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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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gen, von Ruinen in fremder, schauerlicher,
halbverständlicher Sprache angeredet zu wer¬
den, Sphinxe im Sande, die hohen Pyrami¬
den, Memnons wundersame Bildsäule, und
immer das Gefühl der alten Geschichten mit
sich herumzutragen, noch einzelne lebende
Laute aus der längst entflohenen Heldenzeit,
zu vernehmen, über's Meer nach Griechen¬
land hinüberzublicken, zu träumen, wie die
Vorwelt aus dem Staube sich wieder empor¬
gearbeitet, wie wieder griechische Flotten lan¬
den, -- o, alles das in unbegreiflicher Ge¬
genwart nun vor sich zu haben, könnt Ihr
gegen Euer Glück wirklich so undankbar
seyn? --

Ich bin es nicht, sagte Ludoviko, und
mir sind diese Empfindungen auch oft auf
den Bergen, an der Seeküste durch die
Brust gegangen. Oft faßte ich aber auch
eine Handvoll Sand, und dachte: Warum

gen, von Ruinen in fremder, ſchauerlicher,
halbverſtändlicher Sprache angeredet zu wer¬
den, Sphinxe im Sande, die hohen Pyrami¬
den, Memnons wunderſame Bildſäule, und
immer das Gefühl der alten Geſchichten mit
ſich herumzutragen, noch einzelne lebende
Laute aus der längſt entflohenen Heldenzeit,
zu vernehmen, über's Meer nach Griechen¬
land hinüberzublicken, zu träumen, wie die
Vorwelt aus dem Staube ſich wieder empor¬
gearbeitet, wie wieder griechiſche Flotten lan¬
den, — o, alles das in unbegreiflicher Ge¬
genwart nun vor ſich zu haben, könnt Ihr
gegen Euer Glück wirklich ſo undankbar
ſeyn? —

Ich bin es nicht, ſagte Ludoviko, und
mir ſind dieſe Empfindungen auch oft auf
den Bergen, an der Seeküſte durch die
Bruſt gegangen. Oft faßte ich aber auch
eine Handvoll Sand, und dachte: Warum

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[233/0241] gen, von Ruinen in fremder, ſchauerlicher, halbverſtändlicher Sprache angeredet zu wer¬ den, Sphinxe im Sande, die hohen Pyrami¬ den, Memnons wunderſame Bildſäule, und immer das Gefühl der alten Geſchichten mit ſich herumzutragen, noch einzelne lebende Laute aus der längſt entflohenen Heldenzeit, zu vernehmen, über's Meer nach Griechen¬ land hinüberzublicken, zu träumen, wie die Vorwelt aus dem Staube ſich wieder empor¬ gearbeitet, wie wieder griechiſche Flotten lan¬ den, — o, alles das in unbegreiflicher Ge¬ genwart nun vor ſich zu haben, könnt Ihr gegen Euer Glück wirklich ſo undankbar ſeyn? — Ich bin es nicht, ſagte Ludoviko, und mir ſind dieſe Empfindungen auch oft auf den Bergen, an der Seeküſte durch die Bruſt gegangen. Oft faßte ich aber auch eine Handvoll Sand, und dachte: Warum

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/241>, abgerufen am 26.04.2024.