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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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ehe man über eins ein richtiges Urtheil
faßt.

Ihr mögt sehr Recht haben, Meister, ant¬
wortete Dürer, die meisten Leute sind wahrlich
mit dem Ernsthaften und Lächerlichen gleich
fremd. Sie glauben immer, das Verständ¬
niß von beiden müsse ihnen von selbst ohne
ihr weiteres Zuthun kommen; und doch ist das
bei den allerwenigsten der Fall. Sie über¬
lassen sich daher mit Rohheit dem Augenbli¬
cke und ihrem damaligen Gefühl, und so
tadeln und loben sie alles unbesehn. Ja sie
gehn mit der Mahlerkunst eben so um, sie
kosten davon, wie man wohl ein Gemüse
oder Suppe zu kosten pflegt, ob die Magd
zu viel oder zu wenig Salz daran gethan
habe, und dann sprechen sie das Urtheil,
ohne um die Einsicht und die Kenntnisse die
dazu gehören, besorgt zu seyn. Ich muß
immer noch lachen so oft ich daran denke,

daß

ehe man über eins ein richtiges Urtheil
faßt.

Ihr mögt ſehr Recht haben, Meiſter, ant¬
wortete Dürer, die meiſten Leute ſind wahrlich
mit dem Ernſthaften und Lächerlichen gleich
fremd. Sie glauben immer, das Verſtänd¬
niß von beiden müſſe ihnen von ſelbſt ohne
ihr weiteres Zuthun kommen; und doch iſt das
bei den allerwenigſten der Fall. Sie über¬
laſſen ſich daher mit Rohheit dem Augenbli¬
cke und ihrem damaligen Gefühl, und ſo
tadeln und loben ſie alles unbeſehn. Ja ſie
gehn mit der Mahlerkunſt eben ſo um, ſie
koſten davon, wie man wohl ein Gemüſe
oder Suppe zu koſten pflegt, ob die Magd
zu viel oder zu wenig Salz daran gethan
habe, und dann ſprechen ſie das Urtheil,
ohne um die Einſicht und die Kenntniſſe die
dazu gehören, beſorgt zu ſeyn. Ich muß
immer noch lachen ſo oft ich daran denke,

daß
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[208/0219] ehe man über eins ein richtiges Urtheil faßt. Ihr mögt ſehr Recht haben, Meiſter, ant¬ wortete Dürer, die meiſten Leute ſind wahrlich mit dem Ernſthaften und Lächerlichen gleich fremd. Sie glauben immer, das Verſtänd¬ niß von beiden müſſe ihnen von ſelbſt ohne ihr weiteres Zuthun kommen; und doch iſt das bei den allerwenigſten der Fall. Sie über¬ laſſen ſich daher mit Rohheit dem Augenbli¬ cke und ihrem damaligen Gefühl, und ſo tadeln und loben ſie alles unbeſehn. Ja ſie gehn mit der Mahlerkunſt eben ſo um, ſie koſten davon, wie man wohl ein Gemüſe oder Suppe zu koſten pflegt, ob die Magd zu viel oder zu wenig Salz daran gethan habe, und dann ſprechen ſie das Urtheil, ohne um die Einſicht und die Kenntniſſe die dazu gehören, beſorgt zu ſeyn. Ich muß immer noch lachen ſo oft ich daran denke, daß

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/219>, abgerufen am 24.11.2024.