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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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rotti daran gedacht hat, Euch zu entzücken,
als er sein mächtiges Werk entwarf? O,
Ihr Kurzsichtigen, die Ihr das Meer in
Bechern erschöpfen wollt, die Ihr dem Stro¬
me der Herrlichkeit seine Ufer macht, welcher
unselige Geist ist über Euch gekommen, daß
Ihr also verwegen seyn dürft? Ihr glaubt
die Kunst zu ergründen, und ergründet nur
Eure Engherzigkeit, nach dieser soll sich der
Geist Gottes richten, der jene erhabene
Ebenbilder des Schöpfers beseelt. Ihr lä¬
stert die Kunst, wenn Ihr sie erhebt, sie ist
nur ein Spiel Eurer nichtigen Eitelkeit. Wie
der Allmächtige den Sünder duldet, so er¬
laubt auch Angelo's Größe, seine unsterbli¬
chen Werke, seine Riesengestalten dulden es,
daß Ihr so von ihnen sprechen dürft, und
beides ist wunderbar.

Er verließ im Zorne den Saal, und
alle erhuben ein lautes Lachen. Was er

rotti daran gedacht hat, Euch zu entzücken,
als er ſein mächtiges Werk entwarf? O,
Ihr Kurzſichtigen, die Ihr das Meer in
Bechern erſchöpfen wollt, die Ihr dem Stro¬
me der Herrlichkeit ſeine Ufer macht, welcher
unſelige Geiſt iſt über Euch gekommen, daß
Ihr alſo verwegen ſeyn dürft? Ihr glaubt
die Kunſt zu ergründen, und ergründet nur
Eure Engherzigkeit, nach dieſer ſoll ſich der
Geiſt Gottes richten, der jene erhabene
Ebenbilder des Schöpfers beſeelt. Ihr lä¬
ſtert die Kunſt, wenn Ihr ſie erhebt, ſie iſt
nur ein Spiel Eurer nichtigen Eitelkeit. Wie
der Allmächtige den Sünder duldet, ſo er¬
laubt auch Angelo's Größe, ſeine unſterbli¬
chen Werke, ſeine Rieſengeſtalten dulden es,
daß Ihr ſo von ihnen ſprechen dürft, und
beides iſt wunderbar.

Er verließ im Zorne den Saal, und
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[398/0406] rotti daran gedacht hat, Euch zu entzücken, als er ſein mächtiges Werk entwarf? O, Ihr Kurzſichtigen, die Ihr das Meer in Bechern erſchöpfen wollt, die Ihr dem Stro¬ me der Herrlichkeit ſeine Ufer macht, welcher unſelige Geiſt iſt über Euch gekommen, daß Ihr alſo verwegen ſeyn dürft? Ihr glaubt die Kunſt zu ergründen, und ergründet nur Eure Engherzigkeit, nach dieſer ſoll ſich der Geiſt Gottes richten, der jene erhabene Ebenbilder des Schöpfers beſeelt. Ihr lä¬ ſtert die Kunſt, wenn Ihr ſie erhebt, ſie iſt nur ein Spiel Eurer nichtigen Eitelkeit. Wie der Allmächtige den Sünder duldet, ſo er¬ laubt auch Angelo's Größe, ſeine unſterbli¬ chen Werke, ſeine Rieſengeſtalten dulden es, daß Ihr ſo von ihnen ſprechen dürft, und beides iſt wunderbar. Er verließ im Zorne den Saal, und alle erhuben ein lautes Lachen. Was er

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/406>, abgerufen am 20.04.2024.