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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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innersten Seele zurückgehalten wurde. Mit
einemmahle brachen ihm die Thränen aus
den Augen, er hörte vom Felde herüber eine
einsame Schalmeye eines Schäfers, und
nun wuste er alles. Als ein Knabe von sechs
Jahren war er hier im Walde gegangen, auf
diesem Platze hatte er Blumen gesucht, ein
Wagen kam daher gefahren und hielt still,
eine Frau stieg ab und hob ein Kind her¬
unter, und beide gingen auf dem grünen
Platze auf und ab und vor dem kleinen
Franz vorüber. Das Kind, ein liebliches
blondes Mädchen, kam zu Franz und bat
um seine Blumen, er schenkte sie ihr alle,
ohne selbst seine Lieblinge zurückzubehalten,
indeß ein alter Bedienter auf einem Wald¬
horne blies, und Töne hervorbrachte, die dem
jungen Franz damals äußerst wunderbar in
die Ohren klangen. So vergieng eine Zeit,
und Franz hatte alles vergessen; dann fuh¬

innerſten Seele zurückgehalten wurde. Mit
einemmahle brachen ihm die Thränen aus
den Augen, er hörte vom Felde herüber eine
einſame Schalmeye eines Schäfers, und
nun wuſte er alles. Als ein Knabe von ſechs
Jahren war er hier im Walde gegangen, auf
dieſem Platze hatte er Blumen geſucht, ein
Wagen kam daher gefahren und hielt ſtill,
eine Frau ſtieg ab und hob ein Kind her¬
unter, und beide gingen auf dem grünen
Platze auf und ab und vor dem kleinen
Franz vorüber. Das Kind, ein liebliches
blondes Mädchen, kam zu Franz und bat
um ſeine Blumen, er ſchenkte ſie ihr alle,
ohne ſelbſt ſeine Lieblinge zurückzubehalten,
indeß ein alter Bedienter auf einem Wald¬
horne blies, und Töne hervorbrachte, die dem
jungen Franz damals äußerſt wunderbar in
die Ohren klangen. So vergieng eine Zeit,
und Franz hatte alles vergeſſen; dann fuh¬

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[74/0085] innerſten Seele zurückgehalten wurde. Mit einemmahle brachen ihm die Thränen aus den Augen, er hörte vom Felde herüber eine einſame Schalmeye eines Schäfers, und nun wuſte er alles. Als ein Knabe von ſechs Jahren war er hier im Walde gegangen, auf dieſem Platze hatte er Blumen geſucht, ein Wagen kam daher gefahren und hielt ſtill, eine Frau ſtieg ab und hob ein Kind her¬ unter, und beide gingen auf dem grünen Platze auf und ab und vor dem kleinen Franz vorüber. Das Kind, ein liebliches blondes Mädchen, kam zu Franz und bat um ſeine Blumen, er ſchenkte ſie ihr alle, ohne ſelbſt ſeine Lieblinge zurückzubehalten, indeß ein alter Bedienter auf einem Wald¬ horne blies, und Töne hervorbrachte, die dem jungen Franz damals äußerſt wunderbar in die Ohren klangen. So vergieng eine Zeit, und Franz hatte alles vergeſſen; dann fuh¬

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/85>, abgerufen am 27.04.2024.