nossenes Gute. Und so kann auch die Abgabe als ein ehrender, erhöhender Lohn, der Lohn als eine gnädige, er- niedrigende Abgabe begriffen werden. In dem einen Sinne ist, beschenkt zu werden, auch ausserhalb des Werthes und Nutzens, angenehm, in dem anderen lästig. Daher denn ist die Abschaffung der Abgaben, ihre Ablösung, Verwand- lung in Steuern u. dgl. als ein Moment der Verwesung ge- meinschaftlicher Verhältnisse, zugleich zerstörend für den hierdurch bedingten Rang der Oberen; wenn sie auch ihre gesellschaftliche Bedeutung, nämlich die vollkommene vermögensrechtliche Unabhängigkeit durch ein festes, aus Handels- oder Wuchergeschäften hervorgehendes Geldein- kommen, allererst möglich macht. Denn zu einem derartigen Geschäft, auch wenn nicht durchaus als Geschäft betrieben, wird der schlechthin freie Grundbesitz schon durch die Form des Pachtcontracts und hieraus fliessenden Bezug der Grundrente. Wie also jene Veränderung eine doppelte Seite für die Destinatäre hat: eine schlechte für ihre Ehre und eine gute für ihr Vermögen, so auch die Abschaffung des Lohnes, aber in umgewandter Weise für die ihrigen. Die Oberen haben, auch nachdem alle wirklichen Bande zwischen ihnen und der Menge zerrissen sind, ein starkes Interesse daran, den vollen Consequenzen der Gleichheit aller Willkürfähigen sich entgegenzustemmen, in sofern als dieselben eine Leugnung ihrer Superiorität enthalten, welche Superiorität in der That nicht blos beharrt, sondern starrer und schärfer wird, indem sie in eine gesellschaftliche sich verwandelt, wo sie ganz und gar nicht im Subject -- der nackten Person --, aber um so mehr im Objecte, im Um- fange ihrer Willkürsphäre, also zumal ihres Vermögens, sich findet. Daher haben sie ihre Freude am Scheine und Namen des Lohnes. Derselbe Schein, wenn auch nicht der Name, wird von den Unteren als Marke der Dienstbarkeit, als Unehre empfunden. Hingegen ist ihnen die Sache in manchen Beziehungen, welche durch sich selber wohl der Reduction auf reinen Tausch oder Contract fähig sind, nach ökonomischem Werthe gemessen, günstig. Denn wer es ver- schmäht (unter seiner Würde hält, sich zu gut dafür hält), um den Preis einer Waare oder einer Leistung zu feilschen,
nossenes Gute. Und so kann auch die Abgabe als ein ehrender, erhöhender Lohn, der Lohn als eine gnädige, er- niedrigende Abgabe begriffen werden. In dem einen Sinne ist, beschenkt zu werden, auch ausserhalb des Werthes und Nutzens, angenehm, in dem anderen lästig. Daher denn ist die Abschaffung der Abgaben, ihre Ablösung, Verwand- lung in Steuern u. dgl. als ein Moment der Verwesung ge- meinschaftlicher Verhältnisse, zugleich zerstörend für den hierdurch bedingten Rang der Oberen; wenn sie auch ihre gesellschaftliche Bedeutung, nämlich die vollkommene vermögensrechtliche Unabhängigkeit durch ein festes, aus Handels- oder Wuchergeschäften hervorgehendes Geldein- kommen, allererst möglich macht. Denn zu einem derartigen Geschäft, auch wenn nicht durchaus als Geschäft betrieben, wird der schlechthin freie Grundbesitz schon durch die Form des Pachtcontracts und hieraus fliessenden Bezug der Grundrente. Wie also jene Veränderung eine doppelte Seite für die Destinatäre hat: eine schlechte für ihre Ehre und eine gute für ihr Vermögen, so auch die Abschaffung des Lohnes, aber in umgewandter Weise für die ihrigen. Die Oberen haben, auch nachdem alle wirklichen Bande zwischen ihnen und der Menge zerrissen sind, ein starkes Interesse daran, den vollen Consequenzen der Gleichheit aller Willkürfähigen sich entgegenzustemmen, in sofern als dieselben eine Leugnung ihrer Superiorität enthalten, welche Superiorität in der That nicht blos beharrt, sondern starrer und schärfer wird, indem sie in eine gesellschaftliche sich verwandelt, wo sie ganz und gar nicht im Subject — der nackten Person —, aber um so mehr im Objecte, im Um- fange ihrer Willkürsphäre, also zumal ihres Vermögens, sich findet. Daher haben sie ihre Freude am Scheine und Namen des Lohnes. Derselbe Schein, wenn auch nicht der Name, wird von den Unteren als Marke der Dienstbarkeit, als Unehre empfunden. Hingegen ist ihnen die Sache in manchen Beziehungen, welche durch sich selber wohl der Reduction auf reinen Tausch oder Contract fähig sind, nach ökonomischem Werthe gemessen, günstig. Denn wer es ver- schmäht (unter seiner Würde hält, sich zu gut dafür hält), um den Preis einer Waare oder einer Leistung zu feilschen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0258"n="222"/>
nossenes Gute. Und so kann auch die Abgabe als ein<lb/>
ehrender, erhöhender Lohn, der Lohn als eine gnädige, er-<lb/>
niedrigende Abgabe begriffen werden. In dem einen Sinne<lb/>
