Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Der Blaubart. so wollten wir dir mit unsern Nägeln die kleinenblinzelnden grauen Augen auskratzen. Agnes. Widerliches Unthier! kein Mensch, sondern eine Mißgeburt! Als deine Mutter dich geboren hatte, hätte sie dich wie einen jungen Hund ersäufen sollen, damit du nicht Unglück in die Welt gebracht hättest. Hugo. Ho ho! was hält mich denn ab, Euch beide von hier hinunter zu stürzen? Besinnt Euch doch, Ihr seid ja toll! -- Ist das eine Sprache für Mädchen? -- Nun komm, Agnes, unten ist aufgeschlossen. Agnes. Und es ist also dein Ernst? -- O weh! ich kann nicht mehr, meine Kräfte sind erschöpft. Hugo. Komm! Agnes. Ein Gebet zum Himmel zu sen- den, -- so viele Zeit wirst du mir doch noch übrig lassen? Hugo. Aber mach schnell, ich warte unten auf dich. -- (geht ab.) Agnes. Ach, Schwester, wäre es nicht eben so gut, wenn ich jetzt gleich hier hinunter spränge? -- Aber mir fehlt der Muth. -- (sie kniet nieder) Ich will beten. -- O wenn doch jetzt meine Brüder kämen! -- Schwester, sieh doch einmal ins Feld hinaus; es wäre ja doch möglich. -- Ach! kein Gedanke zum Himmel! -- Siehst du nichts? Hugo. (von unten) Agnes! Agnes. Sogleich. Anne. Ich sehe nichts als Feld und Wald II. [ 9 ]
Der Blaubart. ſo wollten wir dir mit unſern Naͤgeln die kleinenblinzelnden grauen Augen auskratzen. Agnes. Widerliches Unthier! kein Menſch, ſondern eine Mißgeburt! Als deine Mutter dich geboren hatte, haͤtte ſie dich wie einen jungen Hund erſaͤufen ſollen, damit du nicht Ungluͤck in die Welt gebracht haͤtteſt. Hugo. Ho ho! was haͤlt mich denn ab, Euch beide von hier hinunter zu ſtuͤrzen? Beſinnt Euch doch, Ihr ſeid ja toll! — Iſt das eine Sprache fuͤr Maͤdchen? — Nun komm, Agnes, unten iſt aufgeſchloſſen. Agnes. Und es iſt alſo dein Ernſt? — O weh! ich kann nicht mehr, meine Kraͤfte ſind erſchoͤpft. Hugo. Komm! Agnes. Ein Gebet zum Himmel zu ſen- den, — ſo viele Zeit wirſt du mir doch noch uͤbrig laſſen? Hugo. Aber mach ſchnell, ich warte unten auf dich. — (geht ab.) Agnes. Ach, Schweſter, waͤre es nicht eben ſo gut, wenn ich jetzt gleich hier hinunter ſpraͤnge? — Aber mir fehlt der Muth. — (ſie kniet nieder) Ich will beten. — O wenn doch jetzt meine Bruͤder kaͤmen! — Schweſter, ſieh doch einmal ins Feld hinaus; es waͤre ja doch moͤglich. — Ach! kein Gedanke zum Himmel! — Siehſt du nichts? Hugo. (von unten) Agnes! Agnes. Sogleich. Anne. Ich ſehe nichts als Feld und Wald II. [ 9 ]
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#ANN"> <p><pb facs="#f0138" n="129"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Blaubart</hi>.</fw><lb/> ſo wollten wir dir mit unſern Naͤgeln die kleinen<lb/> blinzelnden grauen Augen auskratzen.</p> </sp><lb/> <sp who="#AGN"> <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker> <p>Widerliches Unthier! kein Menſch,<lb/> ſondern eine Mißgeburt! Als deine Mutter dich<lb/> geboren hatte, haͤtte ſie dich wie einen jungen<lb/> Hund erſaͤufen ſollen, damit du nicht Ungluͤck in<lb/> die Welt gebracht haͤtteſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#HUGO"> <speaker><hi rendition="#g">Hugo</hi>.