Sies glauben! der Elementer verschrieb mich zum Tyrannen, zum König Philipp und Carl Moor, -- und was muß ich spielen, wenn ich nicht verhungern will? Sie werdens nicht glau- ben -- auf meine Ehre, den Hanswurst muß ich spielen, weil mir zu meinem Unglück die Na- tur einiges Talent zum Spaßmachen verliehen hat.
Ich mußte lachen. Jetzt traten auch die übrigen Mitglieder herbei und ich ließ ihnen ei- nige Flaschen Wein reichen. Ich sehe, fing ich an, daß die Vorurtheile bei jedem Stande das- jenige sind, woran er am meisten leidet. Wa- rum wollen Sie mit wenigen Mitteln, vor Zu- schauern, die es durchaus nicht verstehn würden, sich mit vornehmen und schwierigen, ja hier un- möglich auszuführenden Opern quälen? Mit Tra- gödien, die Ihnen kein Mensch danken würde? Mit Schauspielen, die dem einfältigen Bürgers- mann ein Räthsel oder ein Aergerniß wären? Wa- rum sich ihren Stand verleiden und den Zuse- hern das Vergnügen verderben? Ohne Zweifel haben Sie alte komische Stücke, die das Volk versteht, kürzere Schwänke und Comödien, die Sie großentheils ex tempore spielen, und de- ren Wirkung Sie gewiß sind; geben Sie diese, und lassen Sie jene vornehmeren Anmaßungen fahren, und Sie werden mich und vielleicht auch einige Freunde zu Zuschauern haben, die wir uns aber gewiß weder um Ihre Zauberflöte, noch Ag- nes Bernauer im mindesten bekümmern werden.
Zweite Abtheilung.
Sies glauben! der Elementer verſchrieb mich zum Tyrannen, zum Koͤnig Philipp und Carl Moor, — und was muß ich ſpielen, wenn ich nicht verhungern will? Sie werdens nicht glau- ben — auf meine Ehre, den Hanswurſt muß ich ſpielen, weil mir zu meinem Ungluͤck die Na- tur einiges Talent zum Spaßmachen verliehen hat.
Ich mußte lachen. Jetzt traten auch die uͤbrigen Mitglieder herbei und ich ließ ihnen ei- nige Flaſchen Wein reichen. Ich ſehe, fing ich an, daß die Vorurtheile bei jedem Stande das- jenige ſind, woran er am meiſten leidet. Wa- rum wollen Sie mit wenigen Mitteln, vor Zu- ſchauern, die es durchaus nicht verſtehn wuͤrden, ſich mit vornehmen und ſchwierigen, ja hier un- moͤglich auszufuͤhrenden Opern quaͤlen? Mit Tra- goͤdien, die Ihnen kein Menſch danken wuͤrde? Mit Schauſpielen, die dem einfaͤltigen Buͤrgers- mann ein Raͤthſel oder ein Aergerniß waͤren? Wa- rum ſich ihren Stand verleiden und den Zuſe- hern das Vergnuͤgen verderben? Ohne Zweifel haben Sie alte komiſche Stuͤcke, die das Volk verſteht, kuͤrzere Schwaͤnke und Comoͤdien, die Sie großentheils ex tempore ſpielen, und de- ren Wirkung Sie gewiß ſind; geben Sie dieſe, und laſſen Sie jene vornehmeren Anmaßungen fahren, und Sie werden mich und vielleicht auch einige Freunde zu Zuſchauern haben, die wir uns aber gewiß weder um Ihre Zauberfloͤte, noch Ag- nes Bernauer im mindeſten bekuͤmmern werden.
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Zweite Abtheilung.
Sies glauben! der Elementer verſchrieb mich
zum Tyrannen, zum Koͤnig Philipp und Carl
Moor, — und was muß ich ſpielen, wenn ich
nicht verhungern will? Sie werdens nicht glau-
ben — auf meine Ehre, den Hanswurſt muß
ich ſpielen, weil mir zu meinem Ungluͤck die Na-
tur einiges Talent zum Spaßmachen verliehen hat.
Ich mußte lachen. Jetzt traten auch die
uͤbrigen Mitglieder herbei und ich ließ ihnen ei-
nige Flaſchen Wein reichen. Ich ſehe, fing ich
an, daß die Vorurtheile bei jedem Stande das-
jenige ſind, woran er am meiſten leidet. Wa-
rum wollen Sie mit wenigen Mitteln, vor Zu-
ſchauern, die es durchaus nicht verſtehn wuͤrden,
ſich mit vornehmen und ſchwierigen, ja hier un-
moͤglich auszufuͤhrenden Opern quaͤlen? Mit Tra-
goͤdien, die Ihnen kein Menſch danken wuͤrde?
Mit Schauſpielen, die dem einfaͤltigen Buͤrgers-
mann ein Raͤthſel oder ein Aergerniß waͤren? Wa-
rum ſich ihren Stand verleiden und den Zuſe-
hern das Vergnuͤgen verderben? Ohne Zweifel
haben Sie alte komiſche Stuͤcke, die das Volk
verſteht, kuͤrzere Schwaͤnke und Comoͤdien, die
Sie großentheils ex tempore ſpielen, und de-
ren Wirkung Sie gewiß ſind; geben Sie dieſe,
und laſſen Sie jene vornehmeren Anmaßungen
fahren, und Sie werden mich und vielleicht auch
einige Freunde zu Zuſchauern haben, die wir uns
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/423>, abgerufen am 23.11.2024.
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