Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Thaler. -- Ich war erfreut, aber auch erschrocken; denn ich begriff nicht, woher du die Summe nehmen wolltest. Indessen wurde ich von dieser Angst bald befreit, da eine andere hübsche Dame gleich zweitausend bot. Nun entstand unter den reichen und vornehmen Weibern ein Wettstreit und Eifer, mich zu besitzen. Die Gebote folgten immer schneller, bald war ich auf zehn und nicht lange nachher auf zwanzigtausend gestiegen. Mit jedem Tausend erhob ich mich mehr, stand stolz und gerade und ging dann mit großen Schritten hinter dem Tische und meinem Auctionator auf und ab, der es nun nicht mehr wagte, mich zur Ruhe zu verweisen. Verachtende Blicke schoß ich nun auf jene Bekannten, die vorher von Lump und Taugenichts gemurmelt hatten. Alle sahen jetzt mit Verehrung nach mir hin, besonders weil der enthusiastische Wettstreit der Damen zunahm, statt sich zu mäßigen. Eine alte häßliche Frau schien es darauf angelegt zu haben, mich nicht zu lassen; ihre rothe Nase wurde immer glühender, und sie war es, die mich nun schon bis hunderttausend Thaler hinaufgetrieben hatte. Es herrschte eine Todtenstille, eine feierliche Stimme ließ sich vernehmen: So hoch ist in unserm Jahrhundert noch niemals ein Mann geschätzt worden! Ich sehe jetzt ein, daß er für mich zu kostbar ist. Als ich mich umsah, wurde ich gewahr, daß dieses Urtheil von meinem Gesandten herrührte. Ich begrüßte ihn mit einer gnädigen Miene. Um es kurz zu machen, mein Werth

Thaler. — Ich war erfreut, aber auch erschrocken; denn ich begriff nicht, woher du die Summe nehmen wolltest. Indessen wurde ich von dieser Angst bald befreit, da eine andere hübsche Dame gleich zweitausend bot. Nun entstand unter den reichen und vornehmen Weibern ein Wettstreit und Eifer, mich zu besitzen. Die Gebote folgten immer schneller, bald war ich auf zehn und nicht lange nachher auf zwanzigtausend gestiegen. Mit jedem Tausend erhob ich mich mehr, stand stolz und gerade und ging dann mit großen Schritten hinter dem Tische und meinem Auctionator auf und ab, der es nun nicht mehr wagte, mich zur Ruhe zu verweisen. Verachtende Blicke schoß ich nun auf jene Bekannten, die vorher von Lump und Taugenichts gemurmelt hatten. Alle sahen jetzt mit Verehrung nach mir hin, besonders weil der enthusiastische Wettstreit der Damen zunahm, statt sich zu mäßigen. Eine alte häßliche Frau schien es darauf angelegt zu haben, mich nicht zu lassen; ihre rothe Nase wurde immer glühender, und sie war es, die mich nun schon bis hunderttausend Thaler hinaufgetrieben hatte. Es herrschte eine Todtenstille, eine feierliche Stimme ließ sich vernehmen: So hoch ist in unserm Jahrhundert noch niemals ein Mann geschätzt worden! Ich sehe jetzt ein, daß er für mich zu kostbar ist. Als ich mich umsah, wurde ich gewahr, daß dieses Urtheil von meinem Gesandten herrührte. Ich begrüßte ihn mit einer gnädigen Miene. Um es kurz zu machen, mein Werth

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <p><pb facs="#f0051"/>
Thaler. &#x2014; Ich war erfreut, aber auch erschrocken; denn             ich begriff nicht, woher du die Summe nehmen wolltest. Indessen wurde ich von dieser             Angst bald befreit, da eine andere hübsche Dame gleich zweitausend bot. Nun entstand             unter den reichen und vornehmen Weibern ein Wettstreit und Eifer, mich zu besitzen. Die             Gebote folgten immer schneller, bald war ich auf zehn und nicht lange nachher auf             zwanzigtausend gestiegen. Mit jedem Tausend erhob ich mich mehr, stand stolz und gerade             und ging dann mit großen Schritten hinter dem Tische und meinem Auctionator auf und ab,             der es nun nicht mehr wagte, mich zur Ruhe zu verweisen. Verachtende Blicke schoß ich             nun auf jene Bekannten, die vorher von Lump und Taugenichts gemurmelt hatten. Alle sahen             jetzt mit Verehrung nach mir hin, besonders weil der enthusiastische Wettstreit der             Damen zunahm, statt sich zu mäßigen. Eine alte häßliche Frau schien es darauf angelegt             zu haben, mich nicht zu lassen; ihre rothe Nase wurde immer glühender, und sie war es,             die mich nun schon bis hunderttausend Thaler hinaufgetrieben hatte. Es herrschte eine             Todtenstille, eine feierliche Stimme ließ sich vernehmen: So hoch ist in unserm             Jahrhundert noch niemals ein Mann geschätzt worden! Ich sehe jetzt ein, daß er für mich             zu kostbar ist. Als ich mich umsah, wurde ich gewahr, daß dieses Urtheil von meinem             Gesandten herrührte. Ich begrüßte ihn mit einer gnädigen Miene. Um es kurz zu machen,             mein Werth<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0051] Thaler. — Ich war erfreut, aber auch erschrocken; denn ich begriff nicht, woher du die Summe nehmen wolltest. Indessen wurde ich von dieser Angst bald befreit, da eine andere hübsche Dame gleich zweitausend bot. Nun entstand unter den reichen und vornehmen Weibern ein Wettstreit und Eifer, mich zu besitzen. Die Gebote folgten immer schneller, bald war ich auf zehn und nicht lange nachher auf zwanzigtausend gestiegen. Mit jedem Tausend erhob ich mich mehr, stand stolz und gerade und ging dann mit großen Schritten hinter dem Tische und meinem Auctionator auf und ab, der es nun nicht mehr wagte, mich zur Ruhe zu verweisen. Verachtende Blicke schoß ich nun auf jene Bekannten, die vorher von Lump und Taugenichts gemurmelt hatten. Alle sahen jetzt mit Verehrung nach mir hin, besonders weil der enthusiastische Wettstreit der Damen zunahm, statt sich zu mäßigen. Eine alte häßliche Frau schien es darauf angelegt zu haben, mich nicht zu lassen; ihre rothe Nase wurde immer glühender, und sie war es, die mich nun schon bis hunderttausend Thaler hinaufgetrieben hatte. Es herrschte eine Todtenstille, eine feierliche Stimme ließ sich vernehmen: So hoch ist in unserm Jahrhundert noch niemals ein Mann geschätzt worden! Ich sehe jetzt ein, daß er für mich zu kostbar ist. Als ich mich umsah, wurde ich gewahr, daß dieses Urtheil von meinem Gesandten herrührte. Ich begrüßte ihn mit einer gnädigen Miene. Um es kurz zu machen, mein Werth

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:30:27Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:30:27Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/51
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/51>, abgerufen am 23.11.2024.