Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Die verkehrte Welt.
Lisette. Ich möchte es schon darauf wagen.
Narr. Was meinen Sie, zum Exempel, von
der Anbetung?
Lisette. Wen wollen Sie anbeten?
Narr. Sie, meine Göttin.
Lisette. O mein Herr, für eine Göttin bin
ich wohl etwas zu schlecht.
Narr. Im Gegentheil, Allerglorreichste, viel
zu gut, man kann in unsern Tagen fast nichts Er-
bärmlichers seyn, als eine Göttin.
Lisette. Wie ist das gekommen?
Narr. Das müssen Sie die weisen Leute
fragen, ich darf das Geheimniß nicht verrathen;
Weise und Thoren, thörichte Weise, und weise
Narren haben die Weiber mit vieler Mühe zu
Göttinnen erhoben, um sie recht bequem schlecht
zu machen, denn seitdem sind sie keine taube Nuß
mehr werth.
Lisette. Sie lieben mich also vielleicht?
Narr. O dies himmlische Vielleicht läßt
mir noch einige Hofnung übrig, daß Sie noch nicht
so ganz in mich vernarrt sind --
Lisette. Und wenn ich es nun wäre?
Narr. So säh ich mich ja genöthigt, vor
Entzücken zu Ihren Füßen zu sterben.
Lisette. Das will ich mir verbitten.
Narr. Welches Opfer befehlen Sie denn
also, das ich Ihnen zum Zeichen meiner aufrich-
tigen Liebe bringen soll?
Lisette. Heirathen Sie mich.

Die verkehrte Welt.
Liſette. Ich moͤchte es ſchon darauf wagen.
Narr. Was meinen Sie, zum Exempel, von
der Anbetung?
Liſette. Wen wollen Sie anbeten?
Narr. Sie, meine Goͤttin.
Liſette. O mein Herr, fuͤr eine Goͤttin bin
ich wohl etwas zu ſchlecht.
Narr. Im Gegentheil, Allerglorreichſte, viel
zu gut, man kann in unſern Tagen faſt nichts Er-
baͤrmlichers ſeyn, als eine Goͤttin.
Liſette. Wie iſt das gekommen?
Narr. Das muͤſſen Sie die weiſen Leute
fragen, ich darf das Geheimniß nicht verrathen;
Weiſe und Thoren, thoͤrichte Weiſe, und weiſe
Narren haben die Weiber mit vieler Muͤhe zu
Goͤttinnen erhoben, um ſie recht bequem ſchlecht
zu machen, denn ſeitdem ſind ſie keine taube Nuß
mehr werth.
Liſette. Sie lieben mich alſo vielleicht?
Narr. O dies himmliſche Vielleicht laͤßt
mir noch einige Hofnung uͤbrig, daß Sie noch nicht
ſo ganz in mich vernarrt ſind —
Liſette. Und wenn ich es nun waͤre?
Narr. So ſaͤh ich mich ja genoͤthigt, vor
Entzuͤcken zu Ihren Fuͤßen zu ſterben.
Liſette. Das will ich mir verbitten.
Narr. Welches Opfer befehlen Sie denn
alſo, das ich Ihnen zum Zeichen meiner aufrich-
tigen Liebe bringen ſoll?
