemeinen Ruhe. Auch der
Berliner Hof schloß sich dem Laibacher Manifeste ohne Widerspruch an.
Seine Fügsamkeit erschien vor der Welt sogar noch unbedingter als sie
war; denn von Bernstorff's kluger Zurückhaltung erfuhr man nichts, da-
gegen trat Geh. Rath Kamptz eben jetzt öffentlich als Anwalt der neuen
Wiener Völkerrechtslehren auf. In einer "Völkerrechtlichen Erörterung",
deren fanatischer Ton die Liberalen empören mußte, behauptete er kurz-
weg: das Recht der Intervention sei für die Staatengesellschaft ebenso
nothwendig und wohlthätig wie die Polizei für den einzelnen Staat; so-
bald ein Staat sich durch die Verfassung des Nachbarlandes in seiner
Sicherheit bedroht glaube, stehe ihm ohne Weiteres die Befugniß zum
Einschreiten zu; nur "die Faktionärs", die mit ihrer revolutionären Pro-
paganda die Ordnung aller Staaten gefährdeten, wagten dies unbestreit-
bare Recht in Frage zu stellen. Zur Begründung seiner rohen Doctrin
berief sich Kamptz sogar auf die wiederholten Eingriffe Frankreichs und
Schwedens in die alte deutsche Reichsverfassung. So schienen denn die
Ostmächte gänzlich für die Absichten der Hofburg gewonnen. Metter-
nich's Triumph war vollständig. Er stand auf der Höhe seines Ruhmes,
und zum Lohne für die Sorge, die er in diesen zwei Jahren "dem Siege
des Rechts über das leidenschaftliche Treiben der Friedensstörer" gewidmet
habe, verlieh ihm sein dankbarer Kaiser noch in Laibach die Würde eines
Hof- und Staatskanzlers.

Die Vertreter der Westmächte hatten die Laibacher Erklärung nicht
unterzeichnet, jedoch sie wagten auch nicht öffentlich zu widersprechen. Lord

*) Krusemark's Bericht, 15. Mai. Protokoll des Congresses vom 26. Febr. An-
cillon, Ministerialschreiben an Krusemark, 28. Mai 1821.

Das Laibacher Manifeſt.
dankt dem Himmel, daß er der Macht des Kaiſers von Rußland in ſeinem
Herzen und in ſeinen Grundſätzen ein Gegengewicht gegeben hat.“*)

In einer hochtönenden Erklärung verkündeten die Oſtmächte beim
Schluſſe des Congreſſes (12. Mai) die Ergebniſſe ihrer Bemühungen:
der Plan des allgemeinen Umſturzes ſei geſcheitert an den verbündeten
Heeren, welche den unterdrückten Völkern zu Hilfe gekommen. „Die Vor-
ſehung hat ſo ſchuldige Gewiſſen mit Schrecken geſchlagen, und die Miß-
billigung der Völker, deren Loos die Urheber der Unruhen gefährdeten,
hat ihnen die Waffen aus der Hand fallen laſſen.“ Ein begleitendes
Rundſchreiben an die kleinen Höfe verſicherte ſodann, daß die drei Mächte
auch die griechiſche Revolution nach denſelben Grundſätzen wie die italie-
niſche beurtheilten, und erklärte nochmals alle durch Aufruhr bewirkten
Reformen für null und nichtig. Um jeden Zweifel zu zerſtreuen, ließ
der Czar noch eine beſondere Circulardepeſche an ſeine Geſandtſchaften er-
gehen, worin feierlich betheuert wurde, daß Rußland ſich auch der Pforte
gegenüber ſtreng an die Regeln des Völkerrechts halten werde und kein
anderes Ziel verfolge als die Erhaltung der allgemeinen Ruhe. Auch der
Berliner Hof ſchloß ſich dem Laibacher Manifeſte ohne Widerſpruch an.
Seine Fügſamkeit erſchien vor der Welt ſogar noch unbedingter als ſie
war; denn von Bernſtorff’s kluger Zurückhaltung erfuhr man nichts, da-
gegen trat Geh. Rath Kamptz eben jetzt öffentlich als Anwalt der neuen
Wiener Völkerrechtslehren auf. In einer „Völkerrechtlichen Erörterung“,
deren fanatiſcher Ton die Liberalen empören mußte, behauptete er kurz-
weg: das Recht der Intervention ſei für die Staatengeſellſchaft ebenſo
nothwendig und wohlthätig wie die Polizei für den einzelnen Staat; ſo-
bald ein Staat ſich durch die Verfaſſung des Nachbarlandes in ſeiner
Sicherheit bedroht glaube, ſtehe ihm ohne Weiteres die Befugniß zum
Einſchreiten zu; nur „die Faktionärs“, die mit ihrer revolutionären Pro-
paganda die Ordnung aller Staaten gefährdeten, wagten dies unbeſtreit-
bare Recht in Frage zu ſtellen. Zur Begründung ſeiner rohen Doctrin
berief ſich Kamptz ſogar auf die wiederholten Eingriffe Frankreichs und
Schwedens in die alte deutſche Reichsverfaſſung. So ſchienen denn die
Oſtmächte gänzlich für die Abſichten der Hofburg gewonnen. Metter-
nich’s Triumph war vollſtändig. Er ſtand auf der Höhe ſeines Ruhmes,
und zum Lohne für die Sorge, die er in dieſen zwei Jahren „dem Siege
des Rechts über das leidenſchaftliche Treiben der Friedensſtörer“ gewidmet
habe, verlieh ihm ſein dankbarer Kaiſer noch in Laibach die Würde eines
Hof- und Staatskanzlers.

