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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Der getreue Eckart.
als alle übrige Männer, vor wem darfst du dich
denn fürchten?

Indem zog die Jagd des Herzoges heim nach
Hause. Burgund saß auf einem stattlichen, schön
geschmückten Rosse, und Gold und Geschmeide des
fürstlichen Herzogs flimmerte und blinkte in der
Abendsonne, so daß der junge Conrad den herrli-
chen Aufzug nicht genug sehn, nicht genug preisen
konnte. Der getreue Eckart erhob sich und schaute
finster hinüber, und der junge Conrad sang, nach-
dem er die Jagd aus dem Gesichte verloren hatte:

Wenn du willt
Schwerdt und Schild,
Gutes Roß,
Speer und Geschoß
Führen:
Muß dein Mark
In Beinen stark,
Dir im Blut
Mannesmuth
Gar kräftiglich regieren!

Der Alte nahm den Sohn und herzte ihn,
wobei er gerührt seine großen hellblauen Augen
anschaute. Hast du das Lied jenes guten Mannes
gehört? fragte er ihn dann.

Wie nicht? sprach der Sohn, hat er es doch
laut genug gesungen, und bist du ja doch der getreue
Eckart, so daß ich gern zuhörte.

Derselbe Herzog ist jetzt mein Feind, sprach
der alte Vater; er hält mir meinen zweiten Sohn
gefangen, ja hat ihn schon hingerichtet, wenn ich
dem trauen darf, was die Leute im Lande sagen.


Der getreue Eckart.
als alle uͤbrige Maͤnner, vor wem darfſt du dich
denn fuͤrchten?

Indem zog die Jagd des Herzoges heim nach
Hauſe. Burgund ſaß auf einem ſtattlichen, ſchoͤn
geſchmuͤckten Roſſe, und Gold und Geſchmeide des
fuͤrſtlichen Herzogs flimmerte und blinkte in der
Abendſonne, ſo daß der junge Conrad den herrli-
chen Aufzug nicht genug ſehn, nicht genug preiſen
konnte. Der getreue Eckart erhob ſich und ſchaute
finſter hinuͤber, und der junge Conrad ſang, nach-
dem er die Jagd aus dem Geſichte verloren hatte:

Wenn du willt
Schwerdt und Schild,
Gutes Roß,
Speer und Geſchoß
Fuͤhren:
Muß dein Mark
In Beinen ſtark,
Dir im Blut
Mannesmuth
Gar kraͤftiglich regieren!

Der Alte nahm den Sohn und herzte ihn,
wobei er geruͤhrt ſeine großen hellblauen Augen
anſchaute. Haſt du das Lied jenes guten Mannes
gehoͤrt? fragte er ihn dann.

Wie nicht? ſprach der Sohn, hat er es doch
laut genug geſungen, und biſt du ja doch der getreue
Eckart, ſo daß ich gern zuhoͤrte.

Derſelbe Herzog iſt jetzt mein Feind, ſprach
der alte Vater; er haͤlt mir meinen zweiten Sohn
gefangen, ja hat ihn ſchon hingerichtet, wenn ich
dem trauen darf, was die Leute im Lande ſagen.


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[199/0210] Der getreue Eckart. als alle uͤbrige Maͤnner, vor wem darfſt du dich denn fuͤrchten? Indem zog die Jagd des Herzoges heim nach Hauſe. Burgund ſaß auf einem ſtattlichen, ſchoͤn geſchmuͤckten Roſſe, und Gold und Geſchmeide des fuͤrſtlichen Herzogs flimmerte und blinkte in der Abendſonne, ſo daß der junge Conrad den herrli- chen Aufzug nicht genug ſehn, nicht genug preiſen konnte. Der getreue Eckart erhob ſich und ſchaute finſter hinuͤber, und der junge Conrad ſang, nach- dem er die Jagd aus dem Geſichte verloren hatte: Wenn du willt Schwerdt und Schild, Gutes Roß, Speer und Geſchoß Fuͤhren: Muß dein Mark In Beinen ſtark, Dir im Blut Mannesmuth Gar kraͤftiglich regieren! Der Alte nahm den Sohn und herzte ihn, wobei er geruͤhrt ſeine großen hellblauen Augen anſchaute. Haſt du das Lied jenes guten Mannes gehoͤrt? fragte er ihn dann. Wie nicht? ſprach der Sohn, hat er es doch laut genug geſungen, und biſt du ja doch der getreue Eckart, ſo daß ich gern zuhoͤrte. Derſelbe Herzog iſt jetzt mein Feind, ſprach der alte Vater; er haͤlt mir meinen zweiten Sohn gefangen, ja hat ihn ſchon hingerichtet, wenn ich dem trauen darf, was die Leute im Lande ſagen.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/210>, abgerufen am 19.05.2024.