Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweite Abtheilung.
sey dessen Erfinder der künftige Regierer des
Staates.

Meine Freunde, sagte Theodor, ich nehme
diese Würde an, und verspreche, daß meine Re-
gierung sanft und ohne Druck seyn soll. Statt
also eine bestimmte Aufgabe, wie Mährchen, auf-
zulegen, oder gar Dramen zu verlangen, die uns
sehr lange aufgehalten haben, sey es einem jeden
vergönnt, mitzutheilen was er nur will, wenn
es nur leicht und heiter ist, sey es nun Erzäh-
lung, oder sonst ein Scherz, nur werden durch-
aus dramatische Versuche und Poesieen aus-
geschlossen.

Die Gesellschaft ging aus einander. Clara
hatte sich indessen an das Fortepiano gesetzt, sie
schlug die Noten auf, und sang mit ihrer vollen
reinen Stimme das Salve Regina von Pergo-
lese. Anton, Rosalie und Ernst waren zugegen
geblieben. Ich beschließe am liebsten, sagte
Clara, den Abend mit Musik, alle Gefühle und
alle Mißklänge werden in ihr so rein aufgelöst,
daß die Nacht dann wirklich ein Schluß des Ta-
ges ist; der Schlaf wird dann geheiligt, und
recht verständige Träume kommen auf uns
herab.

Man erlaube mir, sagte Anton, ein kleines
Gedicht mitzutheilen, das vor einiger Zeit im
Wettstreit mit mehrern Freunden versucht wurde.

Zweite Abtheilung.
ſey deſſen Erfinder der kuͤnftige Regierer des
Staates.

Meine Freunde, ſagte Theodor, ich nehme
dieſe Wuͤrde an, und verſpreche, daß meine Re-
gierung ſanft und ohne Druck ſeyn ſoll. Statt
alſo eine beſtimmte Aufgabe, wie Maͤhrchen, auf-
zulegen, oder gar Dramen zu verlangen, die uns
ſehr lange aufgehalten haben, ſey es einem jeden
vergoͤnnt, mitzutheilen was er nur will, wenn
es nur leicht und heiter iſt, ſey es nun Erzaͤh-
lung, oder ſonſt ein Scherz, nur werden durch-
aus dramatiſche Verſuche und Poeſieen aus-
geſchloſſen.

Die Geſellſchaft ging aus einander. Clara
hatte ſich indeſſen an das Fortepiano geſetzt, ſie
ſchlug die Noten auf, und ſang mit ihrer vollen
reinen Stimme das Salve Regina von Pergo-
leſe. Anton, Roſalie und Ernſt waren zugegen
geblieben. Ich beſchließe am liebſten, ſagte
Clara, den Abend mit Muſik, alle Gefuͤhle und
alle Mißklaͤnge werden in ihr ſo rein aufgeloͤſt,
daß die Nacht dann wirklich ein Schluß des Ta-
ges iſt; der Schlaf wird dann geheiligt, und
recht verſtaͤndige Traͤume kommen auf uns
herab.

Man erlaube mir, ſagte Anton, ein kleines
Gedicht mitzutheilen, das vor einiger Zeit im
Wettſtreit mit mehrern Freunden verſucht wurde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0532" n="522"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;ey de&#x017F;&#x017F;en Erfinder der ku&#x0364;nftige Regierer des<lb/>
Staates.</p><lb/>
              <p>Meine Freunde, &#x017F;agte Theodor, ich nehme<lb/>
die&#x017F;e Wu&#x0364;rde an, und ver&#x017F;preche, daß meine Re-<lb/>
gierung &#x017F;anft und ohne Druck &#x017F;eyn &#x017F;oll. Statt<lb/>
al&#x017F;o eine be&#x017F;timmte Aufgabe, wie Ma&#x0364;hrchen, auf-<lb/>
zulegen, oder gar Dramen zu verlangen, die uns<lb/>
&#x017F;ehr lange aufgehalten haben, &#x017F;ey es einem jeden<lb/>
vergo&#x0364;nnt, mitzutheilen was er nur will, wenn<lb/>
es nur leicht und heiter i&#x017F;t, &#x017F;ey es nun Erza&#x0364;h-<lb/>
lung, oder &#x017F;on&#x017F;t ein Scherz, nur werden durch-<lb/>
aus dramati&#x017F;che Ver&#x017F;uche und Poe&#x017F;ieen aus-<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
              <p>Die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ging aus einander. Clara<lb/>
hatte &#x017F;ich inde&#x017F;&#x017F;en an das Fortepiano ge&#x017F;etzt, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chlug die Noten auf, und &#x017F;ang mit ihrer vollen<lb/>
reinen Stimme das <hi rendition="#aq">Salve Regina</hi> von Pergo-<lb/>
le&#x017F;e. Anton, Ro&#x017F;alie und Ern&#x017F;t waren zugegen<lb/>
geblieben. Ich be&#x017F;chließe am lieb&#x017F;ten, &#x017F;agte<lb/>
Clara, den Abend mit Mu&#x017F;ik, alle Gefu&#x0364;hle und<lb/>
alle Mißkla&#x0364;nge werden in ihr &#x017F;o rein aufgelo&#x0364;&#x017F;t,<lb/>
daß die Nacht dann wirklich ein Schluß des Ta-<lb/>
ges i&#x017F;t; der Schlaf wird dann geheiligt, und<lb/>
recht ver&#x017F;ta&#x0364;ndige Tra&#x0364;ume kommen auf uns<lb/>
herab.</p><lb/>
              <p>Man erlaube mir, &#x017F;agte Anton, ein kleines<lb/>
Gedicht mitzutheilen, das vor einiger Zeit im<lb/>
Wett&#x017F;treit mit mehrern Freunden ver&#x017F;ucht wurde.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[522/0532] Zweite Abtheilung. ſey deſſen Erfinder der kuͤnftige Regierer des Staates. Meine Freunde, ſagte Theodor, ich nehme dieſe Wuͤrde an, und verſpreche, daß meine Re- gierung ſanft und ohne Druck ſeyn ſoll. Statt alſo eine beſtimmte Aufgabe, wie Maͤhrchen, auf- zulegen, oder gar Dramen zu verlangen, die uns ſehr lange aufgehalten haben, ſey es einem jeden vergoͤnnt, mitzutheilen was er nur will, wenn es nur leicht und heiter iſt, ſey es nun Erzaͤh- lung, oder ſonſt ein Scherz, nur werden durch- aus dramatiſche Verſuche und Poeſieen aus- geſchloſſen. Die Geſellſchaft ging aus einander. Clara hatte ſich indeſſen an das Fortepiano geſetzt, ſie ſchlug die Noten auf, und ſang mit ihrer vollen reinen Stimme das Salve Regina von Pergo- leſe. Anton, Roſalie und Ernſt waren zugegen geblieben. Ich beſchließe am liebſten, ſagte Clara, den Abend mit Muſik, alle Gefuͤhle und alle Mißklaͤnge werden in ihr ſo rein aufgeloͤſt, daß die Nacht dann wirklich ein Schluß des Ta- ges iſt; der Schlaf wird dann geheiligt, und recht verſtaͤndige Traͤume kommen auf uns herab. Man erlaube mir, ſagte Anton, ein kleines Gedicht mitzutheilen, das vor einiger Zeit im Wettſtreit mit mehrern Freunden verſucht wurde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/532
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/532>, abgerufen am 02.05.2024.