Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Emma bei ihrem Abschiede geweint, wie sie
gewünscht, ihn wiederzusehn. Rudolf blieb
bei dieser Erzählung nachdenklich, er war
weniger fröhlich und leichtsinnig, als man
ihn sonst sah, er schien Erinnerungen zu be¬
kämpfen, die ihn beinahe schwermüthig
machten.

Kein Mensch, rief er endlich aus, kann
seine frohe Laune verbürgen, es kommen
Augenblicke und Empfindungen, die ihn wie
in einem Kerker verschließen, und ihn nicht
wieder frei geben wollen. Ich denke eben
daran, wie ohne Noth und ohne Zweck ich
mich hier herumtreibe, und indessen das ver¬
nachlässige, was doch das einzige Glück in
der Welt ist. Wahrlich, ich könnte in man¬
chen Augenblicken so schwermüthig seyn, daß
ich weinte, oder tiefsinnige Elegien nieder¬
schriebe, daß ich auf meinen Instrumenten
Töne hervorsuchte, die in Steine und Felsen

Emma bei ihrem Abſchiede geweint, wie ſie
gewünſcht, ihn wiederzuſehn. Rudolf blieb
bei dieſer Erzählung nachdenklich, er war
weniger fröhlich und leichtſinnig, als man
ihn ſonſt ſah, er ſchien Erinnerungen zu be¬
kämpfen, die ihn beinahe ſchwermüthig
machten.

Kein Menſch, rief er endlich aus, kann
ſeine frohe Laune verbürgen, es kommen
Augenblicke und Empfindungen, die ihn wie
in einem Kerker verſchließen, und ihn nicht
wieder frei geben wollen. Ich denke eben
daran, wie ohne Noth und ohne Zweck ich
mich hier herumtreibe, und indeſſen das ver¬
nachläſſige, was doch das einzige Glück in
der Welt iſt. Wahrlich, ich könnte in man¬
chen Augenblicken ſo ſchwermüthig ſeyn, daß
ich weinte, oder tiefſinnige Elegien nieder¬
ſchriebe, daß ich auf meinen Inſtrumenten
Töne hervorſuchte, die in Steine und Felſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0177" n="169"/>
Emma bei ihrem Ab&#x017F;chiede geweint, wie &#x017F;ie<lb/>
gewün&#x017F;cht, ihn wiederzu&#x017F;ehn. Rudolf blieb<lb/>
bei die&#x017F;er Erzählung nachdenklich, er war<lb/>
weniger fröhlich und leicht&#x017F;innig, als man<lb/>
ihn &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ah, er &#x017F;chien Erinnerungen zu be¬<lb/>
kämpfen, die ihn beinahe &#x017F;chwermüthig<lb/>
machten.</p><lb/>
          <p>Kein Men&#x017F;ch, rief er endlich aus, kann<lb/>
&#x017F;eine frohe Laune verbürgen, es kommen<lb/>
Augenblicke und Empfindungen, die ihn wie<lb/>
in einem Kerker ver&#x017F;chließen, und ihn nicht<lb/>
wieder frei geben wollen. Ich denke eben<lb/>
daran, wie ohne Noth und ohne Zweck ich<lb/>
mich hier herumtreibe, und inde&#x017F;&#x017F;en das ver¬<lb/>
nachlä&#x017F;&#x017F;ige, was doch das einzige Glück in<lb/>
der Welt i&#x017F;t. Wahrlich, ich könnte in man¬<lb/>
chen Augenblicken &#x017F;o &#x017F;chwermüthig &#x017F;eyn, daß<lb/>
ich weinte, oder tief&#x017F;innige Elegien nieder¬<lb/>
&#x017F;chriebe, daß ich auf meinen In&#x017F;trumenten<lb/>
Töne hervor&#x017F;uchte, die in Steine und Fel&#x017F;en<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0177] Emma bei ihrem Abſchiede geweint, wie ſie gewünſcht, ihn wiederzuſehn. Rudolf blieb bei dieſer Erzählung nachdenklich, er war weniger fröhlich und leichtſinnig, als man ihn ſonſt ſah, er ſchien Erinnerungen zu be¬ kämpfen, die ihn beinahe ſchwermüthig machten. Kein Menſch, rief er endlich aus, kann ſeine frohe Laune verbürgen, es kommen Augenblicke und Empfindungen, die ihn wie in einem Kerker verſchließen, und ihn nicht wieder frei geben wollen. Ich denke eben daran, wie ohne Noth und ohne Zweck ich mich hier herumtreibe, und indeſſen das ver¬ nachläſſige, was doch das einzige Glück in der Welt iſt. Wahrlich, ich könnte in man¬ chen Augenblicken ſo ſchwermüthig ſeyn, daß ich weinte, oder tiefſinnige Elegien nieder¬ ſchriebe, daß ich auf meinen Inſtrumenten Töne hervorſuchte, die in Steine und Felſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/177
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/177>, abgerufen am 18.04.2024.