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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Vorrede

"-- So feret der Geitz zu, (sagt Luther in seiner
körnigten Sprache) "vnd thut vnsern Buchdrückern diese
&q;Schalckheit vnd Büberey, Das andere flugs balde her-
&q;nach drücken, vnd also der vnsern Erbeit vnd Vnkost be-
&q;rauben zu jrem Gewin, Welchs eine rechte grosse öffent-
&q;liche Reuberey ist, die Gott auch wol strafen wird, vnd
&q;keinem ehrlichen Christlichen Menschen wol anstehet."

Jedoch, ich wende mich zu angenehmern und nützli-
chern Gegenständen; denn was hilfts?

Ein Mensch, der sich zu keiner Pflicht
Als nur aufs Geld versteht,
Der schämt sich ewig nicht.

Eine der Abendbetrachtungen, nemlich der Wie-
derstrich der Vögel
hat mir von Br - - und P - - aus
schriftlich scharfen Tadel zugezogen. Schon war ich wil-
lens, sie ganz wegzulassen, oder sehr zu verändern, als ich
auf Zureden andrer Freunde sie dennoch stehen ließ. Da
es nur die unschuldige Namen der Vögel seyn können
welche so auffallen: so habe ich es am Ende meiner Unter-
suchung beim alten gelassen. Was würde daraus werden,
wenn kein Wort, kein Name, kein biblischer Spruch
mehr zur Erbauung gelten solte, so bald dieser oder jener
eine Nebenidee damit verknüpft! Dann solten uns die
Spötter das Feld der Erbauung sehr verengen. Sie
dürften nur die Hauptwörter der Religion bei drolligten
Gelegenheiten mißbrauchen: so wäre das für Kanzel und
Erbauungsschriften eine verlorne Provinz. Aber wird
denn der grosse Mann klein, weil ihm ein leichtfertiger
Knabe eine Schelle anhing? Ich traue also den meisten
meiner Leser so viel Mut und Ernsthaftigkeit zu, daß sie
ihre Erbauung mehr von Sachen, als von Worten her-
nehmen.

Wie
Vorrede

„— So feret der Geitz zu, (ſagt Luther in ſeiner
koͤrnigten Sprache) „vnd thut vnſern Buchdruͤckern dieſe
&q;Schalckheit vnd Buͤberey, Das andere flugs balde her-
&q;nach druͤcken, vnd alſo der vnſern Erbeit vnd Vnkoſt be-
&q;rauben zu jrem Gewin, Welchs eine rechte groſſe oͤffent-
&q;liche Reuberey iſt, die Gott auch wol ſtrafen wird, vnd
&q;keinem ehrlichen Chriſtlichen Menſchen wol anſtehet.“

Jedoch, ich wende mich zu angenehmern und nuͤtzli-
chern Gegenſtaͤnden; denn was hilfts?

Ein Menſch, der ſich zu keiner Pflicht
Als nur aufs Geld verſteht,
Der ſchaͤmt ſich ewig nicht.

Eine der Abendbetrachtungen, nemlich der Wie-
derſtrich der Voͤgel
hat mir von Br - - und P - - aus
ſchriftlich ſcharfen Tadel zugezogen. Schon war ich wil-
lens, ſie ganz wegzulaſſen, oder ſehr zu veraͤndern, als ich
auf Zureden andrer Freunde ſie dennoch ſtehen ließ. Da
es nur die unſchuldige Namen der Voͤgel ſeyn koͤnnen
welche ſo auffallen: ſo habe ich es am Ende meiner Unter-
ſuchung beim alten gelaſſen. Was wuͤrde daraus werden,
wenn kein Wort, kein Name, kein bibliſcher Spruch
mehr zur Erbauung gelten ſolte, ſo bald dieſer oder jener
eine Nebenidee damit verknuͤpft! Dann ſolten uns die
Spoͤtter das Feld der Erbauung ſehr verengen. Sie
duͤrften nur die Hauptwoͤrter der Religion bei drolligten
Gelegenheiten mißbrauchen: ſo waͤre das fuͤr Kanzel und
Erbauungsſchriften eine verlorne Provinz. Aber wird
denn der groſſe Mann klein, weil ihm ein leichtfertiger
Knabe eine Schelle anhing? Ich traue alſo den meiſten
meiner Leſer ſo viel Mut und Ernſthaftigkeit zu, daß ſie
ihre Erbauung mehr von Sachen, als von Worten her-
nehmen.

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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/15>, abgerufen am 20.05.2024.