stieß Bertrand mit der Vorhut auf Tauentziens Preußen, und derweil hier ein hitziger Kampf begann, brach Bülow der französischen Marschkolonne bei Dennewitz in die linke Flanke. So entspann sich eine unerwartete, weit aus- gedehnte Begegnungsschlacht. Bülow wagte mit 40,000 Preußen den Kampf gegen den um die Hälfte überlegenen Feind, weil er auf das Eingreifen des Kronprinzen rechnete, der mit der Hauptmasse der Nordarmee im An- marsch war. Die Franzosen standen in einem großen Bogen, mit der Rechten nordwärts gegen Tauentzien gerichtet, mit der Linken westwärts gegen Bülow. Der Marschall hielt auf dem rechten Flügel, hatte nur Augen für die Vorgänge in seiner Nähe. Sobald er hier die Seinen weichen sah, befahl er dem Corps Oudinots vom linken Flügel zur Un- terstützung herbeizueilen. So wurde die Linke entblößt, und es gelang Bülow, die Sachsen aus Göhlsdorf herauszuschlagen und bis Dennewitz vorzudringen. Ueberall waren die Preußen im Vorgehen, da verkündeten gewaltige Staubwolken das Nahen des Kronprinzen mit seinen siebzig Bataillonen. Bei dem Anblick dieser gewaltigen Massen ergriff die Ge- schlagenen ein jäher Schrecken, Neys Armee stob in wilder Flucht aus einander.
Der Lieblingsplan Napoleons war abermals zu nichte geworden. Den Preußen allein gebührte die Ehre des Tages. Wieder hatte die Landwehr mit den alten Kerntruppen gewetteifert, und wieder hatten Deutsche mit Deutschen in wüthendem Kampfe gerungen. In der würt- tembergischen Armee, deren beste Truppen auf Neys rechtem Flügel ge- standen, erzählten sich die Soldaten noch im Jahre 1866 mit zähem Groll, wie erbarmungslos die preußische Landwehr, vor Allen die hand- festen pommerschen Reiter bei Jüterbog unter den Schwaben aufgeräumt hatten. Die tapferen Sachsen fochten ihres alten Waffenruhmes würdig und wurden zum Dank in den napoleonischen Bulletins der Feigheit be- zichtigt. Die unglückliche kleine Armee begann die Schmach rheinbündi- scher Dienstbarkeit zu fühlen; nach der Dennewitzer Schlacht ging ein Bataillon des Leibregiments zu den Preußen über. König Friedrich August aber legte sogleich die Uniform der entehrten Truppe ab, blieb dem Großen Alliirten, der ihm sein Heer beschimpfte, unwandelbar ergeben. --
Nach den Anstrengungen dieser wilden Tage bedurfte die böhmische Armee einiger Erholung. Während die Waffen ruhten arbeitete die Diplomatie um so eifriger. Kaiser Franz war seit dem Siege von Kulm nicht mehr geneigt auf die zärtlichen Betheuerungen zu hören, die ihm der Schwiegersohn noch immer zusendete. Am 9. September wurden zu Teplitz drei fast gleichlautende Bundesverträge, die an die Stelle der vor- läufigen Reichenbacher Abrede traten, von den Alliirten unterzeichnet. Sie setzten fest was Preußen von vornherein verlangt hatte: Auflösung des Rheinbundes, gänzliche Beseitigung der Herrschaft Frankreichs und der Napoleoniden auf dem rechten Rheinufer, Herstellung des Besitz-
Schlacht bei Dennewitz.
ſtieß Bertrand mit der Vorhut auf Tauentziens Preußen, und derweil hier ein hitziger Kampf begann, brach Bülow der franzöſiſchen Marſchkolonne bei Dennewitz in die linke Flanke. So entſpann ſich eine unerwartete, weit aus- gedehnte Begegnungsſchlacht. Bülow wagte mit 40,000 Preußen den Kampf gegen den um die Hälfte überlegenen Feind, weil er auf das Eingreifen des Kronprinzen rechnete, der mit der Hauptmaſſe der Nordarmee im An- marſch war. Die Franzoſen ſtanden in einem großen Bogen, mit der Rechten nordwärts gegen Tauentzien gerichtet, mit der Linken weſtwärts gegen Bülow. Der Marſchall hielt auf dem rechten Flügel, hatte nur Augen für die Vorgänge in ſeiner Nähe. Sobald er hier die Seinen weichen ſah, befahl er dem Corps Oudinots vom linken Flügel zur Un- terſtützung herbeizueilen. So wurde die Linke entblößt, und es gelang Bülow, die Sachſen aus Göhlsdorf herauszuſchlagen und bis Dennewitz vorzudringen. Ueberall waren die Preußen im Vorgehen, da verkündeten gewaltige Staubwolken das Nahen des Kronprinzen mit ſeinen ſiebzig Bataillonen. Bei dem Anblick dieſer gewaltigen Maſſen ergriff die Ge- ſchlagenen ein jäher Schrecken, Neys Armee ſtob in wilder Flucht aus einander.
