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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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stand, das Holdselige und Angenehme eines
Antlitzes zu fühlen und auszudrücken, ihm
war es nur darum zu thun, einen Kopf mit
den gewöhnlichen Sinnen fertig zu machen,
der dem Originale im Groben ähnlich sähe.
Ihr müßt Euch die Klarheit der Augen, das
süße Lächeln der freundlichen Lippen nur
vorstellen, denn das Bild selbst giebt Euch
keine Anweisung zu dergleichen. O, wenn
er doch hier wäre! wenn er so vor Euch
stände, und ich ihm den Arm um den schö¬
nen Nacken schlänge! Unmöglich könnt Ihr
es Euch vorstellen, und das Gemählde muß
nothwendig kalt werden. Aber freilich sieht
es ihm dann um so ähnlicher, denn er ist jetzt
auch kalt und fühllos. Wo mag er umher¬
irren, und wann kommt er zu mir zurück?

Sie stand auf, Franz mußte die Mah¬
lerei bei Seite legen, sie gingen in ein be¬
nachbartes Gehölz. Hier sah ich ihn zum

ſtand, das Holdſelige und Angenehme eines
Antlitzes zu fühlen und auszudrücken, ihm
war es nur darum zu thun, einen Kopf mit
den gewöhnlichen Sinnen fertig zu machen,
der dem Originale im Groben ähnlich ſähe.
Ihr müßt Euch die Klarheit der Augen, das
ſüße Lächeln der freundlichen Lippen nur
vorſtellen, denn das Bild ſelbſt giebt Euch
keine Anweiſung zu dergleichen. O, wenn
er doch hier wäre! wenn er ſo vor Euch
ſtände, und ich ihm den Arm um den ſchö¬
nen Nacken ſchlänge! Unmöglich könnt Ihr
es Euch vorſtellen, und das Gemählde muß
nothwendig kalt werden. Aber freilich ſieht
es ihm dann um ſo ähnlicher, denn er iſt jetzt
auch kalt und fühllos. Wo mag er umher¬
irren, und wann kommt er zu mir zurück?

Sie ſtand auf, Franz mußte die Mah¬
lerei bei Seite legen, ſie gingen in ein be¬
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[98/0106] ſtand, das Holdſelige und Angenehme eines Antlitzes zu fühlen und auszudrücken, ihm war es nur darum zu thun, einen Kopf mit den gewöhnlichen Sinnen fertig zu machen, der dem Originale im Groben ähnlich ſähe. Ihr müßt Euch die Klarheit der Augen, das ſüße Lächeln der freundlichen Lippen nur vorſtellen, denn das Bild ſelbſt giebt Euch keine Anweiſung zu dergleichen. O, wenn er doch hier wäre! wenn er ſo vor Euch ſtände, und ich ihm den Arm um den ſchö¬ nen Nacken ſchlänge! Unmöglich könnt Ihr es Euch vorſtellen, und das Gemählde muß nothwendig kalt werden. Aber freilich ſieht es ihm dann um ſo ähnlicher, denn er iſt jetzt auch kalt und fühllos. Wo mag er umher¬ irren, und wann kommt er zu mir zurück? Sie ſtand auf, Franz mußte die Mah¬ lerei bei Seite legen, ſie gingen in ein be¬ nachbartes Gehölz. Hier ſah ich ihn zum

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/106>, abgerufen am 24.04.2024.