Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.

Dem Volke war ein Stein vom Herzen ge-
wälzt, sie ließen ihre Ziererei und ich habe heut
von ihnen ein altes Stück "der Sthuster blauer
Montag, oder Feyerabend" recht lustig spielen
sehn, welches aus dem Englischen muß herüber
gekommen seyn, und ich hoffe, daß in der künf-
tigen Woche bei schönem Wetter die meisten mei-
ner Freunde und verehrten Freundinnen mich
ebenfalls einmal dorthin begleiten werden.

Emilie sagte lachend: Sie scheinen also dar-
auf zu rechnen, daß uns Ihre Thorheit anstecken
wird? Indeß werden Sie uns schwerlich bere-
den, jene Armseligkeit anzusehn, wenn wir auch
Ihre Schilderung derselben gerne zugehört haben.

Wer weiß, sagte Manfred, der Mensch kann
für nichts stehn. Es wäre aber zu wünschen,
daß, wenn man den kleinen armseligen Truppen
das Herumstreifen gestattet (und es wäre viel-
leicht grausam, es ganz zu verhindern), man ih-
nen wenigstens verböte, sich mit der Mode-
waare zu befassen. Man muß es gesehn haben,
um zu wissen, wie die beiden Klingsberge oder
die Indianer in England sich auf solchen Büh-
nen, vor treuherzigen Bürgern und Bauern aus-
nehmen. Warum führen diese kleinen Gesell-
schaften nicht ähnliche Schwänke, wie die des
Hans Sachs auf? Aber freilich weiß ich wohl,
daß unsre Verkehrtheit so weit geht, daß man
ihnen an manchen Orten den bairischen Hiesel
oder die Höllenbraut als schädlich und abergläu-

Zweite Abtheilung.

Dem Volke war ein Stein vom Herzen ge-
waͤlzt, ſie ließen ihre Ziererei und ich habe heut
von ihnen ein altes Stuͤck „der Sthuſter blauer
Montag, oder Feyerabend“ recht luſtig ſpielen
ſehn, welches aus dem Engliſchen muß heruͤber
gekommen ſeyn, und ich hoffe, daß in der kuͤnf-
tigen Woche bei ſchoͤnem Wetter die meiſten mei-
ner Freunde und verehrten Freundinnen mich
ebenfalls einmal dorthin begleiten werden.

Emilie ſagte lachend: Sie ſcheinen alſo dar-
auf zu rechnen, daß uns Ihre Thorheit anſtecken
wird? Indeß werden Sie uns ſchwerlich bere-
den, jene Armſeligkeit anzuſehn, wenn wir auch
Ihre Schilderung derſelben gerne zugehoͤrt haben.

