Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

mir selber abgeläugnet; ich kann jetzt mit die-
sen Lügen nicht weiter kommen, ein unbestech-
licher, unsichtbarer Genius verdammt mich von
innen heraus, und was mich am meisten zu
Boden wirft, ist, daß ich mir nicht als ein
Ungeheuer, sondern als ein verächtlicher, ge-
meiner Mensch erscheine. Wäre das erstere der
Fall, so läge in der Vorstellung selbst ein
Stolz und also auch ein Trost. -- O, Sie
glauben es nicht, wie abgeschmackt ich mir vor-
komme, wenn ich irgend einen Schluß machen,
oder etwas Gescheutes sagen will, alles erscheint
mir dann so ohne Zusammenhang mit mir sel-
ber, so aus der Luft gerissen, so im Wider-
spruche mit dem jämmerlichen Lovell, daß ich
wie ein Schulknabe erröthen möchte.

Sie sehn, Rosa, ich muß zurück und An-
drea muß mich von mir selbst erlösen.


mir ſelber abgelaͤugnet; ich kann jetzt mit die-
ſen Luͤgen nicht weiter kommen, ein unbeſtech-
licher, unſichtbarer Genius verdammt mich von
innen heraus, und was mich am meiſten zu
Boden wirft, iſt, daß ich mir nicht als ein
Ungeheuer, ſondern als ein veraͤchtlicher, ge-
meiner Menſch erſcheine. Waͤre das erſtere der
Fall, ſo laͤge in der Vorſtellung ſelbſt ein
Stolz und alſo auch ein Troſt. — O, Sie
glauben es nicht, wie abgeſchmackt ich mir vor-
komme, wenn ich irgend einen Schluß machen,
oder etwas Geſcheutes ſagen will, alles erſcheint
mir dann ſo ohne Zuſammenhang mit mir ſel-
ber, ſo aus der Luft geriſſen, ſo im Wider-
ſpruche mit dem jaͤmmerlichen Lovell, daß ich
wie ein Schulknabe erroͤthen moͤchte.

Sie ſehn, Roſa, ich muß zuruͤck und An-
drea muß mich von mir ſelbſt erloͤſen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0306" n="299"/>
mir &#x017F;elber abgela&#x0364;ugnet; ich kann jetzt mit die-<lb/>
&#x017F;en Lu&#x0364;gen nicht weiter kommen, ein unbe&#x017F;tech-<lb/>
licher, un&#x017F;ichtbarer Genius verdammt mich von<lb/>
innen heraus, und was mich am mei&#x017F;ten zu<lb/>
Boden wirft, i&#x017F;t, daß ich mir nicht als ein<lb/>
Ungeheuer, &#x017F;ondern als ein vera&#x0364;chtlicher, ge-<lb/>
meiner Men&#x017F;ch er&#x017F;cheine. Wa&#x0364;re das er&#x017F;tere der<lb/>
Fall, &#x017F;o la&#x0364;ge in der Vor&#x017F;tellung &#x017F;elb&#x017F;t ein<lb/>
Stolz und al&#x017F;o auch ein Tro&#x017F;t. &#x2014; O, Sie<lb/>
glauben es nicht, wie abge&#x017F;chmackt ich mir vor-<lb/>
komme, wenn ich irgend einen Schluß machen,<lb/>
oder etwas Ge&#x017F;cheutes &#x017F;agen will, alles er&#x017F;cheint<lb/>
mir dann &#x017F;o ohne Zu&#x017F;ammenhang mit mir &#x017F;el-<lb/>
ber, &#x017F;o aus der Luft geri&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o im Wider-<lb/>
&#x017F;pruche mit dem ja&#x0364;mmerlichen Lovell, daß ich<lb/>
wie ein Schulknabe erro&#x0364;then mo&#x0364;chte.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;ehn, Ro&#x017F;a, ich muß zuru&#x0364;ck und An-<lb/>
drea muß mich von mir &#x017F;elb&#x017F;t erlo&#x0364;&#x017F;en.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0306] mir ſelber abgelaͤugnet; ich kann jetzt mit die- ſen Luͤgen nicht weiter kommen, ein unbeſtech- licher, unſichtbarer Genius verdammt mich von innen heraus, und was mich am meiſten zu Boden wirft, iſt, daß ich mir nicht als ein Ungeheuer, ſondern als ein veraͤchtlicher, ge- meiner Menſch erſcheine. Waͤre das erſtere der Fall, ſo laͤge in der Vorſtellung ſelbſt ein Stolz und alſo auch ein Troſt. — O, Sie glauben es nicht, wie abgeſchmackt ich mir vor- komme, wenn ich irgend einen Schluß machen, oder etwas Geſcheutes ſagen will, alles erſcheint mir dann ſo ohne Zuſammenhang mit mir ſel- ber, ſo aus der Luft geriſſen, ſo im Wider- ſpruche mit dem jaͤmmerlichen Lovell, daß ich wie ein Schulknabe erroͤthen moͤchte. Sie ſehn, Roſa, ich muß zuruͤck und An- drea muß mich von mir ſelbſt erloͤſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/306
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/306>, abgerufen am 23.11.2024.