in Euren Übertreibungen, in Eurer erzwun¬ genen Einseitigkeit, und glaubt, daß es keinen Enthusiasmus ohne Verfolgungsgeist geben könne. Sternbald wird gewiß auch in Rom und Florenz seinem Dürer getreu bleiben, und er wird gewiß Angelo's Erha¬ benheit und Rafael's reizende Schöne mit gleicher Liebe umfassen.
Und das soll er, das muß er! rief Ru¬ dolf hier mit einem Ungestüm aus, den man sonst nicht an ihm sah. Ihr, mein ungestümer Bruder Augustin, oder wie Ihr Euch nennt, habt wenig Ehre davon, daß Ihr solche Gesinnungen und Redensarten aus dem lieblichen Italien mit Euch bringt; nach Norden, nach den Eisländern hättet Ihr reisen müssen. Ihr sprecht von deut¬ scher Barbarei, und fühlt nicht, daß Ihr selbst der größte Barbar seyd. Was habt Ihr in Italien gemacht, und wo hat Euch
in Euren Übertreibungen, in Eurer erzwun¬ genen Einſeitigkeit, und glaubt, daß es keinen Enthuſiasmus ohne Verfolgungsgeiſt geben könne. Sternbald wird gewiß auch in Rom und Florenz ſeinem Dürer getreu bleiben, und er wird gewiß Angelo's Erha¬ benheit und Rafael's reizende Schöne mit gleicher Liebe umfaſſen.
Und das ſoll er, das muß er! rief Ru¬ dolf hier mit einem Ungeſtüm aus, den man ſonſt nicht an ihm ſah. Ihr, mein ungeſtümer Bruder Auguſtin, oder wie Ihr Euch nennt, habt wenig Ehre davon, daß Ihr ſolche Geſinnungen und Redensarten aus dem lieblichen Italien mit Euch bringt; nach Norden, nach den Eisländern hättet Ihr reiſen müſſen. Ihr ſprecht von deut¬ ſcher Barbarei, und fühlt nicht, daß Ihr ſelbſt der größte Barbar ſeyd. Was habt Ihr in Italien gemacht, und wo hat Euch
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in Euren Übertreibungen, in Eurer erzwun¬
genen Einſeitigkeit, und glaubt, daß es
keinen Enthuſiasmus ohne Verfolgungsgeiſt
geben könne. Sternbald wird gewiß auch
in Rom und Florenz ſeinem Dürer getreu
bleiben, und er wird gewiß Angelo's Erha¬
benheit und Rafael's reizende Schöne mit
gleicher Liebe umfaſſen.
Und das ſoll er, das muß er! rief Ru¬
dolf hier mit einem Ungeſtüm aus, den
man ſonſt nicht an ihm ſah. Ihr, mein
ungeſtümer Bruder Auguſtin, oder wie Ihr
Euch nennt, habt wenig Ehre davon, daß
Ihr ſolche Geſinnungen und Redensarten
aus dem lieblichen Italien mit Euch bringt;
nach Norden, nach den Eisländern hättet
Ihr reiſen müſſen. Ihr ſprecht von deut¬
ſcher Barbarei, und fühlt nicht, daß Ihr
ſelbſt der größte Barbar ſeyd. Was habt
Ihr in Italien gemacht, und wo hat Euch
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/44>, abgerufen am 23.11.2024.
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