dann ist er glücklich, dann kann er sagen, er sey zufrieden. Und so wird er im Tode seyn. Dumpfe Nacht liegt dann über mir, kein Stern leuchtet zu mir in den finstern Abgrund hinein, kein Schall aus der Oberwelt findet den Weg dahin, unauflöslich an gänzliche Vergessenheit gebunden lieg' ich dann da und bin nicht mehr ich selbst, ich kenne mich nicht mehr und die Steine umher sind meine Brüder, -- nun, warum sollt' ich mich denn also vor dem Tode fürchten? Er ist nichts, er hebt die Furcht auf, er ist die letzte Spitze, in der alle mensch- liche Gefühle und Besorgnisse zusammenlaufen und in Nichts zerschmelzen.
Wohl mir, wenn der Tod erst mein Ge- hirn und Herz zertreten hat, wenn Steine über mir liegen und Gewürme von meinem Leich- name zehren! --
Der Mensch ist nichts als ein alberner Pos- senreißer, der den Kopf hervorsteckt, um Fraz- zen zu ziehn, dann drückt er sich wieder zurück in eine schwarze Oeffnung der Erde und man hört nichts weiter von ihm.
Mein Blut läuft schmerzhaft schnell durch meine Adern. Aber es wird einst stille stehn,
dann iſt er gluͤcklich, dann kann er ſagen, er ſey zufrieden. Und ſo wird er im Tode ſeyn. Dumpfe Nacht liegt dann uͤber mir, kein Stern leuchtet zu mir in den finſtern Abgrund hinein, kein Schall aus der Oberwelt findet den Weg dahin, unaufloͤslich an gaͤnzliche Vergeſſenheit gebunden lieg' ich dann da und bin nicht mehr ich ſelbſt, ich kenne mich nicht mehr und die Steine umher ſind meine Bruͤder, — nun, warum ſollt' ich mich denn alſo vor dem Tode fuͤrchten? Er iſt nichts, er hebt die Furcht auf, er iſt die letzte Spitze, in der alle menſch- liche Gefuͤhle und Beſorgniſſe zuſammenlaufen und in Nichts zerſchmelzen.
Wohl mir, wenn der Tod erſt mein Ge- hirn und Herz zertreten hat, wenn Steine uͤber mir liegen und Gewuͤrme von meinem Leich- name zehren! —
Der Menſch iſt nichts als ein alberner Poſ- ſenreißer, der den Kopf hervorſteckt, um Fraz- zen zu ziehn, dann druͤckt er ſich wieder zuruͤck in eine ſchwarze Oeffnung der Erde und man hoͤrt nichts weiter von ihm.
Mein Blut laͤuft ſchmerzhaft ſchnell durch meine Adern. Aber es wird einſt ſtille ſtehn,
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dann iſt er gluͤcklich, dann kann er ſagen, er
ſey zufrieden. Und ſo wird er im Tode ſeyn.
Dumpfe Nacht liegt dann uͤber mir, kein Stern
leuchtet zu mir in den finſtern Abgrund hinein,
kein Schall aus der Oberwelt findet den Weg
dahin, unaufloͤslich an gaͤnzliche Vergeſſenheit
gebunden lieg' ich dann da und bin nicht mehr
ich ſelbſt, ich kenne mich nicht mehr und die
Steine umher ſind meine Bruͤder, — nun,
warum ſollt' ich mich denn alſo vor dem Tode
fuͤrchten? Er iſt nichts, er hebt die Furcht
auf, er iſt die letzte Spitze, in der alle menſch-
liche Gefuͤhle und Beſorgniſſe zuſammenlaufen
und in Nichts zerſchmelzen.
Wohl mir, wenn der Tod erſt mein Ge-
hirn und Herz zertreten hat, wenn Steine uͤber
mir liegen und Gewuͤrme von meinem Leich-
name zehren! —
Der Menſch iſt nichts als ein alberner Poſ-
ſenreißer, der den Kopf hervorſteckt, um Fraz-
zen zu ziehn, dann druͤckt er ſich wieder zuruͤck in
eine ſchwarze Oeffnung der Erde und man hoͤrt
nichts weiter von ihm.
Mein Blut laͤuft ſchmerzhaft ſchnell durch
meine Adern. Aber es wird einſt ſtille ſtehn,
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/302>, abgerufen am 22.11.2024.
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