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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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II. 6. Die Burschenschaft.
Vorschlägen Metternichs entgegen; er beschloß, da er grade die rheinischen
Provinzen besuchen wollte, den Weg über Weimar zu nehmen um dort,
unterstützt von dem österreichischen Gesandten Grafen Zichy, den Groß-
herzog zur Rede zu stellen und ihm zwei mahnende Briefe des Kaisers
und des Königs zu übergeben.

Inmitten der allgemeinen Aufregung blieb allein Karl August heiter
und gleichmüthig; er hatte selber einst lange im Uebermuth brausender
Jugend geschwelgt und nahm die Prahlerei der Burschen nicht ernster als
sie es verdiente. Die auf der Wartburg angekündigte Deutsche Burschen-
zeitung ward verboten, einige andere Zeitungen verwarnt, und gegen
Oken leitete man ein Strafverfahren ein, das mit Freisprechung endigte,
da die Anklage thörichterweise auf Hochverrath lautete; für Injurienklagen
hätte jener Artikel der Isis allerdings überreichen Stoff geboten. Auch
eine Untersuchung gegen Fries wurde als gegenstandslos wieder einge-
stellt, und man begnügte sich, ihm wegen seiner taktlosen Reden einen
Verweis zu ertheilen. Im Uebrigen blieben die Jenenser unbehelligt.
Der preußischen Regierung ließ Karl August durch seinen Geschäftsträger
sagen (26. November): "Die gegenwärtige Aufregung ist allgemein, sie ist
eine natürliche Folge der Ereignisse; Vertrauen und Muth können sie
ersticken, Argwohn und gewaltsame Maßregeln würden Deutschland ver-
wirren."*) Den Abgesandten der beiden Großmächte trat er mit seinem
gewohnten fröhlichen Freimuth entgegen und versprach, bei einem Bundes-
preßgesetze mitzuhelfen. Auf den Wunsch des Großherzogs ging dann
Zichy mit Edling selber nach Jena um dies Nest des Aufruhrs näher
zu betrachten, und da sich dort nichts Auffälliges zeigte, so standen die
beiden Großmächte vorläufig von weiteren Schritten ab. Aber der Arg-
wohn blieb lebendig; in den schärfsten Worten sprach König Friedrich
Wilhelm seine Rüge aus, da Maßmann im nächsten Sommer als Turn-
lehrer nach Breslau berufen wurde. Auch die französische Regierung,
längst schon beunruhigt durch die Umtriebe des Prinzen von Oranien
und der Flüchtlinge in Belgien, machte dem Weimarischen Hofe ernste
Vorstellungen. Czar Alexander, der Vorkämpfer des christlichen Libera-
lismus, weigerte sich zwar beim Deutschen Bunde Lärm zu schlagen, wie
Metternich von ihm verlangt hatte; doch konnte auch er eine stille Angst
nicht ganz bemeistern und mahnte den Großherzog in einem eigenhändigen
Briefe zur Strenge gegen die Presse.**) Immer stärker ward die Furcht
vor einer nahenden Revolution, und da die fremden Mächte wohl fühlten,
was sie alle an Deutschland gesündigt hatten, so betrachteten sie dies stille
Land, das doch erst an wenigen Orten die Spuren unruhiger Bewegung
zeigte, als den natürlichen Mittelpunkt der europäischen Umsturzpartei.

*) Weisung Edlings an den Geschäftsträger Müller, 26. Nov. 1817.
**) Altenstein an Hardenberg, 18. Aug., 15. Sept.; Bericht des bad. Gesandten
General v. Stockhorn, Berlin, 7. Febr. 1818.

II. 6. Die Burſchenſchaft.
Vorſchlägen Metternichs entgegen; er beſchloß, da er grade die rheiniſchen
Provinzen beſuchen wollte, den Weg über Weimar zu nehmen um dort,
unterſtützt von dem öſterreichiſchen Geſandten Grafen Zichy, den Groß-
herzog zur Rede zu ſtellen und ihm zwei mahnende Briefe des Kaiſers
und des Königs zu übergeben.

Inmitten der allgemeinen Aufregung blieb allein Karl Auguſt heiter
und gleichmüthig; er hatte ſelber einſt lange im Uebermuth brauſender
Jugend geſchwelgt und nahm die Prahlerei der Burſchen nicht ernſter als
ſie es verdiente. Die auf der Wartburg angekündigte Deutſche Burſchen-
zeitung ward verboten, einige andere Zeitungen verwarnt, und gegen
Oken leitete man ein Strafverfahren ein, das mit Freiſprechung endigte,
da die Anklage thörichterweiſe auf Hochverrath lautete; für Injurienklagen
hätte jener Artikel der Iſis allerdings überreichen Stoff geboten. Auch
eine Unterſuchung gegen Fries wurde als gegenſtandslos wieder einge-
ſtellt, und man begnügte ſich, ihm wegen ſeiner taktloſen Reden einen
Verweis zu ertheilen. Im Uebrigen blieben die Jenenſer unbehelligt.
Der preußiſchen Regierung ließ Karl Auguſt durch ſeinen Geſchäftsträger
ſagen (26. November): „Die gegenwärtige Aufregung iſt allgemein, ſie iſt
eine natürliche Folge der Ereigniſſe; Vertrauen und Muth können ſie
erſticken, Argwohn und gewaltſame Maßregeln würden Deutſchland ver-
wirren.“*) Den Abgeſandten der beiden Großmächte trat er mit ſeinem
gewohnten fröhlichen Freimuth entgegen und verſprach, bei einem Bundes-
preßgeſetze mitzuhelfen. Auf den Wunſch des Großherzogs ging dann
Zichy mit Edling ſelber nach Jena um dies Neſt des Aufruhrs näher
zu betrachten, und da ſich dort nichts Auffälliges zeigte, ſo ſtanden die
beiden Großmächte vorläufig von weiteren Schritten ab. Aber der Arg-
wohn blieb lebendig; in den ſchärfſten Worten ſprach König Friedrich
Wilhelm ſeine Rüge aus, da Maßmann im nächſten Sommer als Turn-
lehrer nach Breslau berufen wurde. Auch die franzöſiſche Regierung,
längſt ſchon beunruhigt durch die Umtriebe des Prinzen von Oranien
und der Flüchtlinge in Belgien, machte dem Weimariſchen Hofe ernſte
Vorſtellungen. Czar Alexander, der Vorkämpfer des chriſtlichen Libera-
lismus, weigerte ſich zwar beim Deutſchen Bunde Lärm zu ſchlagen, wie
Metternich von ihm verlangt hatte; doch konnte auch er eine ſtille Angſt
nicht ganz bemeiſtern und mahnte den Großherzog in einem eigenhändigen
Briefe zur Strenge gegen die Preſſe.**) Immer ſtärker ward die Furcht
vor einer nahenden Revolution, und da die fremden Mächte wohl fühlten,
was ſie alle an Deutſchland geſündigt hatten, ſo betrachteten ſie dies ſtille
Land, das doch erſt an wenigen Orten die Spuren unruhiger Bewegung
zeigte, als den natürlichen Mittelpunkt der europäiſchen Umſturzpartei.

