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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.

Ich konnte die Nacht hindurch nicht schlafen,
alles fiel mir von neuem in die Gedanken, und
mehr als jemals fühlt' ich, daß ich Unrecht gethan
hatte. Als ich aufstand, war mir der Anblick des
Vogels ordentlich zuwider, er sah immer nach mir
hin, und seine Gegenwart ängstigte mich. Er hörte
nun mit seinem Liede gar nicht wieder auf, und
er sang es lauter und schallender, als er es sonst
gewohnt gewesen war. Je mehr ich ihn betrach-
tete, je bänger machte er mich; ich öffnete endlich
den Käfig, steckte die Hand hinein und faßte sei-
nen Hals, herzhaft drückte ich die Finger zusam-
men, er sah mich bittend an, ich ließ los, aber
er war schon gestorben. -- Ich begrub ihn im
Garten.

Jetzt wandelte mich oft eine Furcht vor mei-
ner Aufwärterin an, ich dachte an mich selbst zu-
rück, und glaubte, daß sie mich auch einst berauben
oder wohl gar ermorden könne. -- Schon lange
kannt' ich einen jungen Ritter, der mir überaus
gefiel, ich gab ihm meine Hand, -- und hiermit,
Herr Walter, ist meine Geschichte geendigt.

Ihr hättet sie damals sehn sollen, fiel Eckbert
hastig ein, -- ihre Jugend, ihre Schönheit, und
welch einen unbegreiflichen Reiz ihr ihre einsame
Erziehung gegeben hatte. Sie kam mir vor wie
ein Wunder, und ich liebte sie ganz unbeschreiblich.
Ich hatte kein Vermögen, aber durch ihre Liebe
kam ich in diesen Wohlstand; wir zogen hieher,
und unsre Verbindung hat uns bis jetzt noch keinen
Augenblick gereut. --


Erſte Abtheilung.

Ich konnte die Nacht hindurch nicht ſchlafen,
alles fiel mir von neuem in die Gedanken, und
mehr als jemals fuͤhlt' ich, daß ich Unrecht gethan
hatte. Als ich aufſtand, war mir der Anblick des
Vogels ordentlich zuwider, er ſah immer nach mir
hin, und ſeine Gegenwart aͤngſtigte mich. Er hoͤrte
nun mit ſeinem Liede gar nicht wieder auf, und
er ſang es lauter und ſchallender, als er es ſonſt
gewohnt geweſen war. Je mehr ich ihn betrach-
tete, je baͤnger machte er mich; ich oͤffnete endlich
den Kaͤfig, ſteckte die Hand hinein und faßte ſei-
nen Hals, herzhaft druͤckte ich die Finger zuſam-
men, er ſah mich bittend an, ich ließ los, aber
er war ſchon geſtorben. — Ich begrub ihn im
Garten.

Jetzt wandelte mich oft eine Furcht vor mei-
ner Aufwaͤrterin an, ich dachte an mich ſelbſt zu-
ruͤck, und glaubte, daß ſie mich auch einſt berauben
oder wohl gar ermorden koͤnne. — Schon lange
kannt' ich einen jungen Ritter, der mir uͤberaus
gefiel, ich gab ihm meine Hand, — und hiermit,
Herr Walter, iſt meine Geſchichte geendigt.

Ihr haͤttet ſie damals ſehn ſollen, fiel Eckbert
haſtig ein, — ihre Jugend, ihre Schoͤnheit, und
welch einen unbegreiflichen Reiz ihr ihre einſame
Erziehung gegeben hatte. Sie kam mir vor wie
ein Wunder, und ich liebte ſie ganz unbeſchreiblich.
Ich hatte kein Vermoͤgen, aber durch ihre Liebe
kam ich in dieſen Wohlſtand; wir zogen hieher,
und unſre Verbindung hat uns bis jetzt noch keinen
Augenblick gereut. —


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[184/0195] Erſte Abtheilung. Ich konnte die Nacht hindurch nicht ſchlafen, alles fiel mir von neuem in die Gedanken, und mehr als jemals fuͤhlt' ich, daß ich Unrecht gethan hatte. Als ich aufſtand, war mir der Anblick des Vogels ordentlich zuwider, er ſah immer nach mir hin, und ſeine Gegenwart aͤngſtigte mich. Er hoͤrte nun mit ſeinem Liede gar nicht wieder auf, und er ſang es lauter und ſchallender, als er es ſonſt gewohnt geweſen war. Je mehr ich ihn betrach- tete, je baͤnger machte er mich; ich oͤffnete endlich den Kaͤfig, ſteckte die Hand hinein und faßte ſei- nen Hals, herzhaft druͤckte ich die Finger zuſam- men, er ſah mich bittend an, ich ließ los, aber er war ſchon geſtorben. — Ich begrub ihn im Garten. Jetzt wandelte mich oft eine Furcht vor mei- ner Aufwaͤrterin an, ich dachte an mich ſelbſt zu- ruͤck, und glaubte, daß ſie mich auch einſt berauben oder wohl gar ermorden koͤnne. — Schon lange kannt' ich einen jungen Ritter, der mir uͤberaus gefiel, ich gab ihm meine Hand, — und hiermit, Herr Walter, iſt meine Geſchichte geendigt. Ihr haͤttet ſie damals ſehn ſollen, fiel Eckbert haſtig ein, — ihre Jugend, ihre Schoͤnheit, und welch einen unbegreiflichen Reiz ihr ihre einſame Erziehung gegeben hatte. Sie kam mir vor wie ein Wunder, und ich liebte ſie ganz unbeſchreiblich. Ich hatte kein Vermoͤgen, aber durch ihre Liebe kam ich in dieſen Wohlſtand; wir zogen hieher, und unſre Verbindung hat uns bis jetzt noch keinen Augenblick gereut. —

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/195>, abgerufen am 24.11.2024.