Mit derselben Empfindung, antwortete Man- fred, betrat ich zuerst diese Gegend, dieser Gar- ten lockte mich sogleich freundlich an. Ich liebe es, im Freyen gesellschaftlich wandeln zu können, im ungestörten Gespräch, die Blumen sehen mich an, die Bäume rauschen, oder ich höre halb auf das Geschwätz der Brunnen hin; belästigt die Sonne, so empfangen uns die dichtverfloch- tenen Buchengänge, in denen das Licht zum Smaragd verwandelt wird, und wo die lieblich- sten Nachtigallen flattern und singen.
Mit Entzücken, so redete Ernst weiter, muß ich an die schönen Gärten bei Rom und in man- chen Gegenden Italiens denken, und sie haben meine Phantasie so eingenommen, daß ich oft des Nachts im Traum zwischen ihren hohen Myr- then- und Lorbeergängen wandle, daß ich oft- mals, wie die unvermuthete Stimme eines lange abwesenden Freundes, das liebliche Sprudeln ihrer Brunnen zu vernehmen wähne. Hat sich irgendwo ein edles Gemüth so ganz wie in ei- nem vielseitigen Gedicht ausgesprochen, so ist es vor allen dasjenige, welches die Borghesische Villa angelegt und ausgeführt hat. Was die Welt an Blumen und zarten Pflanzen, an ho- hen schönen Bäumen besitzt, allen Reitz großer und freier Räume, wo uns labend die Luft des heitern Himmels umgiebt, labyrinthische Baum- gewinde, wo sich Epheu um alte Stämme im Dunkel schlingt, und in der süßen Heimlichkeit
Einleitung.
Mit derſelben Empfindung, antwortete Man- fred, betrat ich zuerſt dieſe Gegend, dieſer Gar- ten lockte mich ſogleich freundlich an. Ich liebe es, im Freyen geſellſchaftlich wandeln zu koͤnnen, im ungeſtoͤrten Geſpraͤch, die Blumen ſehen mich an, die Baͤume rauſchen, oder ich hoͤre halb auf das Geſchwaͤtz der Brunnen hin; belaͤſtigt die Sonne, ſo empfangen uns die dichtverfloch- tenen Buchengaͤnge, in denen das Licht zum Smaragd verwandelt wird, und wo die lieblich- ſten Nachtigallen flattern und ſingen.
Mit Entzuͤcken, ſo redete Ernſt weiter, muß ich an die ſchoͤnen Gaͤrten bei Rom und in man- chen Gegenden Italiens denken, und ſie haben meine Phantaſie ſo eingenommen, daß ich oft des Nachts im Traum zwiſchen ihren hohen Myr- then- und Lorbeergaͤngen wandle, daß ich oft- mals, wie die unvermuthete Stimme eines lange abweſenden Freundes, das liebliche Sprudeln ihrer Brunnen zu vernehmen waͤhne. Hat ſich irgendwo ein edles Gemuͤth ſo ganz wie in ei- nem vielſeitigen Gedicht ausgeſprochen, ſo iſt es vor allen dasjenige, welches die Borgheſiſche Villa angelegt und ausgefuͤhrt hat. Was die Welt an Blumen und zarten Pflanzen, an ho- hen ſchoͤnen Baͤumen beſitzt, allen Reitz großer und freier Raͤume, wo uns labend die Luft des heitern Himmels umgiebt, labyrinthiſche Baum- gewinde, wo ſich Epheu um alte Staͤmme im Dunkel ſchlingt, und in der ſuͤßen Heimlichkeit
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Einleitung.
Mit derſelben Empfindung, antwortete Man-
fred, betrat ich zuerſt dieſe Gegend, dieſer Gar-
ten lockte mich ſogleich freundlich an. Ich liebe
es, im Freyen geſellſchaftlich wandeln zu koͤnnen,
im ungeſtoͤrten Geſpraͤch, die Blumen ſehen mich
an, die Baͤume rauſchen, oder ich hoͤre halb
auf das Geſchwaͤtz der Brunnen hin; belaͤſtigt
die Sonne, ſo empfangen uns die dichtverfloch-
tenen Buchengaͤnge, in denen das Licht zum
Smaragd verwandelt wird, und wo die lieblich-
ſten Nachtigallen flattern und ſingen.
Mit Entzuͤcken, ſo redete Ernſt weiter, muß
ich an die ſchoͤnen Gaͤrten bei Rom und in man-
chen Gegenden Italiens denken, und ſie haben
meine Phantaſie ſo eingenommen, daß ich oft
des Nachts im Traum zwiſchen ihren hohen Myr-
then- und Lorbeergaͤngen wandle, daß ich oft-
mals, wie die unvermuthete Stimme eines lange
abweſenden Freundes, das liebliche Sprudeln
ihrer Brunnen zu vernehmen waͤhne. Hat ſich
irgendwo ein edles Gemuͤth ſo ganz wie in ei-
nem vielſeitigen Gedicht ausgeſprochen, ſo iſt es
vor allen dasjenige, welches die Borgheſiſche
Villa angelegt und ausgefuͤhrt hat. Was die
Welt an Blumen und zarten Pflanzen, an ho-
hen ſchoͤnen Baͤumen beſitzt, allen Reitz großer
und freier Raͤume, wo uns labend die Luft des
heitern Himmels umgiebt, labyrinthiſche Baum-
gewinde, wo ſich Epheu um alte Staͤmme im
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/100>, abgerufen am 23.11.2024.
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