Der Lieblingsplan Napoleons war abermals zu nichte geworden. Den Preußen allein gebührte die Ehre des Tages. Wieder hatte die Landwehr mit den alten Kerntruppen gewetteifert, und wieder hatten Deutſche mit Deutſchen in wüthendem Kampfe gerungen. In der würt- tembergiſchen Armee, deren beſte Truppen auf Neys rechtem Flügel ge- ſtanden, erzählten ſich die Soldaten noch im Jahre 1866 mit zähem Groll, wie erbarmungslos die preußiſche Landwehr, vor Allen die hand- feſten pommerſchen Reiter bei Jüterbog unter den Schwaben aufgeräumt hatten. Die tapferen Sachſen fochten ihres alten Waffenruhmes würdig und wurden zum Dank in den napoleoniſchen Bulletins der Feigheit be- zichtigt. Die unglückliche kleine Armee begann die Schmach rheinbündi- ſcher Dienſtbarkeit zu fühlen; nach der Dennewitzer Schlacht ging ein Bataillon des Leibregiments zu den Preußen über. König Friedrich Auguſt aber legte ſogleich die Uniform der entehrten Truppe ab, blieb dem Großen Alliirten, der ihm ſein Heer beſchimpfte, unwandelbar ergeben. —
Nach den Anſtrengungen dieſer wilden Tage bedurfte die böhmiſche Armee einiger Erholung. Während die Waffen ruhten arbeitete die Diplomatie um ſo eifriger. Kaiſer Franz war ſeit dem Siege von Kulm nicht mehr geneigt auf die zärtlichen Betheuerungen zu hören, die ihm der Schwiegerſohn noch immer zuſendete. Am 9. September wurden zu Teplitz drei faſt gleichlautende Bundesverträge, die an die Stelle der vor- läufigen Reichenbacher Abrede traten, von den Alliirten unterzeichnet. Sie ſetzten feſt was Preußen von vornherein verlangt hatte: Auflöſung des Rheinbundes, gänzliche Beſeitigung der Herrſchaft Frankreichs und der Napoleoniden auf dem rechten Rheinufer, Herſtellung des Beſitz-
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[485/0501]
Schlacht bei Dennewitz.
ſtieß Bertrand mit der Vorhut auf Tauentziens Preußen, und derweil hier
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Dennewitz in die linke Flanke. So entſpann ſich eine unerwartete, weit aus-
gedehnte Begegnungsſchlacht. Bülow wagte mit 40,000 Preußen den Kampf
gegen den um die Hälfte überlegenen Feind, weil er auf das Eingreifen
des Kronprinzen rechnete, der mit der Hauptmaſſe der Nordarmee im An-
marſch war. Die Franzoſen ſtanden in einem großen Bogen, mit der
Rechten nordwärts gegen Tauentzien gerichtet, mit der Linken weſtwärts
gegen Bülow. Der Marſchall hielt auf dem rechten Flügel, hatte nur
Augen für die Vorgänge in ſeiner Nähe. Sobald er hier die Seinen
weichen ſah, befahl er dem Corps Oudinots vom linken Flügel zur Un-
terſtützung herbeizueilen. So wurde die Linke entblößt, und es gelang
Bülow, die Sachſen aus Göhlsdorf herauszuſchlagen und bis Dennewitz
vorzudringen. Ueberall waren die Preußen im Vorgehen, da verkündeten
gewaltige Staubwolken das Nahen des Kronprinzen mit ſeinen ſiebzig
Bataillonen. Bei dem Anblick dieſer gewaltigen Maſſen ergriff die Ge-
ſchlagenen ein jäher Schrecken, Neys Armee ſtob in wilder Flucht aus
einander.
Der Lieblingsplan Napoleons war abermals zu nichte geworden.
Den Preußen allein gebührte die Ehre des Tages. Wieder hatte die
Landwehr mit den alten Kerntruppen gewetteifert, und wieder hatten
Deutſche mit Deutſchen in wüthendem Kampfe gerungen. In der würt-
tembergiſchen Armee, deren beſte Truppen auf Neys rechtem Flügel ge-
ſtanden, erzählten ſich die Soldaten noch im Jahre 1866 mit zähem
Groll, wie erbarmungslos die preußiſche Landwehr, vor Allen die hand-
feſten pommerſchen Reiter bei Jüterbog unter den Schwaben aufgeräumt
hatten. Die tapferen Sachſen fochten ihres alten Waffenruhmes würdig
und wurden zum Dank in den napoleoniſchen Bulletins der Feigheit be-
zichtigt. Die unglückliche kleine Armee begann die Schmach rheinbündi-
ſcher Dienſtbarkeit zu fühlen; nach der Dennewitzer Schlacht ging ein
Bataillon des Leibregiments zu den Preußen über. König Friedrich Auguſt
aber legte ſogleich die Uniform der entehrten Truppe ab, blieb dem Großen
Alliirten, der ihm ſein Heer beſchimpfte, unwandelbar ergeben. —
Nach den Anſtrengungen dieſer wilden Tage bedurfte die böhmiſche
Armee einiger Erholung. Während die Waffen ruhten arbeitete die
Diplomatie um ſo eifriger. Kaiſer Franz war ſeit dem Siege von Kulm
nicht mehr geneigt auf die zärtlichen Betheuerungen zu hören, die ihm
der Schwiegerſohn noch immer zuſendete. Am 9. September wurden zu
Teplitz drei faſt gleichlautende Bundesverträge, die an die Stelle der vor-
läufigen Reichenbacher Abrede traten, von den Alliirten unterzeichnet.
Sie ſetzten feſt was Preußen von vornherein verlangt hatte: Auflöſung
des Rheinbundes, gänzliche Beſeitigung der Herrſchaft Frankreichs und
der Napoleoniden auf dem rechten Rheinufer, Herſtellung des Beſitz-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/501>, abgerufen am 22.11.2024.
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