Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Einleitung. als wir den rauhen Berg nun erstiegen hatten,und unter mir die grünen Thäler mit ihren blitzenden Bächen lagen, so wie die zusammen- schlagenden Blätter eines herrlichen alten Ge- dichtes, aus welchem uns schon einzelne liebliche Verse entgegen äugeln, die uns auf das Ganze um so lüsterner machen: nun entdeckt' ich in der grünenden Verwirrung das hellrothe Dach dei- nes Hauses und die reinlich glänzenden Wände, ich sah in den viereckten Hof hinein, und dane- ben in den Garten, den gerade Baumgänge bil- deten und verschlossene Lauben, die Wege so genau abgemessen, die Springbrunnen schim- mernd; alles dies schien mir eben so wie ein helles Miniaturbild aus beschriebenen Perga- mentblättern alter Vorzeit entgegen, und befan- gen von poetischen Erinnerungen fuhr ich herun- ter, und stieg noch mit diesen Empfindungen in deinem Hause ab, wo ich nun alles so lieblich und reizend gefunden habe. Ich gestehe gern, ich liebe die Gärten vor allen, die auch unsern Vorfahren so theuer waren, die nur eine grü- nende geräumige Fortsetzung des Hauses sind, wo ich die geraden Wände wieder antreffe, wo keine unvermuthete Beugung mich überrascht, wo mein Auge sich schon im voraus unter den Baum- stämmen ergeht, wo ich im Freyen die großen und breiten Blumenfelder finde, und vorzüglich die lebendigen spielenden Wasserkünste, die mir ein unbeschreibliches Wohlgefallen erregen. Einleitung. als wir den rauhen Berg nun erſtiegen hatten,und unter mir die gruͤnen Thaͤler mit ihren blitzenden Baͤchen lagen, ſo wie die zuſammen- ſchlagenden Blaͤtter eines herrlichen alten Ge- dichtes, aus welchem uns ſchon einzelne liebliche Verſe entgegen aͤugeln, die uns auf das Ganze um ſo luͤſterner machen: nun entdeckt' ich in der gruͤnenden Verwirrung das hellrothe Dach dei- nes Hauſes und die reinlich glaͤnzenden Waͤnde, ich ſah in den viereckten Hof hinein, und dane- ben in den Garten, den gerade Baumgaͤnge bil- deten und verſchloſſene Lauben, die Wege ſo genau abgemeſſen, die Springbrunnen ſchim- mernd; alles dies ſchien mir eben ſo wie ein helles Miniaturbild aus beſchriebenen Perga- mentblaͤttern alter Vorzeit entgegen, und befan- gen von poetiſchen Erinnerungen fuhr ich herun- ter, und ſtieg noch mit dieſen Empfindungen in deinem Hauſe ab, wo ich nun alles ſo lieblich und reizend gefunden habe. Ich geſtehe gern, ich liebe die Gaͤrten vor allen, die auch unſern Vorfahren ſo theuer waren, die nur eine gruͤ- nende geraͤumige Fortſetzung des Hauſes ſind, wo ich die geraden Waͤnde wieder antreffe, wo keine unvermuthete Beugung mich uͤberraſcht, wo mein Auge ſich ſchon im voraus unter den Baum- ſtaͤmmen ergeht, wo ich im Freyen die großen und breiten Blumenfelder finde, und vorzuͤglich die lebendigen ſpielenden Waſſerkuͤnſte, die mir ein unbeſchreibliches Wohlgefallen erregen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0099" n="88"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> als wir den rauhen Berg nun erſtiegen hatten,<lb/> und unter mir die gruͤnen Thaͤler mit ihren<lb/> blitzenden Baͤchen lagen, ſo wie die zuſammen-<lb/> ſchlagenden Blaͤtter eines herrlichen alten Ge-<lb/> dichtes, aus welchem uns ſchon einzelne liebliche<lb/> Verſe entgegen aͤugeln, die uns auf das Ganze<lb/> um ſo luͤſterner machen: nun entdeckt' ich in der<lb/> gruͤnenden Verwirrung das hellrothe Dach dei-<lb/> nes Hauſes und die reinlich glaͤnzenden Waͤnde,<lb/> ich ſah in den viereckten Hof hinein, und dane-<lb/> ben in den Garten, den gerade Baumgaͤnge bil-<lb/> deten und verſchloſſene Lauben, die Wege ſo<lb/> genau abgemeſſen, die Springbrunnen ſchim-<lb/> mernd; alles dies ſchien mir eben ſo wie ein<lb/> helles Miniaturbild aus beſchriebenen Perga-<lb/> mentblaͤttern alter Vorzeit entgegen, und befan-<lb/> gen von poetiſchen Erinnerungen fuhr ich herun-<lb/> ter, und ſtieg noch mit dieſen Empfindungen in<lb/> deinem Hauſe ab, wo ich nun alles ſo lieblich<lb/> und reizend gefunden habe. Ich geſtehe gern,<lb/> ich liebe die Gaͤrten vor allen, die auch unſern<lb/> Vorfahren ſo theuer waren, die nur eine gruͤ-<lb/> nende geraͤumige Fortſetzung des Hauſes ſind,<lb/> wo ich die geraden Waͤnde wieder antreffe, wo<lb/> keine unvermuthete Beugung mich uͤberraſcht, wo<lb/> mein Auge ſich ſchon im voraus unter den Baum-<lb/> ſtaͤmmen ergeht, wo ich im Freyen die großen<lb/> und breiten Blumenfelder finde, und vorzuͤglich<lb/> die lebendigen ſpielenden Waſſerkuͤnſte, die mir<lb/> ein unbeſchreibliches Wohlgefallen erregen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [88/0099]
Einleitung.
als wir den rauhen Berg nun erſtiegen hatten,
und unter mir die gruͤnen Thaͤler mit ihren
blitzenden Baͤchen lagen, ſo wie die zuſammen-
ſchlagenden Blaͤtter eines herrlichen alten Ge-
dichtes, aus welchem uns ſchon einzelne liebliche
Verſe entgegen aͤugeln, die uns auf das Ganze
um ſo luͤſterner machen: nun entdeckt' ich in der
gruͤnenden Verwirrung das hellrothe Dach dei-
nes Hauſes und die reinlich glaͤnzenden Waͤnde,
ich ſah in den viereckten Hof hinein, und dane-
ben in den Garten, den gerade Baumgaͤnge bil-
deten und verſchloſſene Lauben, die Wege ſo
genau abgemeſſen, die Springbrunnen ſchim-
mernd; alles dies ſchien mir eben ſo wie ein
helles Miniaturbild aus beſchriebenen Perga-
mentblaͤttern alter Vorzeit entgegen, und befan-
gen von poetiſchen Erinnerungen fuhr ich herun-
ter, und ſtieg noch mit dieſen Empfindungen in
deinem Hauſe ab, wo ich nun alles ſo lieblich
und reizend gefunden habe. Ich geſtehe gern,
ich liebe die Gaͤrten vor allen, die auch unſern
Vorfahren ſo theuer waren, die nur eine gruͤ-
nende geraͤumige Fortſetzung des Hauſes ſind,
wo ich die geraden Waͤnde wieder antreffe, wo
keine unvermuthete Beugung mich uͤberraſcht, wo
mein Auge ſich ſchon im voraus unter den Baum-
ſtaͤmmen ergeht, wo ich im Freyen die großen
und breiten Blumenfelder finde, und vorzuͤglich
die lebendigen ſpielenden Waſſerkuͤnſte, die mir
ein unbeſchreibliches Wohlgefallen erregen.
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