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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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wenn ich wahr sein soll, vergessen? Wie
wäre es möglich, daß uns die Kunst gegen
die besten und theuersten Gefühle verhärten
könnte? Und doch kann es nur das seyn,
daß dieser Trieb mich zu sehr beschäftigte,
sich mir vorbaute und die Aussicht des übri¬
gen Lebens verdeckte.

Er stand in Gedanken und die Mahler¬
stube und Albrecht und seine Kopien kamen
ihm wieder in die Gedanken, er setzte seinen
Freund Sebastian sich gegenüber und hörte
schnell wieder durch, was sie nur je mit
einander gesprochen hatten; dann sah er
wieder um sich und die Natur selbst, der
Himmel, der rauschende Wald und sein
Lieblingsbaum schienen Athem und Leben zu
seinen Gemählden herzugeben, Vergangen¬
heit und Zukunft bekräftigten seinen Trieb
und alles was er gedacht und empfunden, war
ihm nur deswegen werth, weil es ihn zur

wenn ich wahr ſein ſoll, vergeſſen? Wie
wäre es möglich, daß uns die Kunſt gegen
die beſten und theuerſten Gefühle verhärten
könnte? Und doch kann es nur das ſeyn,
daß dieſer Trieb mich zu ſehr beſchäftigte,
ſich mir vorbaute und die Ausſicht des übri¬
gen Lebens verdeckte.

Er ſtand in Gedanken und die Mahler¬
ſtube und Albrecht und ſeine Kopien kamen
ihm wieder in die Gedanken, er ſetzte ſeinen
Freund Sebaſtian ſich gegenüber und hörte
ſchnell wieder durch, was ſie nur je mit
einander geſprochen hatten; dann ſah er
wieder um ſich und die Natur ſelbſt, der
Himmel, der rauſchende Wald und ſein
Lieblingsbaum ſchienen Athem und Leben zu
ſeinen Gemählden herzugeben, Vergangen¬
heit und Zukunft bekräftigten ſeinen Trieb
und alles was er gedacht und empfunden, war
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[72/0083] wenn ich wahr ſein ſoll, vergeſſen? Wie wäre es möglich, daß uns die Kunſt gegen die beſten und theuerſten Gefühle verhärten könnte? Und doch kann es nur das ſeyn, daß dieſer Trieb mich zu ſehr beſchäftigte, ſich mir vorbaute und die Ausſicht des übri¬ gen Lebens verdeckte. Er ſtand in Gedanken und die Mahler¬ ſtube und Albrecht und ſeine Kopien kamen ihm wieder in die Gedanken, er ſetzte ſeinen Freund Sebaſtian ſich gegenüber und hörte ſchnell wieder durch, was ſie nur je mit einander geſprochen hatten; dann ſah er wieder um ſich und die Natur ſelbſt, der Himmel, der rauſchende Wald und ſein Lieblingsbaum ſchienen Athem und Leben zu ſeinen Gemählden herzugeben, Vergangen¬ heit und Zukunft bekräftigten ſeinen Trieb und alles was er gedacht und empfunden, war ihm nur deswegen werth, weil es ihn zur

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/83>, abgerufen am 27.04.2024.