urtheilten richtig, daß dieser Vortrag nach römischen Absichten wieder die Lehre von Rechtfertigung allein durch den Glauben und aus Gnade gerichtet sei, aber Amsdorf verfiel in der Hize des Streits dahin, daß er behauptete, gute Werke wären der Seligkeit schädlig; Major fand nochmals keinen Glauben als ers beßer wolte gemeinet haben, nicht als würde der Mensch durch Werke verdienstliger Weise gerecht und selig, sondern daß der Glaube nicht sein könne ohne gute Werke, bei welcher Absicht und Einschränkung eine richtige Lehre den Misdeutungen der Gesezstürmer entgegen gesezet wäre, deren einige mündlig, sehr viele aber thätig die Lehre von der Glaubensgerechtigkeit ohne Verdienst eigener Werke dahin verdreheten, daß man in allen Lastern leben und nur glauben dürfe, welcher Irthum durch alzuheftige Verkleinerung der guten Werke bei jenem Streite genehret wurde. Auch in der folgenden Zeit hinderten die Lehrer des lautern Bekentnißes sich und andere an eifriger Ybung der Gottseligkeit mit beständigen Streitigkeiten über sehr unerbaulige Fragen, die man mit äusester Hize bis zur Verfolgung trieb, sich auch durch eigene stete Gefar schwerer Verfolgungskriege nicht abhalten lies, dabei die gelinde Sittenzucht vergas, deren die wenigsten in der Lehre verbeßerten
urtheilten richtig, daß dieser Vortrag nach römischen Absichten wieder die Lehre von Rechtfertigung allein durch den Glauben und aus Gnade gerichtet sei, aber Amsdorf verfiel in der Hize des Streits dahin, daß er behauptete, gute Werke wären der Seligkeit schädlig; Major fand nochmals keinen Glauben als ers beßer wolte gemeinet haben, nicht als würde der Mensch durch Werke verdienstliger Weise gerecht und selig, sondern daß der Glaube nicht sein könne ohne gute Werke, bei welcher Absicht und Einschränkung eine richtige Lehre den Misdeutungen der Gesezstürmer entgegen gesezet wäre, deren einige mündlig, sehr viele aber thätig die Lehre von der Glaubensgerechtigkeit ohne Verdienst eigener Werke dahin verdreheten, daß man in allen Lastern leben und nur glauben dürfe, welcher Irthum durch alzuheftige Verkleinerung der guten Werke bei jenem Streite genehret wurde. Auch in der folgenden Zeit hinderten die Lehrer des lautern Bekentnißes sich und andere an eifriger Ybung der Gottseligkeit mit beständigen Streitigkeiten über sehr unerbaulige Fragen, die man mit äusester Hize bis zur Verfolgung trieb, sich auch durch eigene stete Gefar schwerer Verfolgungskriege nicht abhalten lies, dabei die gelinde Sittenzucht vergas, deren die wenigsten in der Lehre verbeßerten
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urtheilten richtig, daß dieser Vortrag nach römischen Absichten wieder die Lehre von Rechtfertigung allein durch den Glauben und aus Gnade gerichtet sei, aber Amsdorf verfiel in der Hize des Streits dahin, daß er behauptete, gute Werke wären der Seligkeit schädlig; Major fand nochmals keinen Glauben als ers beßer wolte gemeinet haben, nicht als würde der Mensch durch Werke verdienstliger Weise gerecht und selig, sondern daß der Glaube nicht sein könne ohne gute Werke, bei welcher Absicht und Einschränkung eine richtige Lehre den Misdeutungen der Gesezstürmer entgegen gesezet wäre, deren einige mündlig, sehr viele aber thätig die Lehre von der Glaubensgerechtigkeit ohne Verdienst eigener Werke dahin verdreheten, daß man in allen Lastern leben und nur glauben dürfe, welcher Irthum durch alzuheftige Verkleinerung der guten Werke bei jenem Streite genehret wurde. Auch in der folgenden Zeit hinderten die Lehrer des lautern Bekentnißes sich und andere an eifriger Ybung der Gottseligkeit mit beständigen Streitigkeiten über sehr unerbaulige Fragen, die man mit äusester Hize bis zur Verfolgung trieb, sich auch durch eigene stete Gefar schwerer Verfolgungskriege nicht abhalten lies, dabei die gelinde Sittenzucht vergas, deren die wenigsten in der Lehre verbeßerten
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urtheilten richtig, daß dieser Vortrag nach römischen Absichten wieder die Lehre von Rechtfertigung allein durch den Glauben und aus Gnade gerichtet sei, aber Amsdorf verfiel in der Hize des Streits dahin, daß er behauptete, gute Werke wären der Seligkeit schädlig; Major fand nochmals keinen Glauben als ers beßer wolte gemeinet haben, nicht als würde der Mensch durch Werke verdienstliger Weise gerecht und selig, sondern daß der Glaube nicht sein könne ohne gute Werke, bei welcher Absicht und Einschränkung eine richtige Lehre den Misdeutungen der Gesezstürmer entgegen gesezet wäre, deren einige mündlig, sehr viele aber thätig die Lehre von der Glaubensgerechtigkeit ohne Verdienst eigener Werke dahin verdreheten, daß man in allen Lastern leben und nur glauben dürfe, welcher Irthum durch alzuheftige Verkleinerung der guten Werke bei jenem Streite genehret wurde. Auch in der folgenden Zeit hinderten die Lehrer des lautern Bekentnißes sich und andere an eifriger Ybung der Gottseligkeit mit beständigen Streitigkeiten über sehr unerbaulige Fragen, die man mit äusester Hize bis zur Verfolgung trieb, sich auch durch eigene stete Gefar schwerer Verfolgungskriege nicht abhalten lies, dabei die gelinde Sittenzucht vergas, deren die wenigsten in der Lehre verbeßerten
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Tönnies, Johann Heinrich: Auszug der Geschichte zur Erklärung der Offenbarung Johannis. Leipzig, 1776, S. 758. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_auszug_1776/770>, abgerufen am 23.11.2024.
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