Festtag" wieder feiern zu dürfen, wie tief man beklage, daß nur ein Theil des Landsturms, nicht die Landwehr ins Feuer gekommen; zugleich baten die Stände um gänzliche Aufhebung der französischen Einrichtungen und Herstellung der alten Verfassung*). Hardenberg erwiderte behut- sam: der König werde gern das Glück einer ihrem rechtmäßigen Landes- herrn und ihrer Verfassung so ergebenen Provinz dauerhaft begründen. Ein festes Versprechen gab er nicht, denn was sollte aus den Reform- plänen der jüngsten Jahre werden, wenn man alle diese von der Fremd- herrschaft längst aufgehobenen kleinen Landtage wieder anerkannte? So begann bereits im Augenblicke der Befreiung jene altständische Bewegung, welche nachher, verbündet mit den verwandten Bestrebungen des branden- burgischen Adels, der Staatseinheit der wiederhergestellten Monarchie be- drohlich werden sollte.
Unter den nichtpreußischen Gebieten zeigte das Herzogthum Berg den freudigsten patriotischen Eifer. Das Land stand von Altersher in freund- lichem Verkehre mit den preußischen Nachbarn in der Grafschaft Mark, seine Protestanten hatten schon in der fridericianischen Zeit immer zur preußischen Partei gehalten; jetzt war Alles erbittert gegen die napoleoni- schen Präfecten, die schon zu Anfang des Jahres einen Aufstandsversuch mit blutiger Strenge niedergeworfen hatten. Das ganze Land fiel der deutschen Sache zu, als der Generalgouverneur Justus Gruner einzog und nach seiner leidenschaftlichen Weise mit schwungvollen, enthusiastischen Worten das Volk zur Rüstung aufforderte. Fast so schnell wie in den altpreußischen Gebieten versammelte sich die junge Mannschaft. Der Land- sturm versuchte sogar am 3. Januar bei Müllheim und am Fuße des Siebengebirges den Uebergang über den Rhein zu erzwingen, und lange noch blieben die Namen der beiden Führer des verunglückten Unternehmens, Boltenstern und Genger, dem bergischen Volke im Gedächtniß. Es war das erste Wiedererwachen eines ernsten politischen Wollens in diesen er- matteten rheinischen Landen. Das erbitterte Volk wollte alle Institutionen der Fremdherrschaft sogleich beseitigt sehen. Fort mit dem wälschen Rechte! hieß es überall; am Jahrestage der Leipziger Schlacht wurde in Düssel- dorf die Guillotine als das Symbol der fremden Tyrannei feierlich ver- brannt. Gruner aber begnügte sich das Heerwesen neuzugestalten und -- bezeichnend genug für den idealistischen Zug der Zeit -- das französische Wesen aus den Schulen auszutreiben: das altehrwürdige Düsseldorfer Gymnasium illustre wurde sofort wieder auf deutschen Fuß eingerichtet. Auch die härtesten der napoleonischen Steuern, die berüchtigten droits reunis und die den rauchlustigen Deutschen besonders verhaßte Tabaks- regie fielen dahin. Sonst blieb die Organisation der Verwaltung und der Gerichte vorläufig unverändert, nur daß den Kreisdirectoren, wie jetzt
*) Eingabe Knyphausens an den König, 25. Juli 1814.
I. 5. Ende der Kriegszeit.
Feſttag“ wieder feiern zu dürfen, wie tief man beklage, daß nur ein Theil des Landſturms, nicht die Landwehr ins Feuer gekommen; zugleich baten die Stände um gänzliche Aufhebung der franzöſiſchen Einrichtungen und Herſtellung der alten Verfaſſung*). Hardenberg erwiderte behut- ſam: der König werde gern das Glück einer ihrem rechtmäßigen Landes- herrn und ihrer Verfaſſung ſo ergebenen Provinz dauerhaft begründen. Ein feſtes Verſprechen gab er nicht, denn was ſollte aus den Reform- plänen der jüngſten Jahre werden, wenn man alle dieſe von der Fremd- herrſchaft längſt aufgehobenen kleinen Landtage wieder anerkannte? So begann bereits im Augenblicke der Befreiung jene altſtändiſche Bewegung, welche nachher, verbündet mit den verwandten Beſtrebungen des branden- burgiſchen Adels, der Staatseinheit der wiederhergeſtellten Monarchie be- drohlich werden ſollte.