Liſette. Heirathen Sie mich.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0332" n="323"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die verkehrte Welt</hi>.</fw><lb/>
              <sp who="#LISETTE">
                <speaker><hi rendition="#g">Li&#x017F;ette</hi>.</speaker>
                <p>Ich mo&#x0364;chte es &#x017F;chon darauf wagen.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#NARR">
                <speaker><hi rendition="#g">Narr</hi>.</speaker>
                <p>Was meinen Sie, zum Exempel, von<lb/>
der Anbetung?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LISETTE">
                <speaker><hi rendition="#g">Li&#x017F;ette</hi>.</speaker>
                <p>Wen wollen Sie anbeten?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#NARR">
                <speaker><hi rendition="#g">Narr</hi>.</speaker>
                <p>Sie, meine Go&#x0364;ttin.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LISETTE">
                <speaker><hi rendition="#g">Li&#x017F;ette</hi>.</speaker>
                <p>O mein Herr, fu&#x0364;r eine Go&#x0364;ttin bin<lb/>
ich wohl etwas zu &#x017F;chlecht.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#NARR">
                <speaker><hi rendition="#g">Narr</hi>.</speaker>
                <p>Im Gegentheil, Allerglorreich&#x017F;te, viel<lb/>
zu gut, man kann in un&#x017F;ern Tagen fa&#x017F;t nichts Er-<lb/>
ba&#x0364;rmlichers &#x017F;eyn, als eine Go&#x0364;ttin.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LISETTE">
                <speaker><hi rendition="#g">Li&#x017F;ette</hi>.</speaker>
                <p>Wie i&#x017F;t das gekommen?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#NARR">
                <speaker><hi rendition="#g">Narr</hi>.</speaker>
                <p>Das mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Sie die wei&#x017F;en Leute<lb/>
fragen, ich darf das Geheimniß nicht verrathen;<lb/>
Wei&#x017F;e und Thoren, tho&#x0364;richte Wei&#x017F;e, und wei&#x017F;e<lb/>
Narren haben die Weiber mit vieler Mu&#x0364;he zu<lb/>
Go&#x0364;ttinnen erhoben, um &#x017F;ie recht bequem &#x017F;chlecht<lb/>
zu machen, denn &#x017F;eitdem &#x017F;ind &#x017F;ie keine taube Nuß<lb/>
mehr werth.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LISETTE">
                <speaker><hi rendition="#g">Li&#x017F;ette</hi>.</speaker>
                <p>Sie lieben mich al&#x017F;o vielleicht?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#NARR">
                <speaker><hi rendition="#g">Narr</hi>.</speaker>
                <p>O dies himmli&#x017F;che <hi rendition="#g">Vielleicht</hi> la&#x0364;ßt<lb/>
mir noch einige Hofnung u&#x0364;brig, daß Sie noch nicht<lb/>
&#x017F;o ganz in mich vernarrt &#x017F;ind &#x2014;</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LISETTE">
                <speaker><hi rendition="#g">Li&#x017F;ette</hi>.</speaker>
                <p>Und wenn ich es nun wa&#x0364;re?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#NARR">
                <speaker><hi rendition="#g">Narr</hi>.</speaker>
                <p>So &#x017F;a&#x0364;h ich mich ja geno&#x0364;thigt, vor<lb/>
Entzu&#x0364;cken zu Ihren Fu&#x0364;ßen zu &#x017F;terben.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LISETTE">
                <speaker><hi rendition="#g">Li&#x017F;ette</hi>.</speaker>
                <p>Das will ich mir verbitten.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#NARR">
                <speaker><hi rendition="#g">Narr</hi>.</speaker>
                <p>Welches Opfer befehlen Sie denn<lb/>
al&#x017F;o, das ich Ihnen zum Zeichen meiner aufrich-<lb/>
tigen Liebe bringen &#x017F;oll?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LISETTE">
                <speaker><hi rendition="#g">Li&#x017F;ette</hi>.</speaker>
                <p>Heirathen Sie mich.</p>
              </sp><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0332] Die verkehrte Welt. Liſette. Ich moͤchte es ſchon darauf wagen. Narr. Was meinen Sie, zum Exempel, von der Anbetung? Liſette. Wen wollen Sie anbeten? Narr. Sie, meine Goͤttin. Liſette. O mein Herr, fuͤr eine Goͤttin bin ich wohl etwas zu ſchlecht. Narr. Im Gegentheil, Allerglorreichſte, viel zu gut, man kann in unſern Tagen faſt nichts Er- baͤrmlichers ſeyn, als eine Goͤttin. Liſette. Wie iſt das gekommen? Narr. Das muͤſſen Sie die weiſen Leute fragen, ich darf das Geheimniß nicht verrathen; Weiſe und Thoren, thoͤrichte Weiſe, und weiſe Narren haben die Weiber mit vieler Muͤhe zu Goͤttinnen erhoben, um ſie recht bequem ſchlecht zu machen, denn ſeitdem ſind ſie keine taube Nuß mehr werth. Liſette. Sie lieben mich alſo vielleicht? Narr. O dies himmliſche Vielleicht laͤßt mir noch einige Hofnung uͤbrig, daß Sie noch nicht ſo ganz in mich vernarrt ſind — Liſette. Und wenn ich es nun waͤre? Narr. So ſaͤh ich mich ja genoͤthigt, vor Entzuͤcken zu Ihren Fuͤßen zu ſterben. Liſette. Das will ich mir verbitten. Narr. Welches Opfer befehlen Sie denn alſo, das ich Ihnen zum Zeichen meiner aufrich- tigen Liebe bringen ſoll? Liſette. Heirathen Sie mich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/332
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/332>, abgerufen am 25.11.2024.