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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.

Nimm dein großes Schwerdt und duld' es
nicht, sagte der Sohn, sie müssen ja alle vor Dir
zittern, und alle Leute im ganzen Lande werden
dir beistehn, denn du bist ihr größter Held im
Lande.

Nicht also, mein Sohn, sprach jener, dann
wäre ich der, für den mich meine Feinde ausgeben,
ich darf nicht an meinem Landesherren ungetreu
werden; nein, ich darf nicht den Frieden brechen,
den ich ihm angelobt und in seine Hände ver-
sprochen.

Aber was will er von uns? fragte Conrad
ungeduldig.

Der Eckart setzte sich wieder nieder und sagte:
mein Sohn, die ganze Erzählung davon würde zu
umständlich lauten, und du würdest es dennoch
kaum verstehn. Der Mächtige hat immer seinen
größten Feind in seinem eigenen Herzen, den er
so Tag wie Nacht fürchtet: so meint der Burgund
nunmehr, er habe mir zu viel getraut, und in mir
eine Schlange an seinem Busen auferzogen. Sie
nennen mich im Land den kühnsten Degen, sie
sagen laut, daß er mir Reich und Leben zu dan-
ken, ich heiße der getreue Eckart, und so wenden
sich Bedrängte und Nothleidende zu mir, daß ich
ihnen Hülfe schaffe; das kann er nicht leiden. So
hat er Groll auf mich geworfen, und jeder, der
bei ihm gelten möchte, vermehrt sein Mißtrauen
zu mir: so hat sich endlich sein Herz von mir abge-
wendet.

Hierauf erzählte ihm der Helb Eckart mit

Erſte Abtheilung.

Nimm dein großes Schwerdt und duld' es
nicht, ſagte der Sohn, ſie muͤſſen ja alle vor Dir
zittern, und alle Leute im ganzen Lande werden
dir beiſtehn, denn du biſt ihr groͤßter Held im
Lande.

Nicht alſo, mein Sohn, ſprach jener, dann
waͤre ich der, fuͤr den mich meine Feinde ausgeben,
ich darf nicht an meinem Landesherren ungetreu
werden; nein, ich darf nicht den Frieden brechen,
den ich ihm angelobt und in ſeine Haͤnde ver-
ſprochen.

Aber was will er von uns? fragte Conrad
ungeduldig.

Der Eckart ſetzte ſich wieder nieder und ſagte:
mein Sohn, die ganze Erzaͤhlung davon wuͤrde zu
umſtaͤndlich lauten, und du wuͤrdeſt es dennoch
kaum verſtehn. Der Maͤchtige hat immer ſeinen
groͤßten Feind in ſeinem eigenen Herzen, den er
ſo Tag wie Nacht fuͤrchtet: ſo meint der Burgund
nunmehr, er habe mir zu viel getraut, und in mir
eine Schlange an ſeinem Buſen auferzogen. Sie
nennen mich im Land den kuͤhnſten Degen, ſie
ſagen laut, daß er mir Reich und Leben zu dan-
ken, ich heiße der getreue Eckart, und ſo wenden
ſich Bedraͤngte und Nothleidende zu mir, daß ich
ihnen Huͤlfe ſchaffe; das kann er nicht leiden. So
hat er Groll auf mich geworfen, und jeder, der
bei ihm gelten moͤchte, vermehrt ſein Mißtrauen
zu mir: ſo hat ſich endlich ſein Herz von mir abge-
wendet.

Hierauf erzaͤhlte ihm der Helb Eckart mit

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[200/0211] Erſte Abtheilung. Nimm dein großes Schwerdt und duld' es nicht, ſagte der Sohn, ſie muͤſſen ja alle vor Dir zittern, und alle Leute im ganzen Lande werden dir beiſtehn, denn du biſt ihr groͤßter Held im Lande. Nicht alſo, mein Sohn, ſprach jener, dann waͤre ich der, fuͤr den mich meine Feinde ausgeben, ich darf nicht an meinem Landesherren ungetreu werden; nein, ich darf nicht den Frieden brechen, den ich ihm angelobt und in ſeine Haͤnde ver- ſprochen. Aber was will er von uns? fragte Conrad ungeduldig. Der Eckart ſetzte ſich wieder nieder und ſagte: mein Sohn, die ganze Erzaͤhlung davon wuͤrde zu umſtaͤndlich lauten, und du wuͤrdeſt es dennoch kaum verſtehn. Der Maͤchtige hat immer ſeinen groͤßten Feind in ſeinem eigenen Herzen, den er ſo Tag wie Nacht fuͤrchtet: ſo meint der Burgund nunmehr, er habe mir zu viel getraut, und in mir eine Schlange an ſeinem Buſen auferzogen. Sie nennen mich im Land den kuͤhnſten Degen, ſie ſagen laut, daß er mir Reich und Leben zu dan- ken, ich heiße der getreue Eckart, und ſo wenden ſich Bedraͤngte und Nothleidende zu mir, daß ich ihnen Huͤlfe ſchaffe; das kann er nicht leiden. So hat er Groll auf mich geworfen, und jeder, der bei ihm gelten moͤchte, vermehrt ſein Mißtrauen zu mir: ſo hat ſich endlich ſein Herz von mir abge- wendet. Hierauf erzaͤhlte ihm der Helb Eckart mit

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/211>, abgerufen am 19.05.2024.