Unter den nichtpreußiſchen Gebieten zeigte das Herzogthum Berg den freudigſten patriotiſchen Eifer. Das Land ſtand von Altersher in freund- lichem Verkehre mit den preußiſchen Nachbarn in der Grafſchaft Mark, ſeine Proteſtanten hatten ſchon in der fridericianiſchen Zeit immer zur preußiſchen Partei gehalten; jetzt war Alles erbittert gegen die napoleoni- ſchen Präfecten, die ſchon zu Anfang des Jahres einen Aufſtandsverſuch mit blutiger Strenge niedergeworfen hatten. Das ganze Land fiel der deutſchen Sache zu, als der Generalgouverneur Juſtus Gruner einzog und nach ſeiner leidenſchaftlichen Weiſe mit ſchwungvollen, enthuſiaſtiſchen Worten das Volk zur Rüſtung aufforderte. Faſt ſo ſchnell wie in den altpreußiſchen Gebieten verſammelte ſich die junge Mannſchaft. Der Land- ſturm verſuchte ſogar am 3. Januar bei Müllheim und am Fuße des Siebengebirges den Uebergang über den Rhein zu erzwingen, und lange noch blieben die Namen der beiden Führer des verunglückten Unternehmens, Boltenſtern und Genger, dem bergiſchen Volke im Gedächtniß. Es war das erſte Wiedererwachen eines ernſten politiſchen Wollens in dieſen er- matteten rheiniſchen Landen. Das erbitterte Volk wollte alle Inſtitutionen der Fremdherrſchaft ſogleich beſeitigt ſehen. Fort mit dem wälſchen Rechte! hieß es überall; am Jahrestage der Leipziger Schlacht wurde in Düſſel- dorf die Guillotine als das Symbol der fremden Tyrannei feierlich ver- brannt. Gruner aber begnügte ſich das Heerweſen neuzugeſtalten und — bezeichnend genug für den idealiſtiſchen Zug der Zeit — das franzöſiſche Weſen aus den Schulen auszutreiben: das altehrwürdige Düſſeldorfer Gymnasium illustre wurde ſofort wieder auf deutſchen Fuß eingerichtet. Auch die härteſten der napoleoniſchen Steuern, die berüchtigten droits réunis und die den rauchluſtigen Deutſchen beſonders verhaßte Tabaks- regie fielen dahin. Sonſt blieb die Organiſation der Verwaltung und der Gerichte vorläufig unverändert, nur daß den Kreisdirectoren, wie jetzt
*) Eingabe Knyphauſens an den König, 25. Juli 1814.
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I. 5. Ende der Kriegszeit.
Feſttag“ wieder feiern zu dürfen, wie tief man beklage, daß nur ein
Theil des Landſturms, nicht die Landwehr ins Feuer gekommen; zugleich
baten die Stände um gänzliche Aufhebung der franzöſiſchen Einrichtungen
und Herſtellung der alten Verfaſſung *). Hardenberg erwiderte behut-
ſam: der König werde gern das Glück einer ihrem rechtmäßigen Landes-
herrn und ihrer Verfaſſung ſo ergebenen Provinz dauerhaft begründen.
Ein feſtes Verſprechen gab er nicht, denn was ſollte aus den Reform-
plänen der jüngſten Jahre werden, wenn man alle dieſe von der Fremd-
herrſchaft längſt aufgehobenen kleinen Landtage wieder anerkannte? So
begann bereits im Augenblicke der Befreiung jene altſtändiſche Bewegung,
welche nachher, verbündet mit den verwandten Beſtrebungen des branden-
burgiſchen Adels, der Staatseinheit der wiederhergeſtellten Monarchie be-
drohlich werden ſollte.
Unter den nichtpreußiſchen Gebieten zeigte das Herzogthum Berg den
freudigſten patriotiſchen Eifer. Das Land ſtand von Altersher in freund-
lichem Verkehre mit den preußiſchen Nachbarn in der Grafſchaft Mark,
ſeine Proteſtanten hatten ſchon in der fridericianiſchen Zeit immer zur
preußiſchen Partei gehalten; jetzt war Alles erbittert gegen die napoleoni-
ſchen Präfecten, die ſchon zu Anfang des Jahres einen Aufſtandsverſuch
mit blutiger Strenge niedergeworfen hatten. Das ganze Land fiel der
deutſchen Sache zu, als der Generalgouverneur Juſtus Gruner einzog
und nach ſeiner leidenſchaftlichen Weiſe mit ſchwungvollen, enthuſiaſtiſchen
Worten das Volk zur Rüſtung aufforderte. Faſt ſo ſchnell wie in den
altpreußiſchen Gebieten verſammelte ſich die junge Mannſchaft. Der Land-
ſturm verſuchte ſogar am 3. Januar bei Müllheim und am Fuße des
Siebengebirges den Uebergang über den Rhein zu erzwingen, und lange
noch blieben die Namen der beiden Führer des verunglückten Unternehmens,
Boltenſtern und Genger, dem bergiſchen Volke im Gedächtniß. Es war
das erſte Wiedererwachen eines ernſten politiſchen Wollens in dieſen er-
matteten rheiniſchen Landen. Das erbitterte Volk wollte alle Inſtitutionen
der Fremdherrſchaft ſogleich beſeitigt ſehen. Fort mit dem wälſchen Rechte!
hieß es überall; am Jahrestage der Leipziger Schlacht wurde in Düſſel-
dorf die Guillotine als das Symbol der fremden Tyrannei feierlich ver-
brannt. Gruner aber begnügte ſich das Heerweſen neuzugeſtalten und —
bezeichnend genug für den idealiſtiſchen Zug der Zeit — das franzöſiſche
Weſen aus den Schulen auszutreiben: das altehrwürdige Düſſeldorfer
Gymnasium illustre wurde ſofort wieder auf deutſchen Fuß eingerichtet.
Auch die härteſten der napoleoniſchen Steuern, die berüchtigten droits
réunis und die den rauchluſtigen Deutſchen beſonders verhaßte Tabaks-
regie fielen dahin. Sonſt blieb die Organiſation der Verwaltung und
der Gerichte vorläufig unverändert, nur daß den Kreisdirectoren, wie jetzt
*) Eingabe Knyphauſens an den König, 25. Juli 1814.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/526>, abgerufen am 22.11.2024.
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