Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Die Musik spricht: In inn'ger Lieb' war ich mit diesem Kinde, Und ihm gelang, in süßen Himmels-Weisen Die Mutter Gottes wunderhold zu preisen, Und Aller Herzen rührt sein Geist gelinde. Da lösten sie in Wehmuth ihre Sünde, Es beteten die Thoren wie die Weisen, Der Engel fuhr herab in Thränen, leisen Flügelgetöns, daß er ihr Heil verkünde. Da fiel den Bösen Zagen an und Beben, Er sprach: der süße Pfeil hat all' getroffen, Mein Reich versinkt, den Menschen nur zum Spotte! Er stürmt ihn an, des Jünglings Herz war offen In Andacht, reißt die Blätter ab vom Leben, Und aus dem Reich entblüht der Geist zu Gotte. Das heiterste Wetter war wieder eingetre- Lassen wir die schöne Ungnädige, sagte Wili- Zweite Abtheilung. Die Muſik ſpricht: In inn'ger Lieb' war ich mit dieſem Kinde, Und ihm gelang, in ſuͤßen Himmels-Weiſen Die Mutter Gottes wunderhold zu preiſen, Und Aller Herzen ruͤhrt ſein Geiſt gelinde. Da loͤſten ſie in Wehmuth ihre Suͤnde, Es beteten die Thoren wie die Weiſen, Der Engel fuhr herab in Thraͤnen, leiſen Fluͤgelgetoͤns, daß er ihr Heil verkuͤnde. Da fiel den Boͤſen Zagen an und Beben, Er ſprach: der ſuͤße Pfeil hat all' getroffen, Mein Reich verſinkt, den Menſchen nur zum Spotte! Er ſtuͤrmt ihn an, des Juͤnglings Herz war offen In Andacht, reißt die Blaͤtter ab vom Leben, Und aus dem Reich entbluͤht der Geiſt zu Gotte. Das heiterſte Wetter war wieder eingetre- Laſſen wir die ſchoͤne Ungnaͤdige, ſagte Wili- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0455" n="446"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die Muſik ſpricht</hi>:</hi> </head><lb/> <lg n="1"> <l>In inn'ger Lieb' war ich mit dieſem Kinde,</l><lb/> <l>Und ihm gelang, in ſuͤßen Himmels-Weiſen</l><lb/> <l>Die Mutter Gottes wunderhold zu preiſen,</l><lb/> <l>Und Aller Herzen ruͤhrt ſein Geiſt gelinde.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Da loͤſten ſie in Wehmuth ihre Suͤnde,</l><lb/> <l>Es beteten die Thoren wie die Weiſen,</l><lb/> <l>Der Engel fuhr herab in Thraͤnen, leiſen</l><lb/> <l>Fluͤgelgetoͤns, daß er ihr Heil verkuͤnde.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Da fiel den Boͤſen Zagen an und Beben,</l><lb/> <l>Er ſprach: der ſuͤße Pfeil hat all' getroffen,</l><lb/> <l>Mein Reich verſinkt, den Menſchen nur zum Spotte!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Er ſtuͤrmt ihn an, des Juͤnglings Herz war offen</l><lb/> <l>In Andacht, reißt die Blaͤtter ab vom Leben,</l><lb/> <l>Und aus dem Reich entbluͤht der Geiſt zu Gotte.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Das heiterſte Wetter war wieder eingetre-<lb/> ten, daher genoß die Geſellſchaft am folgenden<lb/> Tage die Schoͤnheit der Gegend um ſo mehr,<lb/> als dieſer Genuß ſo ganz unerwartet kam. Alle<lb/> waren froh, nur Auguſte ſchien verſtimmt, und<lb/> als man ſich am Abend zur gewoͤhnlichen Leſe-<lb/> ſtunde niederſetzte, machte ſie Mine, fortzugehn.<lb/> Du biſt wieder einmal ungezogen, ſagte Man-<lb/> fred; was iſt dir, Schweſter? Nichts, rief ſie<lb/> aus, aber ich bin heut nicht aufgelegt.</p><lb/> <p>Laſſen wir die ſchoͤne Ungnaͤdige, ſagte Wili-<lb/> bald, ſie will uns eben zeigen, wie weit die Lie-<lb/> benswuͤrdigkeit ihren Eigenſinn treiben duͤrfe,<lb/> ohne unliebenswuͤrdig zu werden.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [446/0455]
Zweite Abtheilung.
Die Muſik ſpricht:
In inn'ger Lieb' war ich mit dieſem Kinde,
Und ihm gelang, in ſuͤßen Himmels-Weiſen
Die Mutter Gottes wunderhold zu preiſen,
Und Aller Herzen ruͤhrt ſein Geiſt gelinde.
Da loͤſten ſie in Wehmuth ihre Suͤnde,
Es beteten die Thoren wie die Weiſen,
Der Engel fuhr herab in Thraͤnen, leiſen
Fluͤgelgetoͤns, daß er ihr Heil verkuͤnde.
Da fiel den Boͤſen Zagen an und Beben,
Er ſprach: der ſuͤße Pfeil hat all' getroffen,
Mein Reich verſinkt, den Menſchen nur zum Spotte!
Er ſtuͤrmt ihn an, des Juͤnglings Herz war offen
In Andacht, reißt die Blaͤtter ab vom Leben,
Und aus dem Reich entbluͤht der Geiſt zu Gotte.
Das heiterſte Wetter war wieder eingetre-
ten, daher genoß die Geſellſchaft am folgenden
Tage die Schoͤnheit der Gegend um ſo mehr,
als dieſer Genuß ſo ganz unerwartet kam. Alle
waren froh, nur Auguſte ſchien verſtimmt, und
als man ſich am Abend zur gewoͤhnlichen Leſe-
ſtunde niederſetzte, machte ſie Mine, fortzugehn.
Du biſt wieder einmal ungezogen, ſagte Man-
fred; was iſt dir, Schweſter? Nichts, rief ſie
aus, aber ich bin heut nicht aufgelegt.
Laſſen wir die ſchoͤne Ungnaͤdige, ſagte Wili-
bald, ſie will uns eben zeigen, wie weit die Lie-
benswuͤrdigkeit ihren Eigenſinn treiben duͤrfe,
ohne unliebenswuͤrdig zu werden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |