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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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bist Du nun so mühsam, mit so mancher Ge¬
fahr, so weit gereis't, um dies Theilchen
Erde zu sehn, das Sage und Geschichte Dir
nun so lange nennt? Ist denn die übrige
Erde jünger? Darfst Du Dich in Deiner
Heimath nicht verwundern? Sieh die ewi¬
gen Felsen dort an, den Aetna in Sicilien,
den alten Schlund des Charybdis. Und mußt
Du Dich verwundern, um glücklich zu seyn?
-- Ich sagte dann zu mir selber: Thor!
Thor! und wahrlich, ich verachtete in eben
dem Augenblicke den Menschen, der diese
Thorheit nicht mit mir hätte begehn können.

Unter mancherlei Erzählungen verstrich
auch dieser Tag, der Einsiedel sagte oft:
Ich begreife nicht, wie ich in Eurer Gesell¬
schaft bin, ich bin wohl und sogar lustig,
ja meine Lebensweise ist mir weniger ange¬
nehm, als bisher. Ihr steckt uns alle mit
der Reisesucht an; ich glaubte über alle

biſt Du nun ſo mühſam, mit ſo mancher Ge¬
fahr, ſo weit gereiſ't, um dies Theilchen
Erde zu ſehn, das Sage und Geſchichte Dir
nun ſo lange nennt? Iſt denn die übrige
Erde jünger? Darfſt Du Dich in Deiner
Heimath nicht verwundern? Sieh die ewi¬
gen Felſen dort an, den Aetna in Sicilien,
den alten Schlund des Charybdis. Und mußt
Du Dich verwundern, um glücklich zu ſeyn?
— Ich ſagte dann zu mir ſelber: Thor!
Thor! und wahrlich, ich verachtete in eben
dem Augenblicke den Menſchen, der dieſe
Thorheit nicht mit mir hätte begehn können.

Unter mancherlei Erzählungen verſtrich
auch dieſer Tag, der Einſiedel ſagte oft:
Ich begreife nicht, wie ich in Eurer Geſell¬
ſchaft bin, ich bin wohl und ſogar luſtig,
ja meine Lebensweiſe iſt mir weniger ange¬
nehm, als bisher. Ihr ſteckt uns alle mit
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[234/0242] biſt Du nun ſo mühſam, mit ſo mancher Ge¬ fahr, ſo weit gereiſ't, um dies Theilchen Erde zu ſehn, das Sage und Geſchichte Dir nun ſo lange nennt? Iſt denn die übrige Erde jünger? Darfſt Du Dich in Deiner Heimath nicht verwundern? Sieh die ewi¬ gen Felſen dort an, den Aetna in Sicilien, den alten Schlund des Charybdis. Und mußt Du Dich verwundern, um glücklich zu ſeyn? — Ich ſagte dann zu mir ſelber: Thor! Thor! und wahrlich, ich verachtete in eben dem Augenblicke den Menſchen, der dieſe Thorheit nicht mit mir hätte begehn können. Unter mancherlei Erzählungen verſtrich auch dieſer Tag, der Einſiedel ſagte oft: Ich begreife nicht, wie ich in Eurer Geſell¬ ſchaft bin, ich bin wohl und ſogar luſtig, ja meine Lebensweiſe iſt mir weniger ange¬ nehm, als bisher. Ihr ſteckt uns alle mit der Reiſeſucht an; ich glaubte über alle

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/242>, abgerufen am 28.03.2024.