alsdann aber überflüssig zu machen. Und je mehr die Ar- beit abstracte und einfache Arbeit wird, desto deutlicher bedingt sie als solche ihren Preis und wird auf ihren Werth als Art der Nutzung und Ausbeutung eines Objectes -- wie der Unternehmer sie einkauft -- reducirt; oder: der durch- schnittliche Preis, zunächst ein imaginäres Mittel zwischen hohen und niedrigen, wird durch verminderte Zugkraft der hohen, welche qualificirter Arbeit entsprechen, dem Stande der niedrigen immer mehr angenähert. Dieser Process voll- zieht sich noch innerhalb des Systems gesellschaftlicher Production, welches auf Trennung des Arbeiters von seinen Stoffen und Werkzeugen beruht. -- Hiernach werde beur- theilt, wie unangemessen der Name des Lohn-Arbeiters dem Proletarier des gesellschaftlichen Systemes sei. Er correspondirt in der That dem Namen des Brodherrn oder des Meisters für den unternehmenden Kaufmann oder Fabrikan- ten oder die noch unpatriarchalischere Actiengesellschaft, endlich gar den allerungnädigsten Fiscus.
§ 11.
Dem Lohne als der Gabe des Höheren an den Nie- deren stellt sich die Abgabe als Beitrag des Niederen für Leben und Haushaltung des Höheren zur Seite. Beide entwickeln sich durch die thatsächliche Uebung zur Ge- wohnheit und werden durch mitwirkende Umstände, zu- mal als allgemeine Gewohnheit, auch in Bezug auf Art und Menge zur Pflicht. Als durchaus freiwilligen steht ihnen die Bitte (namentlich dem Lohne) oder versprochene, wenn nicht vorgewährte Gunst gegenüber (namentlich der Abgabe). Als pflichtmässigen das Verlangen (postulatum) oder der Titel einer Gerechtsame. Endlich aber schlagen beide Gattungen in contractmässige, -- ferner, was aber hier noch nicht in die Betrachtung fällt, in gesetzmässige -- um, wo sie nichts als bedungene und bewilligte Aequivalente sind für empfangene und in Aussicht gestellte andere Sachen oder Dienstleistun- gen. Da nun ihrem Ursprunge nach die Abgabe so sehr als der Lohn dem Gedächtniss und der Erkennung (reco- gnitio) eines gemeinschaftlichen Verhältnisses gilt, so sind beide nichts als sichtbare Ausdrücke des Dankes für ge-
alsdann aber überflüssig zu machen. Und je mehr die Ar- beit abstracte und einfache Arbeit wird, desto deutlicher bedingt sie als solche ihren Preis und wird auf ihren Werth als Art der Nutzung und Ausbeutung eines Objectes — wie der Unternehmer sie einkauft — reducirt; oder: der durch- schnittliche Preis, zunächst ein imaginäres Mittel zwischen hohen und niedrigen, wird durch verminderte Zugkraft der hohen, welche qualificirter Arbeit entsprechen, dem Stande der niedrigen immer mehr angenähert. Dieser Process voll- zieht sich noch innerhalb des Systems gesellschaftlicher Production, welches auf Trennung des Arbeiters von seinen Stoffen und Werkzeugen beruht. — Hiernach werde beur- theilt, wie unangemessen der Name des Lohn-Arbeiters dem Proletarier des gesellschaftlichen Systemes sei. Er correspondirt in der That dem Namen des Brodherrn oder des Meisters für den unternehmenden Kaufmann oder Fabrikan- ten oder die noch unpatriarchalischere Actiengesellschaft, endlich gar den allerungnädigsten Fiscus.
§ 11.
Dem Lohne als der Gabe des Höheren an den Nie- deren stellt sich die Abgabe als Beitrag des Niederen für Leben und Haushaltung des Höheren zur Seite. Beide entwickeln sich durch die thatsächliche Uebung zur Ge- wohnheit und werden durch mitwirkende Umstände, zu- mal als allgemeine Gewohnheit, auch in Bezug auf Art und Menge zur Pflicht. Als durchaus freiwilligen steht ihnen die Bitte (namentlich dem Lohne) oder versprochene, wenn nicht vorgewährte Gunst gegenüber (namentlich der Abgabe). Als pflichtmässigen das Verlangen (postulatum) oder der Titel einer Gerechtsame. Endlich aber schlagen beide Gattungen in contractmässige, — ferner, was aber hier noch nicht in die Betrachtung fällt, in gesetzmässige — um, wo sie nichts als bedungene und bewilligte Aequivalente sind für empfangene und in Aussicht gestellte andere Sachen oder Dienstleistun- gen. Da nun ihrem Ursprunge nach die Abgabe so sehr als der Lohn dem Gedächtniss und der Erkennung (reco- gnitio) eines gemeinschaftlichen Verhältnisses gilt, so sind beide nichts als sichtbare Ausdrücke des Dankes für ge-
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alsdann aber überflüssig zu machen. Und je mehr die Ar-
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als Art der Nutzung und Ausbeutung eines Objectes — wie
der Unternehmer sie einkauft — reducirt; oder: der durch-
schnittliche Preis, zunächst ein imaginäres Mittel zwischen
hohen und niedrigen, wird durch verminderte Zugkraft der
hohen, welche qualificirter Arbeit entsprechen, dem Stande
der niedrigen immer mehr angenähert. Dieser Process voll-
zieht sich noch innerhalb des Systems gesellschaftlicher
Production, welches auf Trennung des Arbeiters von seinen
Stoffen und Werkzeugen beruht. — Hiernach werde beur-
theilt, wie unangemessen der Name des Lohn-Arbeiters
dem Proletarier des gesellschaftlichen Systemes sei. Er
correspondirt in der That dem Namen des Brodherrn oder des
Meisters für den unternehmenden Kaufmann oder Fabrikan-
ten oder die noch unpatriarchalischere Actiengesellschaft,
endlich gar den allerungnädigsten Fiscus.
§ 11.
Dem Lohne als der Gabe des Höheren an den Nie-
deren stellt sich die Abgabe als Beitrag des Niederen für
Leben und Haushaltung des Höheren zur Seite. Beide
entwickeln sich durch die thatsächliche Uebung zur Ge-
wohnheit und werden durch mitwirkende Umstände, zu-
mal als allgemeine Gewohnheit, auch in Bezug auf Art und
Menge zur Pflicht. Als durchaus freiwilligen steht ihnen
die Bitte (namentlich dem Lohne) oder versprochene, wenn
nicht vorgewährte Gunst gegenüber (namentlich der Abgabe).
Als pflichtmässigen das Verlangen (postulatum) oder der Titel
einer Gerechtsame. Endlich aber schlagen beide Gattungen
in contractmässige, — ferner, was aber hier noch nicht in die
Betrachtung fällt, in gesetzmässige — um, wo sie nichts als
bedungene und bewilligte Aequivalente sind für empfangene
und in Aussicht gestellte andere Sachen oder Dienstleistun-
gen. Da nun ihrem Ursprunge nach die Abgabe so sehr
als der Lohn dem Gedächtniss und der Erkennung (reco-
gnitio) eines gemeinschaftlichen Verhältnisses gilt, so sind
beide nichts als sichtbare Ausdrücke des Dankes für ge-
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/257>, abgerufen am 25.11.2024.
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