Die Vertreter der Weſtmächte hatten die Laibacher Erklärung nicht
unterzeichnet, jedoch ſie wagten auch nicht öffentlich zu widerſprechen. Lord

*) Kruſemark’s Bericht, 15. Mai. Protokoll des Congreſſes vom 26. Febr. An-
cillon, Miniſterialſchreiben an Kruſemark, 28. Mai 1821.
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[191/0207] Das Laibacher Manifeſt. dankt dem Himmel, daß er der Macht des Kaiſers von Rußland in ſeinem Herzen und in ſeinen Grundſätzen ein Gegengewicht gegeben hat.“ *) In einer hochtönenden Erklärung verkündeten die Oſtmächte beim Schluſſe des Congreſſes (12. Mai) die Ergebniſſe ihrer Bemühungen: der Plan des allgemeinen Umſturzes ſei geſcheitert an den verbündeten Heeren, welche den unterdrückten Völkern zu Hilfe gekommen. „Die Vor- ſehung hat ſo ſchuldige Gewiſſen mit Schrecken geſchlagen, und die Miß- billigung der Völker, deren Loos die Urheber der Unruhen gefährdeten, hat ihnen die Waffen aus der Hand fallen laſſen.“ Ein begleitendes Rundſchreiben an die kleinen Höfe verſicherte ſodann, daß die drei Mächte auch die griechiſche Revolution nach denſelben Grundſätzen wie die italie- niſche beurtheilten, und erklärte nochmals alle durch Aufruhr bewirkten Reformen für null und nichtig. Um jeden Zweifel zu zerſtreuen, ließ der Czar noch eine beſondere Circulardepeſche an ſeine Geſandtſchaften er- gehen, worin feierlich betheuert wurde, daß Rußland ſich auch der Pforte gegenüber ſtreng an die Regeln des Völkerrechts halten werde und kein anderes Ziel verfolge als die Erhaltung der allgemeinen Ruhe. Auch der Berliner Hof ſchloß ſich dem Laibacher Manifeſte ohne Widerſpruch an. Seine Fügſamkeit erſchien vor der Welt ſogar noch unbedingter als ſie war; denn von Bernſtorff’s kluger Zurückhaltung erfuhr man nichts, da- gegen trat Geh. Rath Kamptz eben jetzt öffentlich als Anwalt der neuen Wiener Völkerrechtslehren auf. In einer „Völkerrechtlichen Erörterung“, deren fanatiſcher Ton die Liberalen empören mußte, behauptete er kurz- weg: das Recht der Intervention ſei für die Staatengeſellſchaft ebenſo nothwendig und wohlthätig wie die Polizei für den einzelnen Staat; ſo- bald ein Staat ſich durch die Verfaſſung des Nachbarlandes in ſeiner Sicherheit bedroht glaube, ſtehe ihm ohne Weiteres die Befugniß zum Einſchreiten zu; nur „die Faktionärs“, die mit ihrer revolutionären Pro- paganda die Ordnung aller Staaten gefährdeten, wagten dies unbeſtreit- bare Recht in Frage zu ſtellen. Zur Begründung ſeiner rohen Doctrin berief ſich Kamptz ſogar auf die wiederholten Eingriffe Frankreichs und Schwedens in die alte deutſche Reichsverfaſſung. So ſchienen denn die Oſtmächte gänzlich für die Abſichten der Hofburg gewonnen. Metter- nich’s Triumph war vollſtändig. Er ſtand auf der Höhe ſeines Ruhmes, und zum Lohne für die Sorge, die er in dieſen zwei Jahren „dem Siege des Rechts über das leidenſchaftliche Treiben der Friedensſtörer“ gewidmet habe, verlieh ihm ſein dankbarer Kaiſer noch in Laibach die Würde eines Hof- und Staatskanzlers. Die Vertreter der Weſtmächte hatten die Laibacher Erklärung nicht unterzeichnet, jedoch ſie wagten auch nicht öffentlich zu widerſprechen. Lord *) Kruſemark’s Bericht, 15. Mai. Protokoll des Congreſſes vom 26. Febr. An- cillon, Miniſterialſchreiben an Kruſemark, 28. Mai 1821.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/207>, abgerufen am 25.11.2024.