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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Liebeszauber.

Und Pfeifentöne springen
Mit gellendem Geschrei
Zwischen dröhnenden tönenden Geigen
In rasender Wuth herbei,
Das wilde Gemüth zu zeigen,
Und grimmig zu morden das stille kindliche Schwei-
gen. --

Wohin dreht sich der Reigen?
Was sucht die springende Menge
Im windenden Gedränge? --
Vorüber! Es glänzen die Lichter,
Wir tummeln uns näher und dichter,
Es jauchzt in uns das blöde Herz;
Lauter tönet
Grimmer dröhnet
Ihr Cymbeln, ihr Pfeifen! betäubet den Schmerz,
Er werde zum Scherz! --
Du winkst mir, holdes Angesicht?
Es lacht der Mund, der Augen Licht;
Herbei, daß ich dich fasse,
Im Schweben wieder lasse;
Ich weiß, die Schönheit bald zerbricht,
Der Mund verstummt, der lieblich spricht,
Dich faßt des Todes Arm.
Was winkst du, Schädel, freundlich mir?
Kein Kummer mir, nicht Angst und Harm,
Daß du so bald erbleichest hier,
Wohl heut, wohl morgen.
Was sollen die Sorgen?
Ich lebe und schwebe im Reigen vorüber vor dir. --
Heut lieb ich dich,
Jetzt meinst du mich;
Ach, Noth und Angst sie lauern

Liebeszauber.

Und Pfeifentoͤne ſpringen
Mit gellendem Geſchrei
Zwiſchen droͤhnenden toͤnenden Geigen
In raſender Wuth herbei,
Das wilde Gemuͤth zu zeigen,
Und grimmig zu morden das ſtille kindliche Schwei-
gen. —

Wohin dreht ſich der Reigen?
Was ſucht die ſpringende Menge
Im windenden Gedraͤnge? —
Voruͤber! Es glaͤnzen die Lichter,
Wir tummeln uns naͤher und dichter,
Es jauchzt in uns das bloͤde Herz;
Lauter toͤnet
Grimmer droͤhnet
Ihr Cymbeln, ihr Pfeifen! betaͤubet den Schmerz,
Er werde zum Scherz! —
Du winkſt mir, holdes Angeſicht?
Es lacht der Mund, der Augen Licht;
Herbei, daß ich dich faſſe,
Im Schweben wieder laſſe;
Ich weiß, die Schoͤnheit bald zerbricht,
Der Mund verſtummt, der lieblich ſpricht,
Dich faßt des Todes Arm.
Was winkſt du, Schaͤdel, freundlich mir?
Kein Kummer mir, nicht Angſt und Harm,
Daß du ſo bald erbleicheſt hier,
Wohl heut, wohl morgen.
Was ſollen die Sorgen?
Ich lebe und ſchwebe im Reigen voruͤber vor dir. —
Heut lieb ich dich,
Jetzt meinſt du mich;
Ach, Noth und Angſt ſie lauern
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[293/0304] Liebeszauber. Und Pfeifentoͤne ſpringen Mit gellendem Geſchrei Zwiſchen droͤhnenden toͤnenden Geigen In raſender Wuth herbei, Das wilde Gemuͤth zu zeigen, Und grimmig zu morden das ſtille kindliche Schwei- gen. — Wohin dreht ſich der Reigen? Was ſucht die ſpringende Menge Im windenden Gedraͤnge? — Voruͤber! Es glaͤnzen die Lichter, Wir tummeln uns naͤher und dichter, Es jauchzt in uns das bloͤde Herz; Lauter toͤnet Grimmer droͤhnet Ihr Cymbeln, ihr Pfeifen! betaͤubet den Schmerz, Er werde zum Scherz! — Du winkſt mir, holdes Angeſicht? Es lacht der Mund, der Augen Licht; Herbei, daß ich dich faſſe, Im Schweben wieder laſſe; Ich weiß, die Schoͤnheit bald zerbricht, Der Mund verſtummt, der lieblich ſpricht, Dich faßt des Todes Arm. Was winkſt du, Schaͤdel, freundlich mir? Kein Kummer mir, nicht Angſt und Harm, Daß du ſo bald erbleicheſt hier, Wohl heut, wohl morgen. Was ſollen die Sorgen? Ich lebe und ſchwebe im Reigen voruͤber vor dir. — Heut lieb ich dich, Jetzt meinſt du mich; Ach, Noth und Angſt ſie lauern

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/304>, abgerufen am 22.05.2024.