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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
als Eure Gattin, und laßt mich als eine Magd
hier dienen; laßt mich der Alten unterthänig seyn,
nur schenkt mir das Leben.
Hugo. Alle deine Bitten sind vergebens, es
ist gegen mein Gelübde.
Anne. (kniet nieder) Seid meiner Schwester
gnädig, laßt Euer Herz sich erweichen, wie es dem
Menschen geziemt, ertheilt Gnade um Gnade
erwarten zu dürfen; o seht die Angst des armen
Mädchens, laßt meine Thränen Euch zu Herzen
gehn; ich will nicht sagen, ihr Fehler ist gering,
aber um so größer er ist, um so preiswürdiger ist
Eure Milde.
Agnes. Lieber, Theurer, sieh aus gütigen
Augen, nicht so; o laß mich dein Knie flehend
berühren, wende dich nicht so kalt von mir ab,
gedenke der Liebe, die du mir verheißen hast. Ach,
nicht so schrecklich, so schrecklich nicht laß mich
enden, schleppe mich nicht in die Blutkammer, ver-
treibe mich in den Wald, zu Hirschen und Wöl-
fen, nur hier nicht, -- nur heut nicht enden!
Hugo. Alles ist umsonst.
Agnes. Jede Bitte, jede Thräne ist vergebens?
Hugo. Beim Himmel!
Agnes. (steht heftig auf) Nun so steh auf,
Schwester, entweihe deine Knie nicht länger! So
höre mich denn zuletzt, du kaltblütiges, blutdürsti-
ges Ungeheuer, höre, daß ich dich verabscheue, daß
jeder Mensch dich verabscheuen muß, daß du dei-
ner Strafe nicht entrinnen wirst!
Anne. Wären nur noch zwei Mädchen hier,
so
Zweite Abtheilung.
als Eure Gattin, und laßt mich als eine Magd
hier dienen; laßt mich der Alten unterthaͤnig ſeyn,
nur ſchenkt mir das Leben.
Hugo. Alle deine Bitten ſind vergebens, es
iſt gegen mein Geluͤbde.
Anne. (kniet nieder) Seid meiner Schweſter
gnaͤdig, laßt Euer Herz ſich erweichen, wie es dem
Menſchen geziemt, ertheilt Gnade um Gnade
erwarten zu duͤrfen; o ſeht die Angſt des armen
Maͤdchens, laßt meine Thraͤnen Euch zu Herzen
gehn; ich will nicht ſagen, ihr Fehler iſt gering,
aber um ſo groͤßer er iſt, um ſo preiswuͤrdiger iſt
Eure Milde.
Agnes. Lieber, Theurer, ſieh aus guͤtigen
Augen, nicht ſo; o laß mich dein Knie flehend
beruͤhren, wende dich nicht ſo kalt von mir ab,
gedenke der Liebe, die du mir verheißen haſt. Ach,
nicht ſo ſchrecklich, ſo ſchrecklich nicht laß mich
enden, ſchleppe mich nicht in die Blutkammer, ver-
treibe mich in den Wald, zu Hirſchen und Woͤl-
fen, nur hier nicht, — nur heut nicht enden!
Hugo. Alles iſt umſonſt.
Agnes. Jede Bitte, jede Thraͤne iſt vergebens?
Hugo. Beim Himmel!
Agnes. (ſteht heftig auf) Nun ſo ſteh auf,
Schweſter, entweihe deine Knie nicht laͤnger! So
hoͤre mich denn zuletzt, du kaltbluͤtiges, blutduͤrſti-
ges Ungeheuer, hoͤre, daß ich dich verabſcheue, daß
jeder Menſch dich verabſcheuen muß, daß du dei-
ner Strafe nicht entrinnen wirſt!
Anne. Waͤren nur noch zwei Maͤdchen hier,
ſo
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[128/0137] Zweite Abtheilung. als Eure Gattin, und laßt mich als eine Magd hier dienen; laßt mich der Alten unterthaͤnig ſeyn, nur ſchenkt mir das Leben. Hugo. Alle deine Bitten ſind vergebens, es iſt gegen mein Geluͤbde. Anne. (kniet nieder) Seid meiner Schweſter gnaͤdig, laßt Euer Herz ſich erweichen, wie es dem Menſchen geziemt, ertheilt Gnade um Gnade erwarten zu duͤrfen; o ſeht die Angſt des armen Maͤdchens, laßt meine Thraͤnen Euch zu Herzen gehn; ich will nicht ſagen, ihr Fehler iſt gering, aber um ſo groͤßer er iſt, um ſo preiswuͤrdiger iſt Eure Milde. Agnes. Lieber, Theurer, ſieh aus guͤtigen Augen, nicht ſo; o laß mich dein Knie flehend beruͤhren, wende dich nicht ſo kalt von mir ab, gedenke der Liebe, die du mir verheißen haſt. Ach, nicht ſo ſchrecklich, ſo ſchrecklich nicht laß mich enden, ſchleppe mich nicht in die Blutkammer, ver- treibe mich in den Wald, zu Hirſchen und Woͤl- fen, nur hier nicht, — nur heut nicht enden! Hugo. Alles iſt umſonſt. Agnes. Jede Bitte, jede Thraͤne iſt vergebens? Hugo. Beim Himmel! Agnes. (ſteht heftig auf) Nun ſo ſteh auf, Schweſter, entweihe deine Knie nicht laͤnger! So hoͤre mich denn zuletzt, du kaltbluͤtiges, blutduͤrſti- ges Ungeheuer, hoͤre, daß ich dich verabſcheue, daß jeder Menſch dich verabſcheuen muß, daß du dei- ner Strafe nicht entrinnen wirſt! Anne. Waͤren nur noch zwei Maͤdchen hier, ſo

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/137>, abgerufen am 07.05.2024.