Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Der 20te Februar.
bei zunehmenden Jahren sehr bald erfuhr, daß es mir höchst [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
theilhaft sey! Keine Entschuldigung wäre abgeschmackter, [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
wenn ich mich auf meine damalige Minderjährigkeit berufen, [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
alle Schuld auf meine Vormünder, welche im Versprechen [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
weit gegangen wären, schieben wolte. Was bedarf es die [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
nichtigen Ausflucht, da ich freilich die Macht behalte, tägli[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
den ganzen Vertrag mit dir, o Gott! aufzuheben.

Aufzuheben? Ich Armer! was bliebe mir dann für e[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Vorzug übrig, wenn ich aufhörte ein Christ zu seyn! Und wa[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
wäre ichs gebessert, und was für Belohnung, wenn ich nur mi[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
leben und dienen wolte! Gab es je einen unverlöschlichen Charak[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
ter, so ist es die heilige Taufe. Auf Jesu Namen getauft seyn,[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
und doch als ein Heide leben: das ist ein Brandmal an der Stir-
ne, welches in den Augen des Himmels ehrlos macht; wäre man
auch mit allen Orden Europens bebändert!

Heilige Dreinigkeit! Hier bin ich, der dir vor Jahren ge-
weihete Täufling! Die Hölle durfte mich damals aus Ehrfurcht
nicht anblicken: wie unglücklich, wenn ich jetzt mit ihr in Verbin-
dung stände! Ich versprach, abzusagen dem Teufel und allen sei-
nen Werken und allen seinen Wesen, folglich auch meinen lieb-
sten Sünden, und allen Modelastern: Aber -- ich zittre, wenn
ich an die tausend meiner bösen Handlungen, und an die Millio-
nen meiner unterlaßnen Tugenden zurück denke! So schrecklich
dieses Gebürge wider mich da stehet, eben so schrecklich sehe ich auf
der andern Seite deine Wohlthaten, mein Gott! himmelan auf-
gethürmt! O! bedecket mich, ihr Berge! Und ihr Hügel fallet
über mich! -- Jedoch, welche unaussprechliche Liebe! mein so
oft verschmäheter Erlöser ergreift mich, und richtet mich aus mei-
nem Elend auf! Noch spricht er: du bist mein! Erneure dein
Versprechen und halt es: so ist keine Hölle für dich! -- Ach
Herr Jesu! ich bleibe fest bei dir. Dieser feierliche Abend sey
eine Erneuerung unsers Bundes. Nur dir will ich leben und
sterben! Amen.

Der

Der 20te Februar.
bei zunehmenden Jahren ſehr bald erfuhr, daß es mir hoͤchſt [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
theilhaft ſey! Keine Entſchuldigung waͤre abgeſchmackter, [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
wenn ich mich auf meine damalige Minderjaͤhrigkeit berufen, [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
alle Schuld auf meine Vormuͤnder, welche im Verſprechen [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
weit gegangen waͤren, ſchieben wolte. Was bedarf es die [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
nichtigen Ausflucht, da ich freilich die Macht behalte, taͤgli[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
den ganzen Vertrag mit dir, o Gott! aufzuheben.

Aufzuheben? Ich Armer! was bliebe mir dann fuͤr e[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
Vorzug uͤbrig, wenn ich aufhoͤrte ein Chriſt zu ſeyn! Und wa[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
waͤre ichs gebeſſert, und was fuͤr Belohnung, wenn ich nur mi[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
leben und dienen wolte! Gab es je einen unverloͤſchlichen Charak[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
ter, ſo iſt es die heilige Taufe. Auf Jeſu Namen getauft ſeyn,[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
und doch als ein Heide leben: das iſt ein Brandmal an der Stir-
ne, welches in den Augen des Himmels ehrlos macht; waͤre man
auch mit allen Orden Europens bebaͤndert!