*) Weiſung Edlings an den Geſchäftsträger Müller, 26. Nov. 1817.
**) Altenſtein an Hardenberg, 18. Aug., 15. Sept.; Bericht des bad. Geſandten
General v. Stockhorn, Berlin, 7. Febr. 1818.
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[432/0446] II. 6. Die Burſchenſchaft. Vorſchlägen Metternichs entgegen; er beſchloß, da er grade die rheiniſchen Provinzen beſuchen wollte, den Weg über Weimar zu nehmen um dort, unterſtützt von dem öſterreichiſchen Geſandten Grafen Zichy, den Groß- herzog zur Rede zu ſtellen und ihm zwei mahnende Briefe des Kaiſers und des Königs zu übergeben. Inmitten der allgemeinen Aufregung blieb allein Karl Auguſt heiter und gleichmüthig; er hatte ſelber einſt lange im Uebermuth brauſender Jugend geſchwelgt und nahm die Prahlerei der Burſchen nicht ernſter als ſie es verdiente. Die auf der Wartburg angekündigte Deutſche Burſchen- zeitung ward verboten, einige andere Zeitungen verwarnt, und gegen Oken leitete man ein Strafverfahren ein, das mit Freiſprechung endigte, da die Anklage thörichterweiſe auf Hochverrath lautete; für Injurienklagen hätte jener Artikel der Iſis allerdings überreichen Stoff geboten. Auch eine Unterſuchung gegen Fries wurde als gegenſtandslos wieder einge- ſtellt, und man begnügte ſich, ihm wegen ſeiner taktloſen Reden einen Verweis zu ertheilen. Im Uebrigen blieben die Jenenſer unbehelligt. Der preußiſchen Regierung ließ Karl Auguſt durch ſeinen Geſchäftsträger ſagen (26. November): „Die gegenwärtige Aufregung iſt allgemein, ſie iſt eine natürliche Folge der Ereigniſſe; Vertrauen und Muth können ſie erſticken, Argwohn und gewaltſame Maßregeln würden Deutſchland ver- wirren.“ *) Den Abgeſandten der beiden Großmächte trat er mit ſeinem gewohnten fröhlichen Freimuth entgegen und verſprach, bei einem Bundes- preßgeſetze mitzuhelfen. Auf den Wunſch des Großherzogs ging dann Zichy mit Edling ſelber nach Jena um dies Neſt des Aufruhrs näher zu betrachten, und da ſich dort nichts Auffälliges zeigte, ſo ſtanden die beiden Großmächte vorläufig von weiteren Schritten ab. Aber der Arg- wohn blieb lebendig; in den ſchärfſten Worten ſprach König Friedrich Wilhelm ſeine Rüge aus, da Maßmann im nächſten Sommer als Turn- lehrer nach Breslau berufen wurde. Auch die franzöſiſche Regierung, längſt ſchon beunruhigt durch die Umtriebe des Prinzen von Oranien und der Flüchtlinge in Belgien, machte dem Weimariſchen Hofe ernſte Vorſtellungen. Czar Alexander, der Vorkämpfer des chriſtlichen Libera- lismus, weigerte ſich zwar beim Deutſchen Bunde Lärm zu ſchlagen, wie Metternich von ihm verlangt hatte; doch konnte auch er eine ſtille Angſt nicht ganz bemeiſtern und mahnte den Großherzog in einem eigenhändigen Briefe zur Strenge gegen die Preſſe. **) Immer ſtärker ward die Furcht vor einer nahenden Revolution, und da die fremden Mächte wohl fühlten, was ſie alle an Deutſchland geſündigt hatten, ſo betrachteten ſie dies ſtille Land, das doch erſt an wenigen Orten die Spuren unruhiger Bewegung zeigte, als den natürlichen Mittelpunkt der europäiſchen Umſturzpartei. *) Weiſung Edlings an den Geſchäftsträger Müller, 26. Nov. 1817. **) Altenſtein an Hardenberg, 18. Aug., 15. Sept.; Bericht des bad. Geſandten General v. Stockhorn, Berlin, 7. Febr. 1818.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/446>, abgerufen am 25.11.2024.