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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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Eugen Beauharnais. Kronprinz Ludwig.

In der Hofgesellschaft, die noch mit Vorliebe französisch sprach,
gewann der Bonapartismus neuen Anhang, seit der Schwiegersohn
Max Josephs, Eugen Beauharnais als königlicher Prinz und Herzog
von Leuchtenberg in München Hof hielt und eine Schaar unzufriedener
Franzosen um sich versammelte. Der Liebenswürdigste der Napoleoniden
gewann sich bald die Herzen der Bürgerschaft und arbeitete in emsiger
geheimer Thätigkeit für die Herstellung des Kaiserreichs. Sein Adjutant
General Bataille unterhielt den Verkehr mit den Bonapartisten in Mai-
land.*) Der Polizeidirector aber drückte beide Augen zu, auch viele Post-
beamte zählten zu den Vertrauten des Leuchtenbergischen Palastes. Nachher
fand auch Eugens Schwester Hortense, die vormalige Königin von Holland,
mit ihren beiden Söhnen in Augsburg eine Zuflucht, spielte mit bezau-
bernder Anmuth die Rolle der bürgerfreundlichen Fürstin und wob noch
eifriger als der Bruder an den Fäden der napoleonischen Verschwörung.
Unbekümmert um die dringenden Warnungen der beiden deutschen Groß-
mächte ließ der König seinen Liebling Eugen gewähren. Baiern blieb noch
jahrelang das Nest des deutschen Bonapartismus.

Niemand litt unter diesen unwahren Verhältnissen schwerer als die
hochherzige Königin Karoline und ihr Stiefsohn der Thronfolger. Beide
hatten im Jahre 1813 bei der glücklichen Wendung der Münchener Po-
litik redlich mitgeholfen und sahen nun mit Besorgniß, daß ein ehrliches
Verhältniß zu dem neuen Deutschen Bunde unmöglich blieb, so lange
dieser Unberechenbare am Steuer stand. In dem erregbaren Gemüthe
des Kronprinzen lag eine grundehrliche Schwärmerei für Deutschlands
Größe unvermittelt neben einem ebenso phantastischen großbairischen Macht-
dünkel. Zu Straßburg geboren hatte der Prinz nachher im Exil viel
mit elsassischen Emigranten verkehrt, die Franzosen und ihre Revolution
schon in jungen Jahren hassen gelernt. Sein ganzes Leben seitdem
war ein beständiger Kampf gegen die französische Politik des Vaters.
Nach der Austerlitzer Schlacht mußte er in seiner Geburtsstadt die Sieges-
feste der Kaiserin Josephine mit ansehen und sagte mit seiner gewohnten
ehrlichen Rücksichtslosigkeit: "das sollte mir die liebste Siegesfeier sein,
wenn meine Heimath wieder eine deutsche Stadt würde." Als er ein Jahr
darauf an der Weichsel gegen die Preußen und Russen focht, faßte er
schon den Plan, den großen Männern seines Vaterlandes eine prächtige
Walhalla zu errichten und forderte die Teutschen in stolpernden Versen
auf, die Ketten des Corsen zu sprengen. Niemals, selbst nicht im An-
gesicht des Imperators, hatte er seinen deutschen Stolz verleugnet. In
Montgelas sah er nur den Frohnvogt des fremden Zwingherrn; er hatte
seines Widerwillens kein Hehl, behandelte seinen Schwager Eugen Beau-
harnais öffentlich mit der äußersten Geringschätzung und ersehnte den

*) Küsters Berichte, München 17. Mai, 20. August 1815 ff.
22*
Eugen Beauharnais. Kronprinz Ludwig.

In der Hofgeſellſchaft, die noch mit Vorliebe franzöſiſch ſprach,
gewann der Bonapartismus neuen Anhang, ſeit der Schwiegerſohn
Max Joſephs, Eugen Beauharnais als königlicher Prinz und Herzog
von Leuchtenberg in München Hof hielt und eine Schaar unzufriedener
Franzoſen um ſich verſammelte. Der Liebenswürdigſte der Napoleoniden
gewann ſich bald die Herzen der Bürgerſchaft und arbeitete in emſiger
geheimer Thätigkeit für die Herſtellung des Kaiſerreichs. Sein Adjutant
General Bataille unterhielt den Verkehr mit den Bonapartiſten in Mai-
land.*) Der Polizeidirector aber drückte beide Augen zu, auch viele Poſt-
beamte zählten zu den Vertrauten des Leuchtenbergiſchen Palaſtes. Nachher
fand auch Eugens Schweſter Hortenſe, die vormalige Königin von Holland,
mit ihren beiden Söhnen in Augsburg eine Zuflucht, ſpielte mit bezau-
bernder Anmuth die Rolle der bürgerfreundlichen Fürſtin und wob noch
eifriger als der Bruder an den Fäden der napoleoniſchen Verſchwörung.
Unbekümmert um die dringenden Warnungen der beiden deutſchen Groß-
mächte ließ der König ſeinen Liebling Eugen gewähren. Baiern blieb noch
jahrelang das Neſt des deutſchen Bonapartismus.