Heilige Dreinigkeit! Hier bin ich, der dir vor Jahren ge-
weihete Taͤufling! Die Hoͤlle durfte mich damals aus Ehrfurcht
nicht anblicken: wie ungluͤcklich, wenn ich jetzt mit ihr in Verbin-
dung ſtaͤnde! Ich verſprach, abzuſagen dem Teufel und allen ſei-
nen Werken und allen ſeinen Weſen, folglich auch meinen lieb-
ſten Suͤnden, und allen Modelaſtern: Aber — ich zittre, wenn
ich an die tauſend meiner boͤſen Handlungen, und an die Millio-
nen meiner unterlaßnen Tugenden zuruͤck denke! So ſchrecklich
dieſes Gebuͤrge wider mich da ſtehet, eben ſo ſchrecklich ſehe ich auf
der andern Seite deine Wohlthaten, mein Gott! himmelan auf-
gethuͤrmt! O! bedecket mich, ihr Berge! Und ihr Huͤgel fallet
uͤber mich! — Jedoch, welche unausſprechliche Liebe! mein ſo
oft verſchmaͤheter Erloͤſer ergreift mich, und richtet mich aus mei-
nem Elend auf! Noch ſpricht er: du biſt mein! Erneure dein
Verſprechen und halt es: ſo iſt keine Hoͤlle fuͤr dich! — Ach
Herr Jeſu! ich bleibe feſt bei dir. Dieſer feierliche Abend ſey
eine Erneuerung unſers Bundes. Nur dir will ich leben und
ſterben! Amen.

