Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Ihr Stolz macht einen wunderlichen Con¬
trast mit ihrem übrigen Verhältniß im Le¬
ben, ihre poetischen Begeisterungen tragen
sie nur zu oft in alle Stunden über, auch
unterlassen sie es selten, die Gemeinheit ih¬
res Lebens in ihre Kunstbeschäftigungen hin¬
einzunehmen Sie sind schmeichelnde Skla¬
ven gegen die Großen, und doch verachten
sie alles in ihrem Stolze, was nicht Künst¬
ler ist. Aus allen diesen Mißhelligkeiten
entstehen gewöhnlich Charaktere, die lustig
genug in's Auge fallen.

Franz sagte beschämt: Ihr seyd ein sehr
strenger Ritter, Herr Ritter.

Ludoviko fuhr fort: Ich habe noch we¬
nige Künstler gesehen, bei denen man es
nicht in den ersten Augenblicken bemerkt hät¬
te, daß man mit keinen gewöhnlichen Men¬
schen zu thun habe. Fast alle sind unnöthig
verschlossen und zudringlich offenherzig. Ich

Ihr Stolz macht einen wunderlichen Con¬
traſt mit ihrem übrigen Verhältniß im Le¬
ben, ihre poetiſchen Begeiſterungen tragen
ſie nur zu oft in alle Stunden über, auch
unterlaſſen ſie es ſelten, die Gemeinheit ih¬
res Lebens in ihre Kunſtbeſchäftigungen hin¬
einzunehmen Sie ſind ſchmeichelnde Skla¬
ven gegen die Großen, und doch verachten
ſie alles in ihrem Stolze, was nicht Künſt¬
ler iſt. Aus allen dieſen Mißhelligkeiten
entſtehen gewöhnlich Charaktere, die luſtig
genug in's Auge fallen.

Franz ſagte beſchämt: Ihr ſeyd ein ſehr
ſtrenger Ritter, Herr Ritter.

Ludoviko fuhr fort: Ich habe noch we¬
nige Künſtler geſehen, bei denen man es
nicht in den erſten Augenblicken bemerkt hät¬
te, daß man mit keinen gewöhnlichen Men¬
ſchen zu thun habe. Faſt alle ſind unnöthig
verſchloſſen und zudringlich offenherzig. Ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0244" n="236"/>
Ihr Stolz macht einen wunderlichen Con¬<lb/>
tra&#x017F;t mit ihrem übrigen Verhältniß im Le¬<lb/>
ben, ihre poeti&#x017F;chen Begei&#x017F;terungen tragen<lb/>
&#x017F;ie nur zu oft in alle Stunden über, auch<lb/>
unterla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie es &#x017F;elten, die Gemeinheit ih¬<lb/>
res Lebens in ihre Kun&#x017F;tbe&#x017F;chäftigungen hin¬<lb/>
einzunehmen Sie &#x017F;ind &#x017F;chmeichelnde Skla¬<lb/>
ven gegen die Großen, und doch verachten<lb/>
&#x017F;ie alles in ihrem Stolze, was nicht Kün&#x017F;<lb/>
ler i&#x017F;t. Aus allen die&#x017F;en Mißhelligkeiten<lb/>
ent&#x017F;tehen gewöhnlich Charaktere, die lu&#x017F;tig<lb/>
genug in's Auge fallen.</p><lb/>
          <p>Franz &#x017F;agte be&#x017F;chämt: Ihr &#x017F;eyd ein &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;trenger Ritter, Herr Ritter.<lb/></p>
          <p>Ludoviko fuhr fort: Ich habe noch we¬<lb/>
nige Kün&#x017F;tler ge&#x017F;ehen, bei denen man es<lb/>
nicht in den er&#x017F;ten Augenblicken bemerkt hät¬<lb/>
te, daß man mit keinen gewöhnlichen Men¬<lb/>
&#x017F;chen zu thun habe. Fa&#x017F;t alle &#x017F;ind unnöthig<lb/>
ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und zudringlich offenherzig. Ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0244] Ihr Stolz macht einen wunderlichen Con¬ traſt mit ihrem übrigen Verhältniß im Le¬ ben, ihre poetiſchen Begeiſterungen tragen ſie nur zu oft in alle Stunden über, auch unterlaſſen ſie es ſelten, die Gemeinheit ih¬ res Lebens in ihre Kunſtbeſchäftigungen hin¬ einzunehmen Sie ſind ſchmeichelnde Skla¬ ven gegen die Großen, und doch verachten ſie alles in ihrem Stolze, was nicht Künſt¬ ler iſt. Aus allen dieſen Mißhelligkeiten entſtehen gewöhnlich Charaktere, die luſtig genug in's Auge fallen. Franz ſagte beſchämt: Ihr ſeyd ein ſehr ſtrenger Ritter, Herr Ritter. Ludoviko fuhr fort: Ich habe noch we¬ nige Künſtler geſehen, bei denen man es nicht in den erſten Augenblicken bemerkt hät¬ te, daß man mit keinen gewöhnlichen Men¬ ſchen zu thun habe. Faſt alle ſind unnöthig verſchloſſen und zudringlich offenherzig. Ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/244
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/244>, abgerufen am 24.04.2024.