hastig, -- aber ganz fremde Gesichter saßen in der Stube umher und stierten mich an. Ich fragte nach dem Schäfer Martin, und man sagte mir, er sey schon seit drey Jahren mit seiner Frau ge- storben. -- Ich trat schnell zurück, und ging laut weinend aus dem Dorfe hinaus.
Ich hatte es mir so schön gedacht, sie mit meinem Reichthume zu überraschen; durch den selt- samsten Zufall war das nun wirklich geworden, was ich in der Kindheit immer nur träumte, -- und jetzt war alles umsonst, sie konnten sich nicht mit mir freuen, und das, worauf ich am meisten immer im Leben gehofft hatte, war für mich auf ewig verloren.
In einer angenehmen Stadt miethete ich mir ein kleines Haus mit einem Garten, und nahm eine Aufwärterin zu mir. So wunderbar, als ich es vermuthet hatte, kam mir die Welt nicht vor, aber ich vergaß die Alte und meinen ehemaligen Aufenthalt etwas mehr, und so lebt' ich im Gan- zen recht zufrieden.
Der Vogel hatte schon seit lange nicht mehr gesungen; ich erschrack daher nicht wenig, als er in einer Nacht plötzlich wieder anfing, und zwar mit einem veränderten Liede. Er sang:
Waldeinsamkeit Wie liegst du weit! O dich gereut Einst mit der Zeit. -- Ach einzge Freud Waldeinsamkeit!
Der blonde Eckbert.
haſtig, — aber ganz fremde Geſichter ſaßen in der Stube umher und ſtierten mich an. Ich fragte nach dem Schaͤfer Martin, und man ſagte mir, er ſey ſchon ſeit drey Jahren mit ſeiner Frau ge- ſtorben. — Ich trat ſchnell zuruͤck, und ging laut weinend aus dem Dorfe hinaus.
Ich hatte es mir ſo ſchoͤn gedacht, ſie mit meinem Reichthume zu uͤberraſchen; durch den ſelt- ſamſten Zufall war das nun wirklich geworden, was ich in der Kindheit immer nur traͤumte, — und jetzt war alles umſonſt, ſie konnten ſich nicht mit mir freuen, und das, worauf ich am meiſten immer im Leben gehofft hatte, war fuͤr mich auf ewig verloren.
In einer angenehmen Stadt miethete ich mir ein kleines Haus mit einem Garten, und nahm eine Aufwaͤrterin zu mir. So wunderbar, als ich es vermuthet hatte, kam mir die Welt nicht vor, aber ich vergaß die Alte und meinen ehemaligen Aufenthalt etwas mehr, und ſo lebt' ich im Gan- zen recht zufrieden.
Der Vogel hatte ſchon ſeit lange nicht mehr geſungen; ich erſchrack daher nicht wenig, als er in einer Nacht ploͤtzlich wieder anfing, und zwar mit einem veraͤnderten Liede. Er ſang:
Waldeinſamkeit Wie liegſt du weit! O dich gereut Einſt mit der Zeit. — Ach einzge Freud Waldeinſamkeit!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0194"n="183"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Der blonde Eckbert</hi>.</fw><lb/>
haſtig, — aber ganz fremde Geſichter ſaßen in der<lb/>
Stube umher und ſtierten mich an. Ich fragte<lb/>
nach dem Schaͤfer Martin, und man ſagte mir,<lb/>
er ſey ſchon ſeit drey Jahren mit ſeiner Frau ge-<lb/>ſtorben. — Ich trat ſchnell zuruͤck, und ging laut<lb/>
weinend aus dem Dorfe hinaus.</p><lb/><p>Ich hatte es mir ſo ſchoͤn gedacht, ſie mit<lb/>
meinem Reichthume zu uͤberraſchen; durch den ſelt-<lb/>ſamſten Zufall war das nun wirklich geworden,<lb/>
was ich in der Kindheit immer nur traͤumte, —<lb/>
und jetzt war alles umſonſt, ſie konnten ſich nicht<lb/>
mit mir freuen, und das, worauf ich am meiſten<lb/>
immer im Leben gehofft hatte, war fuͤr mich auf<lb/>
ewig verloren.</p><lb/><p>In einer angenehmen Stadt miethete ich mir<lb/>
ein kleines Haus mit einem Garten, und nahm<lb/>
eine Aufwaͤrterin zu mir. So wunderbar, als ich<lb/>
es vermuthet hatte, kam mir die Welt nicht vor,<lb/>
aber ich vergaß die Alte und meinen ehemaligen<lb/>
Aufenthalt etwas mehr, und ſo lebt' ich im Gan-<lb/>
zen recht zufrieden.</p><lb/><p>Der Vogel hatte ſchon ſeit lange nicht mehr<lb/>
geſungen; ich erſchrack daher nicht wenig, als er<lb/>
in einer Nacht ploͤtzlich wieder anfing, und zwar<lb/>
mit einem veraͤnderten Liede. Er ſang:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Waldeinſamkeit</l><lb/><l>Wie liegſt du weit!</l><lb/><l>O dich gereut</l><lb/><l>Einſt mit der Zeit. —</l><lb/><l>Ach einzge Freud</l><lb/><l>Waldeinſamkeit!</l></lg><lb/></div></div></body></text></TEI>
[183/0194]
Der blonde Eckbert.
haſtig, — aber ganz fremde Geſichter ſaßen in der
Stube umher und ſtierten mich an. Ich fragte
nach dem Schaͤfer Martin, und man ſagte mir,
er ſey ſchon ſeit drey Jahren mit ſeiner Frau ge-
ſtorben. — Ich trat ſchnell zuruͤck, und ging laut
weinend aus dem Dorfe hinaus.
Ich hatte es mir ſo ſchoͤn gedacht, ſie mit
meinem Reichthume zu uͤberraſchen; durch den ſelt-
ſamſten Zufall war das nun wirklich geworden,
was ich in der Kindheit immer nur traͤumte, —
und jetzt war alles umſonſt, ſie konnten ſich nicht
mit mir freuen, und das, worauf ich am meiſten
immer im Leben gehofft hatte, war fuͤr mich auf
ewig verloren.
In einer angenehmen Stadt miethete ich mir
ein kleines Haus mit einem Garten, und nahm
eine Aufwaͤrterin zu mir. So wunderbar, als ich
es vermuthet hatte, kam mir die Welt nicht vor,
aber ich vergaß die Alte und meinen ehemaligen
Aufenthalt etwas mehr, und ſo lebt' ich im Gan-
zen recht zufrieden.
Der Vogel hatte ſchon ſeit lange nicht mehr
geſungen; ich erſchrack daher nicht wenig, als er
in einer Nacht ploͤtzlich wieder anfing, und zwar
mit einem veraͤnderten Liede. Er ſang:
Waldeinſamkeit
Wie liegſt du weit!
O dich gereut
Einſt mit der Zeit. —
Ach einzge Freud
Waldeinſamkeit!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/194>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.