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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 3. Troppau und Laibach.
nicht, daß alle Ausländer, aus dem nämlichen Grunde, ganz ebenso lieb-
los und ungerecht über die politische Fähigkeit der Deutschen sprachen.
Der englische Gesandte A Court schilderte die Bewegung, die doch von den
besitzenden Klassen ausging, als eine Erhebung des Pöbels wider das
Eigenthum. Niebuhr in Rom fühlte sich von den demagogischen Künsten
der Carbonari dermaßen angeekelt, daß er den Aufstand mit einer Neger-
Rebellion verglich und über die Hundischkeit dieser Wälschen nicht genug
Arges zu sagen wußte; auch sein junger Sekretär Bunsen meinte, an
eigentliche Freiheit sei in diesem versunkenen Volke gar nicht zu denken.

Großes Aergerniß erregte insbesondere die Haltung des Kronprinzen
Franz von Neapel, den der greise Ferdinand, um sich selber für die Stunde
der Vergeltung aufzusparen, zum Statthalter ernannt hatte. Der Sohn
war seines Vaters würdig; er trug die Carbonarifarben und spielte die Rolle
des volksfreundlichen Fürsten nur um die Liberalen desto sicherer zu ver-
derben. Im Auslande aber durchschaute man das Doppelspiel des bour-
bonischen Thronfolgers noch nicht; er galt für einen Freund des liberalen
bairischen Kronprinzen, und ein an den Höfen umlaufendes Schreiben des
geistreichen Prinzen Christian von Dänemark, der den Aufruhr in Neapel
mit angesehen hatte und den Charakter König Ferdinands ganz richtig
beurtheilte, versicherte bestimmt, der Sohn sei ernstlich constitutionell und
handle nicht aus Schwachheit.*) Welche Aussicht, wenn ein liberaler
junger König sich an die Spitze einer nationalen Bewegung der Italiener
stellte! Die unheimlichste Erscheinung in dieser Revolution blieb doch die
Macht der geheimen Vereine, die sich hier so überraschend stark zeigte; nichts
schien gewisser als daß diese furchtbare Verschwörung sich bis nach Frank-
reich, Deutschland und England verzweige.**) Darum hielten die fünf
Mächte allesammt ein strenges Einschreiten für nöthig; und Niemand be-
stritt, daß dem zunächst bedrohten Oesterreich dabei die Vorhand gebühre.

Die Gesandten der neuen neapolitanischen Regierung wurden von
keinem der fünf Höfe zugelassen. Der König von Preußen -- und gleich
ihm Kaiser Franz -- ließ ein Schreiben König Ferdinand's, das ihm
den erfolgten Umschwung anzeigen sollte, uneröffnet liegen, und Bern-
storff erklärte, dereinst werde Seine Sicilianische Majestät dem Könige
dafür Dank wissen. Um die Höfe in ihrem Abscheu zu bestärken, sen-
dete ihnen Metternich den Bericht über seine vertrauliche Unterredung
mit dem revolutionären Gesandten, dem Fürsten Cimitille. Wie furchtbar
hatte er da den Unglücksmann angeherrscht, wie kunstvoll seine dritte
Lieblingsmetapher, die Pest verwerthet: gegen ein so von der Pest ver-

*) Schreiben des Prinzen Christian v. Dänemark, Neapel, 11. Juli 1820. Adressat
war wahrscheinlich der König von Dänemark.
**) So äußert sich u. A. das für die Höfe von Paris und London bestimmte Me-
moire de la Cour de Prusse,
7. Okt. 1820.

III. 3. Troppau und Laibach.
nicht, daß alle Ausländer, aus dem nämlichen Grunde, ganz ebenſo lieb-
los und ungerecht über die politiſche Fähigkeit der Deutſchen ſprachen.
Der engliſche Geſandte A Court ſchilderte die Bewegung, die doch von den
beſitzenden Klaſſen ausging, als eine Erhebung des Pöbels wider das
Eigenthum. Niebuhr in Rom fühlte ſich von den demagogiſchen Künſten
der Carbonari dermaßen angeekelt, daß er den Aufſtand mit einer Neger-
Rebellion verglich und über die Hundiſchkeit dieſer Wälſchen nicht genug
Arges zu ſagen wußte; auch ſein junger Sekretär Bunſen meinte, an
eigentliche Freiheit ſei in dieſem verſunkenen Volke gar nicht zu denken.

Großes Aergerniß erregte insbeſondere die Haltung des Kronprinzen
Franz von Neapel, den der greiſe Ferdinand, um ſich ſelber für die Stunde
der Vergeltung aufzuſparen, zum Statthalter ernannt hatte. Der Sohn
war ſeines Vaters würdig; er trug die Carbonarifarben und ſpielte die Rolle
des volksfreundlichen Fürſten nur um die Liberalen deſto ſicherer zu ver-
derben. Im Auslande aber durchſchaute man das Doppelſpiel des bour-
boniſchen Thronfolgers noch nicht; er galt für einen Freund des liberalen
bairiſchen Kronprinzen, und ein an den Höfen umlaufendes Schreiben des
geiſtreichen Prinzen Chriſtian von Dänemark, der den Aufruhr in Neapel
mit angeſehen hatte und den Charakter König Ferdinands ganz richtig
beurtheilte, verſicherte beſtimmt, der Sohn ſei ernſtlich conſtitutionell und
handle nicht aus Schwachheit.*) Welche Ausſicht, wenn ein liberaler
junger König ſich an die Spitze einer nationalen Bewegung der Italiener
ſtellte! Die unheimlichſte Erſcheinung in dieſer Revolution blieb doch die
Macht der geheimen Vereine, die ſich hier ſo überraſchend ſtark zeigte; nichts
ſchien gewiſſer als daß dieſe furchtbare Verſchwörung ſich bis nach Frank-
reich, Deutſchland und England verzweige.**) Darum hielten die fünf
Mächte alleſammt ein ſtrenges Einſchreiten für nöthig; und Niemand be-
ſtritt, daß dem zunächſt bedrohten Oeſterreich dabei die Vorhand gebühre.

