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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Narr. Ich habe Sie mitgenommen, Herr
Graf, und das will ich beschwören.
Sternheim. Ist es nicht ein guter Esels-
kopf? -- Er sagt mir immer prächtige Grobheiten.
Narr. Und der Graf sagt mir herrliche Wahr-
heiten, denn er sagt mir nichts, und es ist eine
Wahrheit, daß er nichts ist und daß er nichts zu
sagen weiß.
Sternheim. Confuse, ein ungeordneter Ver-
stand, -- aber gute Anlagen.
Fuchsheim. (lachend.) Gute Anlagen zu einem
Narren, -- ja, ja, -- dafür sind seine Anlagen gut
genug.
Narr. Wissen Sie denn, was ein vollkom-
mener Narr zu bedeuten hat?
Sternheim. Dazu halt' ich Dich ja, Narr,
damit ich das beständig wissen möge.
Narr. Der Geschmack ist verschieden, ich
halte mir lieber einen Grafen.
Sternheim. Er darf mir alles bieten, weil
er nemlich nur ein Narr ist.
Fuchsheim. Ich muß mir auch einen an-
schaffen. Wo hat man die beste Sorte?
Sternheim. Sie gerathen nicht in jedem
Jahre gleich gut, manchmal ist ein ordentlicher
Mißwachs, -- ich habe sie auf meinen Gütern als
ein Landesprodukt ziehn wollen, -- aber sie sind
nicht eingeschlagen, -- das Klima muß nicht taugen.
Fuchsheim. Wenn man so manchmal seiner
Vernunft überdrüßig wird, so muß ein solcher Narr
ein wahrer Leckerbissen seyn.


Stern-
Zweite Abtheilung.
Narr. Ich habe Sie mitgenommen, Herr
Graf, und das will ich beſchwoͤren.
Sternheim. Iſt es nicht ein guter Eſels-
kopf? — Er ſagt mir immer praͤchtige Grobheiten.
Narr. Und der Graf ſagt mir herrliche Wahr-
heiten, denn er ſagt mir nichts, und es iſt eine
Wahrheit, daß er nichts iſt und daß er nichts zu
ſagen weiß.
Sternheim. Confuſe, ein ungeordneter Ver-
ſtand, — aber gute Anlagen.
Fuchsheim. (lachend.) Gute Anlagen zu einem
Narren, — ja, ja, — dafuͤr ſind ſeine Anlagen gut
genug.
Narr. Wiſſen Sie denn, was ein vollkom-
mener Narr zu bedeuten hat?
Sternheim. Dazu halt' ich Dich ja, Narr,
damit ich das beſtaͤndig wiſſen moͤge.
Narr. Der Geſchmack iſt verſchieden, ich
halte mir lieber einen Grafen.
Sternheim. Er darf mir alles bieten, weil
er nemlich nur ein Narr iſt.
Fuchsheim. Ich muß mir auch einen an-
ſchaffen. Wo hat man die beſte Sorte?
Sternheim. Sie gerathen nicht in jedem
Jahre gleich gut, manchmal iſt ein ordentlicher
Mißwachs, — ich habe ſie auf meinen Guͤtern als
ein Landesprodukt ziehn wollen, — aber ſie ſind
nicht eingeſchlagen, — das Klima muß nicht taugen.
Fuchsheim. Wenn man ſo manchmal ſeiner
Vernunft uͤberdruͤßig wird, ſo muß ein ſolcher Narr
ein wahrer Leckerbiſſen ſeyn.


Stern-
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[320/0329] Zweite Abtheilung. Narr. Ich habe Sie mitgenommen, Herr Graf, und das will ich beſchwoͤren. Sternheim. Iſt es nicht ein guter Eſels- kopf? — Er ſagt mir immer praͤchtige Grobheiten. Narr. Und der Graf ſagt mir herrliche Wahr- heiten, denn er ſagt mir nichts, und es iſt eine Wahrheit, daß er nichts iſt und daß er nichts zu ſagen weiß. Sternheim. Confuſe, ein ungeordneter Ver- ſtand, — aber gute Anlagen. Fuchsheim. (lachend.) Gute Anlagen zu einem Narren, — ja, ja, — dafuͤr ſind ſeine Anlagen gut genug. Narr. Wiſſen Sie denn, was ein vollkom- mener Narr zu bedeuten hat? Sternheim. Dazu halt' ich Dich ja, Narr, damit ich das beſtaͤndig wiſſen moͤge. Narr. Der Geſchmack iſt verſchieden, ich halte mir lieber einen Grafen. Sternheim. Er darf mir alles bieten, weil er nemlich nur ein Narr iſt. Fuchsheim. Ich muß mir auch einen an- ſchaffen. Wo hat man die beſte Sorte? Sternheim. Sie gerathen nicht in jedem Jahre gleich gut, manchmal iſt ein ordentlicher Mißwachs, — ich habe ſie auf meinen Guͤtern als ein Landesprodukt ziehn wollen, — aber ſie ſind nicht eingeſchlagen, — das Klima muß nicht taugen. Fuchsheim. Wenn man ſo manchmal ſeiner Vernunft uͤberdruͤßig wird, ſo muß ein ſolcher Narr ein wahrer Leckerbiſſen ſeyn. Stern-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/329>, abgerufen am 22.11.2024.