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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Vorrede
Wlssenschaften setzen, welche mehr sinnlich als geistig oder
abstrakt sind. Er wird die Bibel mit den Werken Gottes
zusammenhalten, um uns die Natur Gottes, des Menschen
und der Religion zu erläutern. Seine Lieblingswissen-
schaften sind: Physik (Naturlehre,) und ihre Geschichte,
Astronomie (Sternkunde) Historie, Geographie (Erdkun-
de) Philosophie, sonderlich Psychologie (Kentniß der See-
len) und Aesthetik (Kunst, schön zu denken und sich schön
auszudrücken).

Der erste unter diesen beiden Theologen arbeitet mehr
für den Kopf: der andre mehr für das Herz. Wir wollen
nicht zu vorschnell seyn, ihrer beider Werth zu bestimmen:
Gellerts Fabel von der Rangsucht der Bienen mag den
Streit entscheiden. Das aber ist gewiß, daß die Religion
jederzeit ein klägliches Ansehen bekomt, sobald sie einseitig
behandelt wird. Die Ober - und Unterkräfte unsrer Seele
wollen beide Nahrung haben, obgleich Ein Mensch sich
mehr an Spekulationen, ein andrer hingegen mehr an
poetischen Vorstellungen ergötzt. Nun zur Geschichte
selbst!

Die heil. Schrift ist das Muster eines bündigen und
zugleich angenehmen Vortrags der Religionswarheiten.
Beide oberwehnte Gattungen von Theologen (wir wollen
sie die gründlichen und schönen nennen) finden ihre Nah-
rung darin. Es ist nichts halbirtes, sondern die Wissen-
schaften jedesmaliger Zeit werden darin zur Erläuterung
und Verschönerung der Religion angewendet. Hiob
widerstand allen Sophistereien seiner Freunde: als aber
Gott mit ihm aus dem Buche der Natur sprach, da unter-
warf er sich und genas. Die vier vorletzten Kapitel des

Buchs

Vorrede
Wlſſenſchaften ſetzen, welche mehr ſinnlich als geiſtig oder
abſtrakt ſind. Er wird die Bibel mit den Werken Gottes
zuſammenhalten, um uns die Natur Gottes, des Menſchen
und der Religion zu erlaͤutern. Seine Lieblingswiſſen-
ſchaften ſind: Phyſik (Naturlehre,) und ihre Geſchichte,
Aſtronomie (Sternkunde) Hiſtorie, Geographie (Erdkun-
de) Philoſophie, ſonderlich Pſychologie (Kentniß der See-
len) und Aeſthetik (Kunſt, ſchoͤn zu denken und ſich ſchoͤn
auszudruͤcken).

Der erſte unter dieſen beiden Theologen arbeitet mehr
fuͤr den Kopf: der andre mehr fuͤr das Herz. Wir wollen
nicht zu vorſchnell ſeyn, ihrer beider Werth zu beſtimmen:
Gellerts Fabel von der Rangſucht der Bienen mag den
Streit entſcheiden. Das aber iſt gewiß, daß die Religion
jederzeit ein klaͤgliches Anſehen bekomt, ſobald ſie einſeitig
behandelt wird. Die Ober - und Unterkraͤfte unſrer Seele
wollen beide Nahrung haben, obgleich Ein Menſch ſich
mehr an Spekulationen, ein andrer hingegen mehr an
poetiſchen Vorſtellungen ergoͤtzt. Nun zur Geſchichte
ſelbſt!

Die heil. Schrift iſt das Muſter eines buͤndigen und
zugleich angenehmen Vortrags der Religionswarheiten.
Beide oberwehnte Gattungen von Theologen (wir wollen
ſie die gruͤndlichen und ſchoͤnen nennen) finden ihre Nah-
rung darin. Es iſt nichts halbirtes, ſondern die Wiſſen-
ſchaften jedesmaliger Zeit werden darin zur Erlaͤuterung
und Verſchoͤnerung der Religion angewendet. Hiob
widerſtand allen Sophiſtereien ſeiner Freunde: als aber
Gott mit ihm aus dem Buche der Natur ſprach, da unter-
warf er ſich und genas. Die vier vorletzten Kapitel des

Buchs
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[20/0027] Vorrede Wlſſenſchaften ſetzen, welche mehr ſinnlich als geiſtig oder abſtrakt ſind. Er wird die Bibel mit den Werken Gottes zuſammenhalten, um uns die Natur Gottes, des Menſchen und der Religion zu erlaͤutern. Seine Lieblingswiſſen- ſchaften ſind: Phyſik (Naturlehre,) und ihre Geſchichte, Aſtronomie (Sternkunde) Hiſtorie, Geographie (Erdkun- de) Philoſophie, ſonderlich Pſychologie (Kentniß der See- len) und Aeſthetik (Kunſt, ſchoͤn zu denken und ſich ſchoͤn auszudruͤcken). Der erſte unter dieſen beiden Theologen arbeitet mehr fuͤr den Kopf: der andre mehr fuͤr das Herz. Wir wollen nicht zu vorſchnell ſeyn, ihrer beider Werth zu beſtimmen: Gellerts Fabel von der Rangſucht der Bienen mag den Streit entſcheiden. Das aber iſt gewiß, daß die Religion jederzeit ein klaͤgliches Anſehen bekomt, ſobald ſie einſeitig behandelt wird. Die Ober - und Unterkraͤfte unſrer Seele wollen beide Nahrung haben, obgleich Ein Menſch ſich mehr an Spekulationen, ein andrer hingegen mehr an poetiſchen Vorſtellungen ergoͤtzt. Nun zur Geſchichte ſelbſt! Die heil. Schrift iſt das Muſter eines buͤndigen und zugleich angenehmen Vortrags der Religionswarheiten. Beide oberwehnte Gattungen von Theologen (wir wollen ſie die gruͤndlichen und ſchoͤnen nennen) finden ihre Nah- rung darin. Es iſt nichts halbirtes, ſondern die Wiſſen- ſchaften jedesmaliger Zeit werden darin zur Erlaͤuterung und Verſchoͤnerung der Religion angewendet. Hiob widerſtand allen Sophiſtereien ſeiner Freunde: als aber Gott mit ihm aus dem Buche der Natur ſprach, da unter- warf er ſich und genas. Die vier vorletzten Kapitel des Buchs

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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/27>, abgerufen am 24.11.2024.