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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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letztemale, fuhr die Gräfin fort, hier stieg
er auf sein Roß, und sagte mir sein heuch¬
lerisches Lebewohl, er wolle noch am Abend
wiederkommen; aber es ist schon in meiner
Seele Abend geworden, und er ist noch nicht
wieder da. Könnt' ich den Undankbaren ver¬
gessen, dies Andenken, sein Bild aus mei¬
nem Herzen verstoßen, und wieder so glück¬
lich und zufrieden werden, als ich vormals
war! Dies thörichte Herz will ihm nach,
ihn in weiter Welt aufsuchen, und weiß
doch nicht, wohin? Ich finde ihn niemals
wieder! - -

Sie setzten sich im Schatten nieder, und
nach einem kleinen Stillschweigen fuhr die
Dame fort: Ich will Euch kürzlich meine
ganze Geschichte erzählen; sie ist unbedeu¬
tend und kurz, aber Ihr habt etwas in Eu¬
rem Wesen, einen Blick Eurer Augen, das
alles mir mein Zutrauen abgewinnt. Wenn

G 2

letztemale, fuhr die Gräfin fort, hier ſtieg
er auf ſein Roß, und ſagte mir ſein heuch¬
leriſches Lebewohl, er wolle noch am Abend
wiederkommen; aber es iſt ſchon in meiner
Seele Abend geworden, und er iſt noch nicht
wieder da. Könnt' ich den Undankbaren ver¬
geſſen, dies Andenken, ſein Bild aus mei¬
nem Herzen verſtoßen, und wieder ſo glück¬
lich und zufrieden werden, als ich vormals
war! Dies thörichte Herz will ihm nach,
ihn in weiter Welt aufſuchen, und weiß
doch nicht, wohin? Ich finde ihn niemals
wieder! ‒ ‒

Sie ſetzten ſich im Schatten nieder, und
nach einem kleinen Stillſchweigen fuhr die
Dame fort: Ich will Euch kürzlich meine
ganze Geſchichte erzählen; ſie iſt unbedeu¬
tend und kurz, aber Ihr habt etwas in Eu¬
rem Weſen, einen Blick Eurer Augen, das
alles mir mein Zutrauen abgewinnt. Wenn

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[99/0107] letztemale, fuhr die Gräfin fort, hier ſtieg er auf ſein Roß, und ſagte mir ſein heuch¬ leriſches Lebewohl, er wolle noch am Abend wiederkommen; aber es iſt ſchon in meiner Seele Abend geworden, und er iſt noch nicht wieder da. Könnt' ich den Undankbaren ver¬ geſſen, dies Andenken, ſein Bild aus mei¬ nem Herzen verſtoßen, und wieder ſo glück¬ lich und zufrieden werden, als ich vormals war! Dies thörichte Herz will ihm nach, ihn in weiter Welt aufſuchen, und weiß doch nicht, wohin? Ich finde ihn niemals wieder! ‒ ‒ Sie ſetzten ſich im Schatten nieder, und nach einem kleinen Stillſchweigen fuhr die Dame fort: Ich will Euch kürzlich meine ganze Geſchichte erzählen; ſie iſt unbedeu¬ tend und kurz, aber Ihr habt etwas in Eu¬ rem Weſen, einen Blick Eurer Augen, das alles mir mein Zutrauen abgewinnt. Wenn G 2

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/107>, abgerufen am 27.11.2024.