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0143" n="106[136]"/><fw place="top" type="header">Der 20<hi rendition="#sup">te</hi> Februar.</fw><lb/>
bei zunehmenden Jahren &#x017F;ehr bald erfuhr, daß es mir ho&#x0364;ch&#x017F;t <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
theilhaft &#x017F;ey! Keine Ent&#x017F;chuldigung wa&#x0364;re abge&#x017F;chmackter, <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
wenn ich mich auf meine damalige Minderja&#x0364;hrigkeit berufen, <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
alle Schuld auf meine Vormu&#x0364;nder, welche im Ver&#x017F;prechen <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
weit gegangen wa&#x0364;ren, &#x017F;chieben wolte. Was bedarf es die <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
nichtigen Ausflucht, da ich freilich die Macht behalte, ta&#x0364;gli<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
den ganzen Vertrag mit dir, o Gott! aufzuheben.</p><lb/>
            <p>Aufzuheben? Ich Armer! was bliebe mir dann fu&#x0364;r e<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
Vorzug u&#x0364;brig, wenn ich aufho&#x0364;rte ein Chri&#x017F;t zu &#x017F;eyn! Und wa<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
wa&#x0364;re ichs gebe&#x017F;&#x017F;ert, und was fu&#x0364;r Belohnung, wenn ich nur mi<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
leben und dienen wolte! Gab es je einen unverlo&#x0364;&#x017F;chlichen Charak<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
ter, &#x017F;o i&#x017F;t es die heilige Taufe. Auf Je&#x017F;u Namen getauft &#x017F;eyn,<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
und doch als ein Heide leben: das i&#x017F;t ein Brandmal an der Stir-<lb/>
ne, welches in den Augen des Himmels ehrlos macht; wa&#x0364;re man<lb/>
auch mit allen Orden Europens beba&#x0364;ndert!</p><lb/>
            <p>Heilige Dreinigkeit! Hier bin ich, der dir vor Jahren ge-<lb/>
weihete Ta&#x0364;ufling! Die Ho&#x0364;lle durfte mich damals aus Ehrfurcht<lb/>
nicht anblicken: wie unglu&#x0364;cklich, wenn ich jetzt mit ihr in Verbin-<lb/>
dung &#x017F;ta&#x0364;nde! Ich ver&#x017F;prach, abzu&#x017F;agen dem Teufel und allen &#x017F;ei-<lb/>
nen Werken und allen &#x017F;einen We&#x017F;en, folglich auch meinen lieb-<lb/>
&#x017F;ten Su&#x0364;nden, und allen Modela&#x017F;tern: Aber &#x2014; ich zittre, wenn<lb/>
ich an die tau&#x017F;end meiner bo&#x0364;&#x017F;en Handlungen, und an die Millio-<lb/>
nen meiner unterlaßnen Tugenden zuru&#x0364;ck denke! So &#x017F;chrecklich<lb/>
die&#x017F;es Gebu&#x0364;rge wider mich da &#x017F;tehet, eben &#x017F;o &#x017F;chrecklich &#x017F;ehe ich auf<lb/>
der andern Seite deine Wohlthaten, mein Gott! himmelan auf-<lb/>
gethu&#x0364;rmt! O! bedecket mich, ihr Berge! Und ihr Hu&#x0364;gel fallet<lb/>
u&#x0364;ber mich! &#x2014; Jedoch, welche unaus&#x017F;prechliche Liebe! mein &#x017F;o<lb/>
oft ver&#x017F;chma&#x0364;heter Erlo&#x0364;&#x017F;er ergreift mich, und richtet mich aus mei-<lb/>
nem Elend auf! Noch &#x017F;pricht er: du bi&#x017F;t mein! Erneure dein<lb/>
Ver&#x017F;prechen und halt es: &#x017F;o i&#x017F;t keine Ho&#x0364;lle fu&#x0364;r dich! &#x2014; Ach<lb/>
Herr Je&#x017F;u! ich bleibe fe&#x017F;t bei dir. Die&#x017F;er feierliche Abend &#x017F;ey<lb/>
eine Erneuerung un&#x017F;ers Bundes. Nur dir will ich leben und<lb/>
&#x017F;terben! Amen.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106[136]/0143] Der 20te Februar. bei zunehmenden Jahren ſehr bald erfuhr, daß es mir hoͤchſt _ theilhaft ſey! Keine Entſchuldigung waͤre abgeſchmackter, _ wenn ich mich auf meine damalige Minderjaͤhrigkeit berufen, _ alle Schuld auf meine Vormuͤnder, welche im Verſprechen _ weit gegangen waͤren, ſchieben wolte. Was bedarf es die _ nichtigen Ausflucht, da ich freilich die Macht behalte, taͤgli_ den ganzen Vertrag mit dir, o Gott! aufzuheben. Aufzuheben? Ich Armer! was bliebe mir dann fuͤr e_ Vorzug uͤbrig, wenn ich aufhoͤrte ein Chriſt zu ſeyn! Und wa_ waͤre ichs gebeſſert, und was fuͤr Belohnung, wenn ich nur mi_ leben und dienen wolte! Gab es je einen unverloͤſchlichen Charak_ ter, ſo iſt es die heilige Taufe. Auf Jeſu Namen getauft ſeyn,_ und doch als ein Heide leben: das iſt ein Brandmal an der Stir- ne, welches in den Augen des Himmels ehrlos macht; waͤre man auch mit allen Orden Europens bebaͤndert! Heilige Dreinigkeit! Hier bin ich, der dir vor Jahren ge- weihete Taͤufling! Die Hoͤlle durfte mich damals aus Ehrfurcht nicht anblicken: wie ungluͤcklich, wenn ich jetzt mit ihr in Verbin- dung ſtaͤnde! Ich verſprach, abzuſagen dem Teufel und allen ſei- nen Werken und allen ſeinen Weſen, folglich auch meinen lieb- ſten Suͤnden, und allen Modelaſtern: Aber — ich zittre, wenn ich an die tauſend meiner boͤſen Handlungen, und an die Millio- nen meiner unterlaßnen Tugenden zuruͤck denke! So ſchrecklich dieſes Gebuͤrge wider mich da ſtehet, eben ſo ſchrecklich ſehe ich auf der andern Seite deine Wohlthaten, mein Gott! himmelan auf- gethuͤrmt! O! bedecket mich, ihr Berge! Und ihr Huͤgel fallet uͤber mich! — Jedoch, welche unausſprechliche Liebe! mein ſo oft verſchmaͤheter Erloͤſer ergreift mich, und richtet mich aus mei- nem Elend auf! Noch ſpricht er: du biſt mein! Erneure dein Verſprechen und halt es: ſo iſt keine Hoͤlle fuͤr dich! — Ach Herr Jeſu! ich bleibe feſt bei dir. Dieſer feierliche Abend ſey eine Erneuerung unſers Bundes. Nur dir will ich leben und ſterben! Amen. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/143
Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 106[136]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/143>, abgerufen am 12.06.2024.