Wer weiß, ſagte Manfred, der Menſch kann
fuͤr nichts ſtehn. Es waͤre aber zu wuͤnſchen,
daß, wenn man den kleinen armſeligen Truppen
das Herumſtreifen geſtattet (und es waͤre viel-
leicht grauſam, es ganz zu verhindern), man ih-
nen wenigſtens verboͤte, ſich mit der Mode-
waare zu befaſſen. Man muß es geſehn haben,
um zu wiſſen, wie die beiden Klingsberge oder
die Indianer in England ſich auf ſolchen Buͤh-
nen, vor treuherzigen Buͤrgern und Bauern aus-
nehmen. Warum fuͤhren dieſe kleinen Geſell-
ſchaften nicht aͤhnliche Schwaͤnke, wie die des
Hans Sachs auf? Aber freilich weiß ich wohl,
daß unſre Verkehrtheit ſo weit geht, daß man
ihnen an manchen Orten den bairiſchen Hieſel
oder die Hoͤllenbraut als ſchaͤdlich und aberglaͤu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0424" n="415"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
            <p>Dem Volke war ein Stein vom Herzen ge-<lb/>
wa&#x0364;lzt, &#x017F;ie ließen ihre Ziererei und ich habe heut<lb/>
von ihnen ein altes Stu&#x0364;ck &#x201E;der Sthu&#x017F;ter blauer<lb/>
Montag, oder Feyerabend&#x201C; recht lu&#x017F;tig &#x017F;pielen<lb/>
&#x017F;ehn, welches aus dem Engli&#x017F;chen muß heru&#x0364;ber<lb/>
gekommen &#x017F;eyn, und ich hoffe, daß in der ku&#x0364;nf-<lb/>
tigen Woche bei &#x017F;cho&#x0364;nem Wetter die mei&#x017F;ten mei-<lb/>
ner Freunde und verehrten Freundinnen mich<lb/>
ebenfalls einmal dorthin begleiten werden.</p><lb/>
            <p>Emilie &#x017F;agte lachend: Sie &#x017F;cheinen al&#x017F;o dar-<lb/>
auf zu rechnen, daß uns Ihre Thorheit an&#x017F;tecken<lb/>
wird? Indeß werden Sie uns &#x017F;chwerlich bere-<lb/>
den, jene Arm&#x017F;eligkeit anzu&#x017F;ehn, wenn wir auch<lb/>
Ihre Schilderung der&#x017F;elben gerne zugeho&#x0364;rt haben.</p><lb/>
            <p>Wer weiß, &#x017F;agte Manfred, der Men&#x017F;ch kann<lb/>
fu&#x0364;r nichts &#x017F;tehn. Es wa&#x0364;re aber zu wu&#x0364;n&#x017F;chen,<lb/>
daß, wenn man den kleinen arm&#x017F;eligen Truppen<lb/>
das Herum&#x017F;treifen ge&#x017F;tattet (und es wa&#x0364;re viel-<lb/>
leicht grau&#x017F;am, es ganz zu verhindern), man ih-<lb/>
nen wenig&#x017F;tens verbo&#x0364;te, &#x017F;ich mit der Mode-<lb/>
waare zu befa&#x017F;&#x017F;en. Man muß es ge&#x017F;ehn haben,<lb/>
um zu wi&#x017F;&#x017F;en, wie die beiden Klingsberge oder<lb/>
die Indianer in England &#x017F;ich auf &#x017F;olchen Bu&#x0364;h-<lb/>
nen, vor treuherzigen Bu&#x0364;rgern und Bauern aus-<lb/>
nehmen. Warum fu&#x0364;hren die&#x017F;e kleinen Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaften nicht a&#x0364;hnliche Schwa&#x0364;nke, wie die des<lb/>
Hans Sachs auf? Aber freilich weiß ich wohl,<lb/>
daß un&#x017F;re Verkehrtheit &#x017F;o weit geht, daß man<lb/>
ihnen an manchen Orten den bairi&#x017F;chen Hie&#x017F;el<lb/>
oder die Ho&#x0364;llenbraut als &#x017F;cha&#x0364;dlich und abergla&#x0364;u-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[415/0424] Zweite Abtheilung. Dem Volke war ein Stein vom Herzen ge- waͤlzt, ſie ließen ihre Ziererei und ich habe heut von ihnen ein altes Stuͤck „der Sthuſter blauer Montag, oder Feyerabend“ recht luſtig ſpielen ſehn, welches aus dem Engliſchen muß heruͤber gekommen ſeyn, und ich hoffe, daß in der kuͤnf- tigen Woche bei ſchoͤnem Wetter die meiſten mei- ner Freunde und verehrten Freundinnen mich ebenfalls einmal dorthin begleiten werden. Emilie ſagte lachend: Sie ſcheinen alſo dar- auf zu rechnen, daß uns Ihre Thorheit anſtecken wird? Indeß werden Sie uns ſchwerlich bere- den, jene Armſeligkeit anzuſehn, wenn wir auch Ihre Schilderung derſelben gerne zugehoͤrt haben. Wer weiß, ſagte Manfred, der Menſch kann fuͤr nichts ſtehn. Es waͤre aber zu wuͤnſchen, daß, wenn man den kleinen armſeligen Truppen das Herumſtreifen geſtattet (und es waͤre viel- leicht grauſam, es ganz zu verhindern), man ih- nen wenigſtens verboͤte, ſich mit der Mode- waare zu befaſſen. Man muß es geſehn haben, um zu wiſſen, wie die beiden Klingsberge oder die Indianer in England ſich auf ſolchen Buͤh- nen, vor treuherzigen Buͤrgern und Bauern aus- nehmen. Warum fuͤhren dieſe kleinen Geſell- ſchaften nicht aͤhnliche Schwaͤnke, wie die des Hans Sachs auf? Aber freilich weiß ich wohl, daß unſre Verkehrtheit ſo weit geht, daß man ihnen an manchen Orten den bairiſchen Hieſel oder die Hoͤllenbraut als ſchaͤdlich und aberglaͤu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/424
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/424>, abgerufen am 19.05.2024.