Die Geſandten der neuen neapolitaniſchen Regierung wurden von
keinem der fünf Höfe zugelaſſen. Der König von Preußen — und gleich
ihm Kaiſer Franz — ließ ein Schreiben König Ferdinand’s, das ihm
den erfolgten Umſchwung anzeigen ſollte, uneröffnet liegen, und Bern-
ſtorff erklärte, dereinſt werde Seine Sicilianiſche Majeſtät dem Könige
dafür Dank wiſſen. Um die Höfe in ihrem Abſcheu zu beſtärken, ſen-
dete ihnen Metternich den Bericht über ſeine vertrauliche Unterredung
mit dem revolutionären Geſandten, dem Fürſten Cimitille. Wie furchtbar
hatte er da den Unglücksmann angeherrſcht, wie kunſtvoll ſeine dritte
Lieblingsmetapher, die Peſt verwerthet: gegen ein ſo von der Peſt ver-

*) Schreiben des Prinzen Chriſtian v. Dänemark, Neapel, 11. Juli 1820. Adreſſat
war wahrſcheinlich der König von Dänemark.
**) So äußert ſich u. A. das für die Höfe von Paris und London beſtimmte Mé-
moire de la Cour de Prusse,
7. Okt. 1820.
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[156/0172] III. 3. Troppau und Laibach. nicht, daß alle Ausländer, aus dem nämlichen Grunde, ganz ebenſo lieb- los und ungerecht über die politiſche Fähigkeit der Deutſchen ſprachen. Der engliſche Geſandte A Court ſchilderte die Bewegung, die doch von den beſitzenden Klaſſen ausging, als eine Erhebung des Pöbels wider das Eigenthum. Niebuhr in Rom fühlte ſich von den demagogiſchen Künſten der Carbonari dermaßen angeekelt, daß er den Aufſtand mit einer Neger- Rebellion verglich und über die Hundiſchkeit dieſer Wälſchen nicht genug Arges zu ſagen wußte; auch ſein junger Sekretär Bunſen meinte, an eigentliche Freiheit ſei in dieſem verſunkenen Volke gar nicht zu denken. Großes Aergerniß erregte insbeſondere die Haltung des Kronprinzen Franz von Neapel, den der greiſe Ferdinand, um ſich ſelber für die Stunde der Vergeltung aufzuſparen, zum Statthalter ernannt hatte. Der Sohn war ſeines Vaters würdig; er trug die Carbonarifarben und ſpielte die Rolle des volksfreundlichen Fürſten nur um die Liberalen deſto ſicherer zu ver- derben. Im Auslande aber durchſchaute man das Doppelſpiel des bour- boniſchen Thronfolgers noch nicht; er galt für einen Freund des liberalen bairiſchen Kronprinzen, und ein an den Höfen umlaufendes Schreiben des geiſtreichen Prinzen Chriſtian von Dänemark, der den Aufruhr in Neapel mit angeſehen hatte und den Charakter König Ferdinands ganz richtig beurtheilte, verſicherte beſtimmt, der Sohn ſei ernſtlich conſtitutionell und handle nicht aus Schwachheit. *) Welche Ausſicht, wenn ein liberaler junger König ſich an die Spitze einer nationalen Bewegung der Italiener ſtellte! Die unheimlichſte Erſcheinung in dieſer Revolution blieb doch die Macht der geheimen Vereine, die ſich hier ſo überraſchend ſtark zeigte; nichts ſchien gewiſſer als daß dieſe furchtbare Verſchwörung ſich bis nach Frank- reich, Deutſchland und England verzweige. **) Darum hielten die fünf Mächte alleſammt ein ſtrenges Einſchreiten für nöthig; und Niemand be- ſtritt, daß dem zunächſt bedrohten Oeſterreich dabei die Vorhand gebühre. Die Geſandten der neuen neapolitaniſchen Regierung wurden von keinem der fünf Höfe zugelaſſen. Der König von Preußen — und gleich ihm Kaiſer Franz — ließ ein Schreiben König Ferdinand’s, das ihm den erfolgten Umſchwung anzeigen ſollte, uneröffnet liegen, und Bern- ſtorff erklärte, dereinſt werde Seine Sicilianiſche Majeſtät dem Könige dafür Dank wiſſen. Um die Höfe in ihrem Abſcheu zu beſtärken, ſen- dete ihnen Metternich den Bericht über ſeine vertrauliche Unterredung mit dem revolutionären Geſandten, dem Fürſten Cimitille. Wie furchtbar hatte er da den Unglücksmann angeherrſcht, wie kunſtvoll ſeine dritte Lieblingsmetapher, die Peſt verwerthet: gegen ein ſo von der Peſt ver- *) Schreiben des Prinzen Chriſtian v. Dänemark, Neapel, 11. Juli 1820. Adreſſat war wahrſcheinlich der König von Dänemark. **) So äußert ſich u. A. das für die Höfe von Paris und London beſtimmte Mé- moire de la Cour de Prusse, 7. Okt. 1820.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/172>, abgerufen am 25.11.2024.