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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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stand wieder als Knabe da, die Zeit seiner
Kindheit lag ihm so nah, so nah, daß er
alles übrige nur für einen vorbeifliegenden
Traum halten wollte. Ein Wind rauschte
herüber und gieng durch die großen Aeste
des Baums, und alle Gefühle, die fernsten
und dunkelsten Erinnerungen wurden mit
herübergeweht und wie Vorhänge fiel es
immer mehr von Franzens Seele zurück
und er sah nur sich und die liebe Vergan¬
genheit. Alle frommen Empfindungen gegen
seine Eltern, der Unterricht den ihm seine
ersten Bücher gaben, sein Spielzeug fiel
ihm wieder bei und seine Zärtlichkeit gegen
leblose Gestalten.

Wer bin ich? sagte er zu sich selber und
schaute langsam um sich her. Was ist es,
daß die Vergangenheit so lebendig in mei¬
nem Innern aufsteigt? Wie konnte ich alles,
wie konnte ich meine Eltern so lange, fast,

ſtand wieder als Knabe da, die Zeit ſeiner
Kindheit lag ihm ſo nah, ſo nah, daß er
alles übrige nur für einen vorbeifliegenden
Traum halten wollte. Ein Wind rauſchte
herüber und gieng durch die großen Aeſte
des Baums, und alle Gefühle, die fernſten
und dunkelſten Erinnerungen wurden mit
herübergeweht und wie Vorhänge fiel es
immer mehr von Franzens Seele zurück
und er ſah nur ſich und die liebe Vergan¬
genheit. Alle frommen Empfindungen gegen
ſeine Eltern, der Unterricht den ihm ſeine
erſten Bücher gaben, ſein Spielzeug fiel
ihm wieder bei und ſeine Zärtlichkeit gegen
lebloſe Geſtalten.

Wer bin ich? ſagte er zu ſich ſelber und
ſchaute langſam um ſich her. Was iſt es,
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wie konnte ich meine Eltern ſo lange, faſt,

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[71/0082] ſtand wieder als Knabe da, die Zeit ſeiner Kindheit lag ihm ſo nah, ſo nah, daß er alles übrige nur für einen vorbeifliegenden Traum halten wollte. Ein Wind rauſchte herüber und gieng durch die großen Aeſte des Baums, und alle Gefühle, die fernſten und dunkelſten Erinnerungen wurden mit herübergeweht und wie Vorhänge fiel es immer mehr von Franzens Seele zurück und er ſah nur ſich und die liebe Vergan¬ genheit. Alle frommen Empfindungen gegen ſeine Eltern, der Unterricht den ihm ſeine erſten Bücher gaben, ſein Spielzeug fiel ihm wieder bei und ſeine Zärtlichkeit gegen lebloſe Geſtalten. Wer bin ich? ſagte er zu ſich ſelber und ſchaute langſam um ſich her. Was iſt es, daß die Vergangenheit ſo lebendig in mei¬ nem Innern aufſteigt? Wie konnte ich alles, wie konnte ich meine Eltern ſo lange, faſt,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/82>, abgerufen am 23.11.2024.