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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
in Ländereien und auf andere Weise angelegt.
Im Dorfe wurde bald von dem Reichthum des
jungen Pachters gesprochen, und Christian schien
außerordentlich zufrieden und vergnügt, so daß der
Vater sich glücklich pries, ihn so wohl und heiter
zu sehn: alle Furcht war jetzt in seiner Seele ver-
schwunden. Wie sehr mußte er daher erstaunen,
als ihn an einem Abend Elisabeth beiseit nahm
und unter Thränen erzählte, wie sie ihren Mann
nicht mehr verstehe, er spreche so irre, vorzüglich
des Nachts, er träume schwer, gehe oft im Schlafe
lange in der Stube herum, ohne es zu wissen, und
erzähle wunderbare Dinge, vor denen sie oft schau-
dern müsse. Am schrecklichsten sey ihr seine Lustig-
keit am Tage, denn sein Lachen sey so wild und
frech, sein Blick irre und fremd. Der Vater erschrack
und die betrübte Gattin fuhr fort: Immer spricht
er von dem Fremden, und behauptet, daß er ihn
schon sonst gekannt habe, denn dieser fremde Mann
sey eigentlich ein wunderschönes Weib; auch will
er gar nicht mehr auf das Feld hinaus gehn oder
im Garten arbeiten, denn er sagt, er höre ein
unterirdisches fürchterliches Aechzen, so wie er nur
eine Wurzel ausziehe; er fährt zusammen und
scheint sich vor allen Pflanzen und Kräutern wie
vor Gespenstern zu entsetzen. -- Allgütiger Gott!
rief der Vater aus, ist der fürchterliche Hunger in
ihn schon so fest hinein gewachsen, daß es dahin
hat kommen können? So ist sein verzaubertes Herz
nicht menschlich mehr, sondern von kaltem Metall;

Erſte Abtheilung.
in Laͤndereien und auf andere Weiſe angelegt.
Im Dorfe wurde bald von dem Reichthum des
jungen Pachters geſprochen, und Chriſtian ſchien
außerordentlich zufrieden und vergnuͤgt, ſo daß der
Vater ſich gluͤcklich pries, ihn ſo wohl und heiter
zu ſehn: alle Furcht war jetzt in ſeiner Seele ver-
ſchwunden. Wie ſehr mußte er daher erſtaunen,
als ihn an einem Abend Eliſabeth beiſeit nahm
und unter Thraͤnen erzaͤhlte, wie ſie ihren Mann
nicht mehr verſtehe, er ſpreche ſo irre, vorzuͤglich
des Nachts, er traͤume ſchwer, gehe oft im Schlafe
lange in der Stube herum, ohne es zu wiſſen, und
erzaͤhle wunderbare Dinge, vor denen ſie oft ſchau-
dern muͤſſe. Am ſchrecklichſten ſey ihr ſeine Luſtig-
keit am Tage, denn ſein Lachen ſey ſo wild und
frech, ſein Blick irre und fremd. Der Vater erſchrack
und die betruͤbte Gattin fuhr fort: Immer ſpricht
er von dem Fremden, und behauptet, daß er ihn
ſchon ſonſt gekannt habe, denn dieſer fremde Mann
ſey eigentlich ein wunderſchoͤnes Weib; auch will
er gar nicht mehr auf das Feld hinaus gehn oder
im Garten arbeiten, denn er ſagt, er hoͤre ein
unterirdiſches fuͤrchterliches Aechzen, ſo wie er nur
eine Wurzel ausziehe; er faͤhrt zuſammen und
ſcheint ſich vor allen Pflanzen und Kraͤutern wie
vor Geſpenſtern zu entſetzen. — Allguͤtiger Gott!
rief der Vater aus, iſt der fuͤrchterliche Hunger in
ihn ſchon ſo feſt hinein gewachſen, daß es dahin
hat kommen koͤnnen? So iſt ſein verzaubertes Herz
nicht menſchlich mehr, ſondern von kaltem Metall;

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[262/0273] Erſte Abtheilung. in Laͤndereien und auf andere Weiſe angelegt. Im Dorfe wurde bald von dem Reichthum des jungen Pachters geſprochen, und Chriſtian ſchien außerordentlich zufrieden und vergnuͤgt, ſo daß der Vater ſich gluͤcklich pries, ihn ſo wohl und heiter zu ſehn: alle Furcht war jetzt in ſeiner Seele ver- ſchwunden. Wie ſehr mußte er daher erſtaunen, als ihn an einem Abend Eliſabeth beiſeit nahm und unter Thraͤnen erzaͤhlte, wie ſie ihren Mann nicht mehr verſtehe, er ſpreche ſo irre, vorzuͤglich des Nachts, er traͤume ſchwer, gehe oft im Schlafe lange in der Stube herum, ohne es zu wiſſen, und erzaͤhle wunderbare Dinge, vor denen ſie oft ſchau- dern muͤſſe. Am ſchrecklichſten ſey ihr ſeine Luſtig- keit am Tage, denn ſein Lachen ſey ſo wild und frech, ſein Blick irre und fremd. Der Vater erſchrack und die betruͤbte Gattin fuhr fort: Immer ſpricht er von dem Fremden, und behauptet, daß er ihn ſchon ſonſt gekannt habe, denn dieſer fremde Mann ſey eigentlich ein wunderſchoͤnes Weib; auch will er gar nicht mehr auf das Feld hinaus gehn oder im Garten arbeiten, denn er ſagt, er hoͤre ein unterirdiſches fuͤrchterliches Aechzen, ſo wie er nur eine Wurzel ausziehe; er faͤhrt zuſammen und ſcheint ſich vor allen Pflanzen und Kraͤutern wie vor Geſpenſtern zu entſetzen. — Allguͤtiger Gott! rief der Vater aus, iſt der fuͤrchterliche Hunger in ihn ſchon ſo feſt hinein gewachſen, daß es dahin hat kommen koͤnnen? So iſt ſein verzaubertes Herz nicht menſchlich mehr, ſondern von kaltem Metall;

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/273>, abgerufen am 23.11.2024.