Niemand litt unter dieſen unwahren Verhältniſſen ſchwerer als die
hochherzige Königin Karoline und ihr Stiefſohn der Thronfolger. Beide
hatten im Jahre 1813 bei der glücklichen Wendung der Münchener Po-
litik redlich mitgeholfen und ſahen nun mit Beſorgniß, daß ein ehrliches
Verhältniß zu dem neuen Deutſchen Bunde unmöglich blieb, ſo lange
dieſer Unberechenbare am Steuer ſtand. In dem erregbaren Gemüthe
des Kronprinzen lag eine grundehrliche Schwärmerei für Deutſchlands
Größe unvermittelt neben einem ebenſo phantaſtiſchen großbairiſchen Macht-
dünkel. Zu Straßburg geboren hatte der Prinz nachher im Exil viel
mit elſaſſiſchen Emigranten verkehrt, die Franzoſen und ihre Revolution
ſchon in jungen Jahren haſſen gelernt. Sein ganzes Leben ſeitdem
war ein beſtändiger Kampf gegen die franzöſiſche Politik des Vaters.
Nach der Auſterlitzer Schlacht mußte er in ſeiner Geburtsſtadt die Sieges-
feſte der Kaiſerin Joſephine mit anſehen und ſagte mit ſeiner gewohnten
ehrlichen Rückſichtsloſigkeit: „das ſollte mir die liebſte Siegesfeier ſein,
wenn meine Heimath wieder eine deutſche Stadt würde.“ Als er ein Jahr
darauf an der Weichſel gegen die Preußen und Ruſſen focht, faßte er
ſchon den Plan, den großen Männern ſeines Vaterlandes eine prächtige
Walhalla zu errichten und forderte die Teutſchen in ſtolpernden Verſen
auf, die Ketten des Corſen zu ſprengen. Niemals, ſelbſt nicht im An-
geſicht des Imperators, hatte er ſeinen deutſchen Stolz verleugnet. In
Montgelas ſah er nur den Frohnvogt des fremden Zwingherrn; er hatte
ſeines Widerwillens kein Hehl, behandelte ſeinen Schwager Eugen Beau-
harnais öffentlich mit der äußerſten Geringſchätzung und erſehnte den

*) Küſters Berichte, München 17. Mai, 20. Auguſt 1815 ff.
22*
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[339/0353] Eugen Beauharnais. Kronprinz Ludwig. In der Hofgeſellſchaft, die noch mit Vorliebe franzöſiſch ſprach, gewann der Bonapartismus neuen Anhang, ſeit der Schwiegerſohn Max Joſephs, Eugen Beauharnais als königlicher Prinz und Herzog von Leuchtenberg in München Hof hielt und eine Schaar unzufriedener Franzoſen um ſich verſammelte. Der Liebenswürdigſte der Napoleoniden gewann ſich bald die Herzen der Bürgerſchaft und arbeitete in emſiger geheimer Thätigkeit für die Herſtellung des Kaiſerreichs. Sein Adjutant General Bataille unterhielt den Verkehr mit den Bonapartiſten in Mai- land. *) Der Polizeidirector aber drückte beide Augen zu, auch viele Poſt- beamte zählten zu den Vertrauten des Leuchtenbergiſchen Palaſtes. Nachher fand auch Eugens Schweſter Hortenſe, die vormalige Königin von Holland, mit ihren beiden Söhnen in Augsburg eine Zuflucht, ſpielte mit bezau- bernder Anmuth die Rolle der bürgerfreundlichen Fürſtin und wob noch eifriger als der Bruder an den Fäden der napoleoniſchen Verſchwörung. Unbekümmert um die dringenden Warnungen der beiden deutſchen Groß- mächte ließ der König ſeinen Liebling Eugen gewähren. Baiern blieb noch jahrelang das Neſt des deutſchen Bonapartismus. Niemand litt unter dieſen unwahren Verhältniſſen ſchwerer als die hochherzige Königin Karoline und ihr Stiefſohn der Thronfolger. Beide hatten im Jahre 1813 bei der glücklichen Wendung der Münchener Po- litik redlich mitgeholfen und ſahen nun mit Beſorgniß, daß ein ehrliches Verhältniß zu dem neuen Deutſchen Bunde unmöglich blieb, ſo lange dieſer Unberechenbare am Steuer ſtand. In dem erregbaren Gemüthe des Kronprinzen lag eine grundehrliche Schwärmerei für Deutſchlands Größe unvermittelt neben einem ebenſo phantaſtiſchen großbairiſchen Macht- dünkel. Zu Straßburg geboren hatte der Prinz nachher im Exil viel mit elſaſſiſchen Emigranten verkehrt, die Franzoſen und ihre Revolution ſchon in jungen Jahren haſſen gelernt. Sein ganzes Leben ſeitdem war ein beſtändiger Kampf gegen die franzöſiſche Politik des Vaters. Nach der Auſterlitzer Schlacht mußte er in ſeiner Geburtsſtadt die Sieges- feſte der Kaiſerin Joſephine mit anſehen und ſagte mit ſeiner gewohnten ehrlichen Rückſichtsloſigkeit: „das ſollte mir die liebſte Siegesfeier ſein, wenn meine Heimath wieder eine deutſche Stadt würde.“ Als er ein Jahr darauf an der Weichſel gegen die Preußen und Ruſſen focht, faßte er ſchon den Plan, den großen Männern ſeines Vaterlandes eine prächtige Walhalla zu errichten und forderte die Teutſchen in ſtolpernden Verſen auf, die Ketten des Corſen zu ſprengen. Niemals, ſelbſt nicht im An- geſicht des Imperators, hatte er ſeinen deutſchen Stolz verleugnet. In Montgelas ſah er nur den Frohnvogt des fremden Zwingherrn; er hatte ſeines Widerwillens kein Hehl, behandelte ſeinen Schwager Eugen Beau- harnais öffentlich mit der äußerſten Geringſchätzung und erſehnte den *) Küſters Berichte, München 17. Mai, 20. Auguſt 1815 ff. 22*

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/353>, abgerufen am 25.11.2024.