thusiasmus verloren. Mir ging es aber bey weitem übler. Die Menschen witterten etwas von meinen Ideen, die sie Schwärmerey nann- ten, um mich zu bessern, verfolgten sie mich nun mit falschem Witze, mit Sticheleyen auf die gemeinste Weise. Alles, was ich that und sagte, war ihnen nicht recht und zu jugendlich; sie ließen mir nicht die Zeit, selbst Erfahrun- gen zu machen, um meine Thorheiten einzu- sehn, sondern ich sollte in einem Treibhause klüger werden.
Es ist gewiß leicht, ein großer Mensch zu werden und zu bleiben, wenn sich uns sogleich große Unglücksfälle in den Weg werfen, die die Bahn zu versperren drohen. Dann nimmt ein solcher Mann alle seine Kräfte zusammen, um keinen Schritt zurück zu thun. Gefängniß und Ketten, Todesgefahr und allgemeiner Haß sind nur Mittel, die seine Seele stärken und verhärten, er lebt in einem unaufhörlichen Kampfe gegen die wilden Massen, die ihn um- geben, und dieser Kampf erhält ihn munter und lebendig. Eigensinn wird endlich seine Haupttugend werden, an dem sich seine übrigen Tugenden nur lehnen, er wird sich selbst ver-
thuſiasmus verloren. Mir ging es aber bey weitem uͤbler. Die Menſchen witterten etwas von meinen Ideen, die ſie Schwaͤrmerey nann- ten, um mich zu beſſern, verfolgten ſie mich nun mit falſchem Witze, mit Sticheleyen auf die gemeinſte Weiſe. Alles, was ich that und ſagte, war ihnen nicht recht und zu jugendlich; ſie ließen mir nicht die Zeit, ſelbſt Erfahrun- gen zu machen, um meine Thorheiten einzu- ſehn, ſondern ich ſollte in einem Treibhauſe kluͤger werden.
Es iſt gewiß leicht, ein großer Menſch zu werden und zu bleiben, wenn ſich uns ſogleich große Ungluͤcksfaͤlle in den Weg werfen, die die Bahn zu verſperren drohen. Dann nimmt ein ſolcher Mann alle ſeine Kraͤfte zuſammen, um keinen Schritt zuruͤck zu thun. Gefaͤngniß und Ketten, Todesgefahr und allgemeiner Haß ſind nur Mittel, die ſeine Seele ſtaͤrken und verhaͤrten, er lebt in einem unaufhoͤrlichen Kampfe gegen die wilden Maſſen, die ihn um- geben, und dieſer Kampf erhaͤlt ihn munter und lebendig. Eigenſinn wird endlich ſeine Haupttugend werden, an dem ſich ſeine uͤbrigen Tugenden nur lehnen, er wird ſich ſelbſt ver-
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thuſiasmus verloren. Mir ging es aber bey
weitem uͤbler. Die Menſchen witterten etwas
von meinen Ideen, die ſie Schwaͤrmerey nann-
ten, um mich zu beſſern, verfolgten ſie mich
nun mit falſchem Witze, mit Sticheleyen auf
die gemeinſte Weiſe. Alles, was ich that und
ſagte, war ihnen nicht recht und zu jugendlich;
ſie ließen mir nicht die Zeit, ſelbſt Erfahrun-
gen zu machen, um meine Thorheiten einzu-
ſehn, ſondern ich ſollte in einem Treibhauſe
kluͤger werden.
Es iſt gewiß leicht, ein großer Menſch zu
werden und zu bleiben, wenn ſich uns ſogleich
große Ungluͤcksfaͤlle in den Weg werfen, die
die Bahn zu verſperren drohen. Dann nimmt
ein ſolcher Mann alle ſeine Kraͤfte zuſammen,
um keinen Schritt zuruͤck zu thun. Gefaͤngniß
und Ketten, Todesgefahr und allgemeiner Haß
ſind nur Mittel, die ſeine Seele ſtaͤrken und
verhaͤrten, er lebt in einem unaufhoͤrlichen
Kampfe gegen die wilden Maſſen, die ihn um-
geben, und dieſer Kampf erhaͤlt ihn munter
und lebendig. Eigenſinn wird endlich ſeine
Haupttugend werden, an dem ſich ſeine uͤbrigen
Tugenden nur lehnen, er wird ſich ſelbſt ver-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/422>, abgerufen am 22.11.2024.
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