ist, beschenkt zu werden, auch ausserhalb des Werthes und<lb/>
Nutzens, angenehm, in dem anderen lästig. Daher denn<lb/>
ist die Abschaffung der Abgaben, ihre Ablösung, Verwand-<lb/>
lung in Steuern u. dgl. als ein Moment der Verwesung ge-<lb/>
meinschaftlicher Verhältnisse, zugleich zerstörend für den<lb/>
hierdurch bedingten Rang der Oberen; wenn sie auch ihre<lb/><hirendition="#g">gesellschaftliche</hi> Bedeutung, nämlich die vollkommene<lb/>
vermögensrechtliche Unabhängigkeit durch ein festes, aus<lb/>
Handels- oder Wuchergeschäften hervorgehendes Geldein-<lb/>
kommen, allererst möglich macht. Denn zu einem derartigen<lb/>
Geschäft, auch wenn nicht durchaus als Geschäft betrieben,<lb/>
wird der schlechthin freie Grundbesitz schon durch die<lb/>
Form des Pachtcontracts und hieraus fliessenden Bezug<lb/>
der Grundrente. Wie also jene Veränderung eine doppelte<lb/>
Seite für die Destinatäre hat: eine schlechte für ihre Ehre<lb/>
und eine gute für ihr Vermögen, so auch die Abschaffung<lb/>
des Lohnes, aber in umgewandter Weise für die ihrigen.<lb/>
Die Oberen haben, auch nachdem alle wirklichen Bande<lb/>
zwischen ihnen und der Menge zerrissen sind, ein starkes<lb/>
Interesse daran, den vollen Consequenzen der Gleichheit<lb/>
aller Willkürfähigen sich entgegenzustemmen, in sofern als<lb/>
dieselben eine Leugnung ihrer Superiorität enthalten, welche<lb/>
Superiorität in der That nicht blos beharrt, sondern starrer<lb/>
und schärfer wird, indem sie in eine gesellschaftliche sich<lb/>
verwandelt, wo sie ganz und gar nicht im Subject — der<lb/>
nackten Person —, aber um so mehr im Objecte, im Um-<lb/>
fange ihrer Willkürsphäre, also zumal ihres Vermögens,<lb/>
sich findet. Daher haben sie ihre Freude am Scheine und<lb/>
Namen des Lohnes. Derselbe Schein, wenn auch nicht der<lb/>
Name, wird von den Unteren als Marke der Dienstbarkeit,<lb/>
als Unehre empfunden. Hingegen ist ihnen die <hirendition="#g">Sache</hi> in<lb/>
manchen Beziehungen, welche durch sich selber wohl der<lb/>
Reduction auf reinen Tausch oder Contract fähig sind, nach<lb/>
ökonomischem Werthe gemessen, günstig. Denn wer es ver-<lb/>
schmäht (unter seiner Würde hält, sich zu gut dafür hält),<lb/>
um den Preis einer Waare oder einer Leistung zu feilschen,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[222/0258]
nossenes Gute. Und so kann auch die Abgabe als ein
ehrender, erhöhender Lohn, der Lohn als eine gnädige, er-
niedrigende Abgabe begriffen werden. In dem einen Sinne
ist, beschenkt zu werden, auch ausserhalb des Werthes und
Nutzens, angenehm, in dem anderen lästig. Daher denn
ist die Abschaffung der Abgaben, ihre Ablösung, Verwand-
lung in Steuern u. dgl. als ein Moment der Verwesung ge-
meinschaftlicher Verhältnisse, zugleich zerstörend für den
hierdurch bedingten Rang der Oberen; wenn sie auch ihre
gesellschaftliche Bedeutung, nämlich die vollkommene
vermögensrechtliche Unabhängigkeit durch ein festes, aus
Handels- oder Wuchergeschäften hervorgehendes Geldein-
kommen, allererst möglich macht. Denn zu einem derartigen
Geschäft, auch wenn nicht durchaus als Geschäft betrieben,
wird der schlechthin freie Grundbesitz schon durch die
Form des Pachtcontracts und hieraus fliessenden Bezug
der Grundrente. Wie also jene Veränderung eine doppelte
Seite für die Destinatäre hat: eine schlechte für ihre Ehre
und eine gute für ihr Vermögen, so auch die Abschaffung
des Lohnes, aber in umgewandter Weise für die ihrigen.
Die Oberen haben, auch nachdem alle wirklichen Bande
zwischen ihnen und der Menge zerrissen sind, ein starkes
Interesse daran, den vollen Consequenzen der Gleichheit
aller Willkürfähigen sich entgegenzustemmen, in sofern als
dieselben eine Leugnung ihrer Superiorität enthalten, welche
Superiorität in der That nicht blos beharrt, sondern starrer
und schärfer wird, indem sie in eine gesellschaftliche sich
verwandelt, wo sie ganz und gar nicht im Subject — der
nackten Person —, aber um so mehr im Objecte, im Um-
fange ihrer Willkürsphäre, also zumal ihres Vermögens,
sich findet. Daher haben sie ihre Freude am Scheine und
Namen des Lohnes. Derselbe Schein, wenn auch nicht der
Name, wird von den Unteren als Marke der Dienstbarkeit,
als Unehre empfunden. Hingegen ist ihnen die Sache in
manchen Beziehungen, welche durch sich selber wohl der
Reduction auf reinen Tausch oder Contract fähig sind, nach
ökonomischem Werthe gemessen, günstig. Denn wer es ver-
schmäht (unter seiner Würde hält, sich zu gut dafür hält),
um den Preis einer Waare oder einer Leistung zu feilschen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/258>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.