</speaker> <p>Ho ho! was haͤlt mich denn ab, Euch<lb/> beide von hier hinunter zu ſtuͤrzen? Beſinnt Euch<lb/> doch, Ihr ſeid ja toll! — Iſt das eine Sprache<lb/> fuͤr Maͤdchen? — Nun komm, Agnes, unten iſt<lb/> aufgeſchloſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#AGN"> <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker> <p>Und es iſt alſo dein Ernſt? — O<lb/> weh! ich kann nicht mehr, meine Kraͤfte ſind<lb/> erſchoͤpft.</p> </sp><lb/> <sp who="#HUGO"> <speaker><hi rendition="#g">Hugo</hi>.</speaker> <p>Komm!</p> </sp><lb/> <sp who="#AGN"> <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker> <p>Ein Gebet zum Himmel zu ſen-<lb/> den, — ſo viele Zeit wirſt du mir doch noch uͤbrig<lb/> laſſen?</p> </sp><lb/> <sp who="#HUGO"> <speaker><hi rendition="#g">Hugo</hi>.</speaker> <p>Aber mach ſchnell, ich warte unten<lb/> auf dich. —</p> <stage>(geht ab.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#AGN"> <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker> <p>Ach, Schweſter, waͤre es nicht eben<lb/> ſo gut, wenn ich jetzt gleich hier hinunter ſpraͤnge? —<lb/> Aber mir fehlt der Muth. — <stage>(ſie kniet nieder)</stage> Ich<lb/> will beten. — O wenn doch jetzt meine Bruͤder<lb/> kaͤmen! — Schweſter, ſieh doch einmal ins Feld<lb/> hinaus; es waͤre ja doch moͤglich. — Ach! kein<lb/> Gedanke zum Himmel! — Siehſt du nichts?</p> </sp><lb/> <sp who="#HUGO"> <speaker><hi rendition="#g">Hugo</hi>.</speaker> <stage>(von unten)</stage> <p>Agnes!</p> </sp><lb/> <sp who="#AGN"> <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker> <p>Sogleich.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANN"> <speaker><hi rendition="#g">Anne</hi>.</speaker> <p>Ich ſehe nichts als Feld und Wald<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II.</hi> [ 9 ]</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [129/0138]
Der Blaubart.
ſo wollten wir dir mit unſern Naͤgeln die kleinen
blinzelnden grauen Augen auskratzen.
Agnes. Widerliches Unthier! kein Menſch,
ſondern eine Mißgeburt! Als deine Mutter dich
geboren hatte, haͤtte ſie dich wie einen jungen
Hund erſaͤufen ſollen, damit du nicht Ungluͤck in
die Welt gebracht haͤtteſt.
Hugo. Ho ho! was haͤlt mich denn ab, Euch
beide von hier hinunter zu ſtuͤrzen? Beſinnt Euch
doch, Ihr ſeid ja toll! — Iſt das eine Sprache
fuͤr Maͤdchen? — Nun komm, Agnes, unten iſt
aufgeſchloſſen.
Agnes. Und es iſt alſo dein Ernſt? — O
weh! ich kann nicht mehr, meine Kraͤfte ſind
erſchoͤpft.
Hugo. Komm!
Agnes. Ein Gebet zum Himmel zu ſen-
den, — ſo viele Zeit wirſt du mir doch noch uͤbrig
laſſen?
Hugo. Aber mach ſchnell, ich warte unten
auf dich. — (geht ab.)
Agnes. Ach, Schweſter, waͤre es nicht eben
ſo gut, wenn ich jetzt gleich hier hinunter ſpraͤnge? —
Aber mir fehlt der Muth. — (ſie kniet nieder) Ich
will beten. — O wenn doch jetzt meine Bruͤder
kaͤmen! — Schweſter, ſieh doch einmal ins Feld
hinaus; es waͤre ja doch moͤglich. — Ach! kein
Gedanke zum Himmel! — Siehſt du nichts?
Hugo. (von unten) Agnes!
Agnes. Sogleich.
Anne. Ich ſehe nichts als Feld und Wald
II. [ 9 ]
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |