Das Gute thun, das Böse fliehn und meiden Herr! diese Pflicht lehrt mich dein heilig Leiden. Ein reines Herz, gleich deinem edlen Herzen, Dis ist der Dank für deines Kreuzes Schmerzen!
Wir feiern jetzt die Fastenzeit. Eine heilige Zeit! obwol nicht heiliger, als andre Jahrszeiten. Ein Karneval, wo Possen und Ausschweifungen Pflicht sind, ist eine Erfindung der Heiden, welche mit üppigen Festen ihre lasterhafte Götzen zu ver- ehren suchten. Schlecht genug, daß man in einem grossen Theil der Christenheit jenen Bachusdienern nachgeahmet hat! Ist denn die Zeit vom Dreikönigstage bis zur Fastnacht unheiliger? Oder: ist Gott binnen dieser Frist weniger heilig und gerecht? Wird er die vorhergegangne Schwelgereien und wilde Maskeraden ver- gessen, weil man sich nun dafür des Fleischessens enthält?
Viele Misbräuche entstanden aus gutgemeinten Absichten. Und so auch die Fastenzeit, wie sie bei vielen Christen üblich ist. Das Osterfest war das älteste und vorzüglichste Fest der Christen, obgleich die Feier von den Aposteln nicht geboten war. Das Lei- den, die Auferstehung Jesu, und das Pascha der Juden gaben diesem Feste den Ursprung. Man fieng hierauf an, um dis Fest desto feierlicher zu machen das heilige Abendmal allgemein in Ostern zu geniessen; wo möglich die Taufe bis dahin zu verschie- ben; und die Büssenden oder in Kirchenzucht verfallne Mitglieder alsdann wieder in die Kirche aufzunehmen. Hiezu nun pflegte man sich durch vierzigstündiges Fasten, oder strenge Enthaltung aller Speisen freiwillig zuzubereiten, und das dafür ersparte Geld
den
J 2
Der 3te Maͤrz.
Das Gute thun, das Boͤſe fliehn und meiden Herr! dieſe Pflicht lehrt mich dein heilig Leiden. Ein reines Herz, gleich deinem edlen Herzen, Dis iſt der Dank fuͤr deines Kreuzes Schmerzen!
Wir feiern jetzt die Faſtenzeit. Eine heilige Zeit! obwol nicht heiliger, als andre Jahrszeiten. Ein Karneval, wo Poſſen und Ausſchweifungen Pflicht ſind, iſt eine Erfindung der Heiden, welche mit uͤppigen Feſten ihre laſterhafte Goͤtzen zu ver- ehren ſuchten. Schlecht genug, daß man in einem groſſen Theil der Chriſtenheit jenen Bachusdienern nachgeahmet hat! Iſt denn die Zeit vom Dreikoͤnigstage bis zur Faſtnacht unheiliger? Oder: iſt Gott binnen dieſer Friſt weniger heilig und gerecht? Wird er die vorhergegangne Schwelgereien und wilde Maskeraden ver- geſſen, weil man ſich nun dafuͤr des Fleiſcheſſens enthaͤlt?
Viele Misbraͤuche entſtanden aus gutgemeinten Abſichten. Und ſo auch die Faſtenzeit, wie ſie bei vielen Chriſten uͤblich iſt. Das Oſterfeſt war das aͤlteſte und vorzuͤglichſte Feſt der Chriſten, obgleich die Feier von den Apoſteln nicht geboten war. Das Lei- den, die Auferſtehung Jeſu, und das Paſcha der Juden gaben dieſem Feſte den Urſprung. Man fieng hierauf an, um dis Feſt deſto feierlicher zu machen das heilige Abendmal allgemein in Oſtern zu genieſſen; wo moͤglich die Taufe bis dahin zu verſchie- ben; und die Buͤſſenden oder in Kirchenzucht verfallne Mitglieder alsdann wieder in die Kirche aufzunehmen. Hiezu nun pflegte man ſich durch vierzigſtuͤndiges Faſten, oder ſtrenge Enthaltung aller Speiſen freiwillig zuzubereiten, und das dafuͤr erſparte Geld
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[131[161]/0168]
Der 3te Maͤrz.
Das Gute thun, das Boͤſe fliehn und meiden
Herr! dieſe Pflicht lehrt mich dein heilig Leiden.
Ein reines Herz, gleich deinem edlen Herzen,
Dis iſt der Dank fuͤr deines Kreuzes Schmerzen!
Wir feiern jetzt die Faſtenzeit. Eine heilige Zeit! obwol
nicht heiliger, als andre Jahrszeiten. Ein Karneval, wo
Poſſen und Ausſchweifungen Pflicht ſind, iſt eine Erfindung der
Heiden, welche mit uͤppigen Feſten ihre laſterhafte Goͤtzen zu ver-
ehren ſuchten. Schlecht genug, daß man in einem groſſen Theil
der Chriſtenheit jenen Bachusdienern nachgeahmet hat! Iſt denn
die Zeit vom Dreikoͤnigstage bis zur Faſtnacht unheiliger? Oder:
iſt Gott binnen dieſer Friſt weniger heilig und gerecht? Wird er
die vorhergegangne Schwelgereien und wilde Maskeraden ver-
geſſen, weil man ſich nun dafuͤr des Fleiſcheſſens enthaͤlt?
Viele Misbraͤuche entſtanden aus gutgemeinten Abſichten.
Und ſo auch die Faſtenzeit, wie ſie bei vielen Chriſten uͤblich iſt.
Das Oſterfeſt war das aͤlteſte und vorzuͤglichſte Feſt der Chriſten,
obgleich die Feier von den Apoſteln nicht geboten war. Das Lei-
den, die Auferſtehung Jeſu, und das Paſcha der Juden gaben
dieſem Feſte den Urſprung. Man fieng hierauf an, um dis Feſt
deſto feierlicher zu machen das heilige Abendmal allgemein in
Oſtern zu genieſſen; wo moͤglich die Taufe bis dahin zu verſchie-
ben; und die Buͤſſenden oder in Kirchenzucht verfallne Mitglieder
alsdann wieder in die Kirche aufzunehmen. Hiezu nun pflegte
man ſich durch vierzigſtuͤndiges Faſten, oder ſtrenge Enthaltung
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 131[161]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/168>, abgerufen am 21.11.2024.
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